(05) - Leitliniengerechte Therapie des Harnblasenkarzinoms

übernehmen


Fragen0005.mp3




Leitliniengerechte Therapie des Harnblasenkarzinoms


Im Allgemeinen suchen Patienten mit bestimmten Beschwerden wie häufigem Harndrang, schmerzhaftem Wasserlassen oder blutigem Urin den Urologen auf. Dort steht zunächst einmal die genaue Diagnose im Vordergrund. Folgende Untersuchungen sind dann obligat:
- körperliche manuelle Untersuchung (Nierenlager, Bauchdecke)
- Harnanalyse
- Ultraschall Nieren und Blase
- Blutuntersuchung
- bei Verdacht auf Raumforderung Blasenspiegelung (Zystoskopie)
- eventuell Urographie und Urinzytologie


Bei Vorliegen einer Neoplasie (Gewebeneubildung) ist eine TUR-B =transurethrale Resektion der Blase erforderlich. Diese TUR dient sowohl diagnostischen als auch therapeutischen Zwecken. Fallweise, d.h. abhängig vom Befund während der TUR ist eine systematische Biopsie (Mapping) erforderlich. Die weitere Diagnostik bzw. Therapie richtet sich nach dem histologischen Befund der TUR (Staging und Grading = T und G).


Bei Vorliegen eines Harnblasenkarzinoms >T1 ist weitere Diagnostik indiziert. Unbedingt notwendig sind Röntgen-Thorax und Leber-Sonographie. Bei lokal fortgeschrittenem Tumor außerdem CT/MRT-Becken, evtl. Knochenszintigraphie sowie weitergehende Laboruntersuchungen folgender Parameter: alk. Phosphatase, LDH und Leberwerte.


Therapie des oberflächlichen Harnblasenkarzinoms (Ta, T1, Tis)
Nach vollständiger Resektion eines oberflächlichen papillären Karzinoms pTa G1 ist keine weitere Behandlung nötig, eine Nachresektion jedoch empfehlenswert. Bei T1- und Tis-Tumoren ist eine Nachresektion nach ca. sechs Wochen erforderlich. Beim Tis und bei Fortbestehen einer positiven Zytologie ist weitere Diagnostik zum möglichen Befall des oberen Harntrakts obligat.
Direkt im Anschluss an die TUR-B sollte die einmalige Instillation eines Zytostatikums erfolgen.


Bei einem Rezidiv eines Tumors TaG1 sowie bei allen anderen oberflächlichen Tumoren ist eine adjuvante Instillationstherapie indiziert, um Rezidive und/oder Progress der Erkrankung zu verhindern. Dafür werden Mitomycin C oder Doxorubicin als Zytostatika sowie der Immunmodulator BCG (Bazillus Calmette-Guérin) verwendet. Bei Tumoren mit hohem Progressionsrisiko G3 sowie bei Tumorrezidiven ist BCG Mittel der Wahl. Standardisierte Therapieschemata zur Instillationsbehandlung stehen nicht zur Verfügung; im allgemeinen besteht die Behandlung aus einer Induktionsphase über 6-8 Wochen und einer darauffolgenden Langzeittherapie über mehrere Monate bis Jahre.


Patienten mit Tis sowie T1G3 Tumoren gelten als Hochrisikopatienten und sollten deshalb immer mit BCG therapiert werden. Ein Therapieversagen im Sinne von Progress oder Rezidiv ist Indikation zur Zystektomie.


Therapie des invasiven Harnblasenkarzinoms (>T2a)
Standardbehandlung muskelinvasiver organbegrenzter Blasentumoren ist die radikale Zystektomie; Sonderformen der Behandlung bestehen in TUR, Radio- und Chemotherapie.


Die radikale Zystektomie beinhaltet neben der Entfernung der Harnblase auch eine pelvine Lymphadenektomie sowie beim Mann die Resektion von Prostata und Samenblasen, bei der Frau die Resektion von Gebärmutter, mindestens einem Eierstock sowie vorderer Scheidenwand. Bei positivem urethralem Absetzungsrand ist auch die Entfernung der (prostatischen) Harnröhre indiziert. Durch die Zystektomie ist gleichzeitig die Konstruktion einer neuen Harnableitung erforderlich. Dabei stehen sowohl inkontinente Harnableitungen (Urostoma in Form eines Harnleiterhautstomas oder eines intestinalen Conduits) als auch kontinente Harnableitungen (orthotope Neoblase, Neoblase mit Bauchdeckenanschluss oder Harnleiter-Darm-Implantation) zur Wahl.


Die Sondertherapieformen TUR oder Blasenteilresektion sollten nur bei sehr ausgesuchtem Patientengut stattfinden und sind kein Standardverfahren zur Behandlung des Harnblasenkarzinoms.
Die Radiotherapie ist indiziert bei Patienten, die für eine Zystektomie nicht geeignet sind oder Organerhalt wünschen. Sehr von Vorteil ist dabei eine vorausgegangene TUR mit R0-Resektion sowie eine gleichzeitige systemische Chemotherapie (Radiochemotherapie).


Bei fortgeschrittener Erkrankung empfiehlt sich der Einsatz einer systemischen cisplatinbasierten Chemotherapie. Eine neoadjuvante Chemotherapie kann dabei häufig die Operabilität des Tumors verbessern und zeigte in Studien ebenso wie die adjuvante Chemotherapie einen Überlebensvorteil gegenüber alleiniger lokaler Therapie.


Beim metastasierten Harnblasenkarzinom stehen zwei gleich effektive Therapievarianten zur Wahl: das M-Vac-Schema (Methotrexat, Vinblastin, Adriblastin, Cisplatin), sowie die Kombination Cisplatin/Gemcitabin. Aufgrund besserer Lebensqualität und geringerer Toxizität hat sich die Behandlung mit Cisplatin und Gemcitabin (4-6 Zyklen) inzwischen etabliert. Für Patienten, die eine derartige Chemotherapie nicht tolerieren oder Ausschlusskriterien aufweisen stehen andere Kombinationen z.B. Carboplatin mit Paclitaxel oder Gemcitabin zur Verfügung. Phase-II-Studien haben in etwa identische Effektivität von Oxaliplatin, Ifosfamid oder Epirubicin in Kombination mit Taxanen oder Cisplatin gezeigt. Da bislang aber noch randomisierte Studien fehlen, werden diese Regimes zur Zeit als Second- oder Third-Line- Therapien eingesetzt.


Nachsorge


Nach TUR - Anamnese und klinischer Befund
- Zystoskopie
- Sonographie Niere/Harnblase/Restharn
- bei Tis: Urinzytologie


Nach Zystektomie - Anamnese und klinischer Befund
- Röntgen-Thorax
- Sonographie Niere/Harnblase/Restharn
- Labor: Kreatinin, BGA, großes Blutbild, Elektrolyte
- Urgramm (1x pro Jahr)
- bei Symptomen CT/MRT Becken


Die Untersuchungsintervalle betragen drei Monate im 1. und 2. Jahr, sechs Monate im 3. und 4. Jahr, ab dem 5. Jahr einmal jährlich, bei Symptomen oder Beschwerden bedarfsgerecht. Bei einer Harnableitung ist lebenslange Nachsorge zwingend erforderlich. Eine Anschlussheilbehandlung in einer spezialisierten Rehabilitationsklinik wird bei Zystektomiepatienten empfohlen.

Informationsquelle:
Kurzgefasste 2008 aktualisierte Leitlinien erstellt durch die DGU im Auftrag der DKG.
Autoren: R.Andreesen, R.Böhle, C.Bokemeyer et al.

Dieser Link-Eintrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von wolfgangm ()