Immunocyanin beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom

übernehmen



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Seit einigen Jahren gibt es für die Patienten, bei denen die Instillationstherapie mit z.B. Mitomycin oder BCG erfolglos war oder
sich eine Unverträglichkeit zeigte eine Alternativ- Therapiemöglichkeit mit Immunocyanin.



Leider ist dieses Medikament in Deutschland noch nicht zugelassen und deshalb auch nicht in der Roten Liste (Medikamentenliste Deutschlands)
aufgeführt, obwohl die Therapie bei entsprechender Indikation in Einzelfällen durchaus verschreibungsfähig ist und bei einer
entsprechenden Begründung des Urologen auch von den Krankenkassen
übernommen wird (Wirtschaftlichkeitsgebot gem.§§ 12 Abs. 1,70 Abs. 1 SGB V).
Insbesondere muss der Einsatz zweckmäßig und notwendig sein. Das liegt insbesondere dann vor, wenn andere Instillationstherapien
erfolglos waren oder wegen Unverträglichkeit abgebrochen werden mussten und immer wieder Op’s wegen der Rezidivneubildungen erforderlich sind,
bzw. die Gefahr besteht, dass ein Rezidivtumor in ein ungünstigeres Stadium eintritt.


Die Therapie mit Immunocyanin (Produktname: Immucothel®), dauert insgesamt ein Jahr, ähnlich der Therapie mit BCG, hat aber weitaus
weniger Nebenwirkungen. Das aus einer Schnecke gewonnene Immunocyanin reicht in etwa aus, um einen Patienten mit Harnblasenkarzinom ein Jahr zu behandeln.
Die Schnecken werden dabei nicht getötet und kehren nach Entnahme des Serums lebend und unbeschadet ins Meer zurück.


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Eine Große Kalifornische Schlüssellochschnecke (rechts), aus der das KLH gewonnen wird (links im Bild: eine Seegurke)



Hier ein PDF zum Download (Therapievergleiche BCG, Mitomyzin, IMMUCOTHEL)



Hier ein Vorschlag eines Begründungsschreibens für den behandelnden Urologen gegenüber der Krankenkasse:


Begründung für den Nutzen von Immucothel® beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom.


Immucothel® enthält als wirksamen Bestandteil Immunocyanin, eine stabile Modifikation des Blutfarbstoffes Keyhole-Limpet Hemocyanin (KLH) der Meeresschnecke Megatura Crenulata.


Präklinische Untersuchungen:
Immucothel® führte in tierexperimentellen und präklinischen Untersuchungen nach Instillation in die Harnblase zu einer Aktivierung von Makrophagen und T-Lymphozyten sowie der humoralen Immunreaktion. In der obersten Schicht des Blasenepitels kommt es zu einem signifikanten Anstieg von T-Helferzellen, einem Anstieg des CD4/CD( Quotienten, einer vermehrten Ausschüttung von Interferon-α und anderen Zytokinen Die Zytokine Interleukin-1α und β werden nach Immucothel®-Instillation vermehrt im Urin ausgeschieden, was eine starke
Makrophagenaktivierung anzeigt. (Kuppel 1984, Munder 1986, Recker etal.1989, Linn et al. 1997, Jurincic et al 1989. Jurincic-Winkler et al.
1995). Das Glycoprotein KLH enthält Gal (β1-3) - Gal NAC-haltige Oligosaccharide. Diese Struktur entspricht dem
Thomsen-Friedenreich-Antigen, das auf Blasenkarzinomzellen, nicht aber auf normalem Blasenepitel, vermehrt frei exprimiert. (Wirguin et al. 1995).
So entsteht durch die Immunisierung der T-Lymphozyten mit KLH eine spezifische Immunantwort gegen Blasenkarzinomzellen.


Klinische Untersuchungen:
Oberflächliche Blasentumoren (pTa, pT1, G1-G2) haben nach transuretraler Resektion (TUR) eine hohe
Rezidivrate von bis über 70%. Zur Reduktion der Rezidivrate werden Instillationen von Adriamycin oder Mitomycin C, Thiotepa oder BCG über
einen Zeitraum von einem Jahr postoperativ durchgeführt.


Die Intravesikale Chemotherapie wurde in insgesamt 17 Studien an 2.331 Patienten untersucht. Dabei ergab sich ein Vorteil für Adriamycin (16-83% Rezidive
in 12-65 Monaten) Ethoglucid (30-61% Rezidive in 17-29 Monaten) Mytomycin C (7-81% Rezidive in 6-60 Monaten) und Thiotepa (24-65%
Rezidive in 24-60 Monaten).


Alle adjuvanten Therapien waren aber besser als die TUR allein (Lamm et al. 1992, Rübben et al. 1997, Rübben et al. 1990, Otero-Mauricio et al.
1992).


Nebenwirkungen der intravesikalen Chemotherapie sind schwere Chemozystitis bei 20-38% der Patienten (Rübben et al. 1990, Otero-Mauricio et al. 1992).


Eine Verbesserung der Rezidivprophylaxe stellt dem gegenüber die Instillationsbehandlung mit BCG dar. Es kam zu einer Reduktion der Rezidive um 20-30 % gegenüber TUR
und um 19-41% gegenüber Chemotherapie nach TUR. Nach BCG beträgt die Rezidivhäufigkeit 11-75% bei 6-67 Monaten nach Beobachtung (Rübben et
al. 1997). Nebenwirkungen dieser Therapie sind in bis zu 91% Zystitis, häufig hochgradig, in 40% Fieber, 3% BCG Sepsis mit insgesamt bisher 8
Todesfällen nach BCG-Instillation (Orihuela et al.1987, Izes et al. 1993, Lammetal. 1992).


Instillationsbehandlung mit Immucothel®:
Bereits 1974 (Olsson et al. 1974) wurde eine Wirksamkeit von subcutan verabreichten KLH auf Blasentumoren beschrieben.


Die bisher durchgeführten prospektiv randomisierten Studien mit Immucothel® zeigen eine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber
Mytomycin C (Jurincic et al. 1988), eine gleich gute Wirkung wie Ethoglucid (Flamm et al. 1990, Flamm et al. 1991, Flamm et al. 1994). Die Wirkung von Immucothel®
ist vergleichbar mit der von BCG (Kälble et al. 1991).


Die Nebenwirkungen von Immucothel® an 572 dokumentierten Patienten sind Grad I Fieber bei 3%, Zystitis bei 6% sowie vereinzelt (< 1%) Druckgefühl, Schmerzen,
Harndrang sowie erhöhte -γGT und GPT.


Zusammenfassung:
Die Instillationsprophylaxe des oberflächlichen Hamblasenkarzinoms ist heute eine anerkannte adjuvante Methode mit dem Ziel der Verhinderung
von Rezidiven nach TUR.
In Anbetracht der etwa gleichen Wirkung sollte die Nebenwirkungsrate für den Ausschlag für den Einsatz von Immucothel® geben. Gerade die unter
Chemotherapie und BCG regelmäßig auftretende, schwere Zystitis ist für die Patienten im höchsten Maße belastend, zumal die Behandlung insgesamt
ein Jahr dauert. Außerdem sollte man bedenken, dass Zytostatika, die in die Blase instilliert werden, unverstoffwechselt in die Umgebung
abgegeben werden.


Immerhin sind Zytostatika mutagene und damit krebserregende Substanzen.BCG ist ein Lebend-Impfstoff, der potentiell infektiös ist. Immucothel®
hat diese unerwünschten Eigenschaften nicht und sollte deshalb den Vorrang vor anderen Stoffen haben. In Holland ist Immucothel® seit 1998
für die Indikation von oberflächlichen Blasenkarzinomen zugelassen, in Österreich seit 2002.



Freundlichst zur Verfügung gestellt von:
Prof. Dr. med. K. Schumacher
Chefarzt a.D.
Facharzt für Innere Medizin,
Hämatologie und internistische Onkologie
70839 Gerlingen
Unterer Schloßberg 13
Telefon: 07156-2 86 86
Telefax: 07156-4 81 60



Hinweis:
Der Bezug des Medikamentes kann über jede Deutsche Apotheke legal (§73
Abs.3 AMG) aus den Niederlanden und Österreich erfolgen, wo das
Medikament seit einigen Jahren zugelassen ist.


Copyright Hinweis Bild: Von Ed Bierman - originally posted to Flickr as Keyhole limpet and warty sea cucumber, CC BY 2.0, File:Megathura crenulata.jpg - Wikimedia Commons



Wirkstoffe aus dem Meer: eine interessante Quelle neuer pharmazeutischer Wirkstoffe



Der Fortschritt ist eine Schnecke
Das Glykoprotein Keyhole limpet hemocyanin (KLH) wird aus der Hämolymphe der kalifornischen Meeresschnecke Megathura crenulata gewonnen. Dieser Wirkstoff hat ein hohes therapeutisches Potential. Zum einen senkt er die Rezidivrate (Rückfallrate) beim Harnblasenkarzinom und ist in Ländern wie Holland, Österreich, Argentinien, Südkorea auf dem Markt. Zum anderen dient dieses hochmolekulare Glykoprotein als Trägermolekül für verschiedene Antigene in neuen Impfstoff-Generationen.
Der erste Erfolg eines solchen Impfstoffs wurde in einer Phase III Studie der Firma Biovest International, Inc. (Worcester, MA, eine Tochtergesellschaft der Accentia Biopharmaceuticals, Inc.) bei Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom gezeigt: Die mit dem KLH-haltigen Impfstoff behandelte Gruppe überlebte signifikant länger.
Das Protein wird durch die (nicht tödliche) Punktion der Meeresschnecken in Kalifornien gewonnen, vorgereinigt und anschließend bei der biosyn Arzneimittel GmbH in Fellbach hochgereinigt. Inzwischen konnte die Gensequenz aufgeklärt und zum Patent angemeldet werden. Damit ist in Zukunft auch die gentechnische Herstellung des rekombinanten Proteins denkbar.


Ökologisch, innovativ: das blaue Serum der Schnecke
Bis zu 15 Jahre alt sind die Meeresschnecken – Megathura crenulata – wenn sie von Spezialtauchern vor der kalifornischen Küste aus dem immer kühlen Meer getaucht werden. Um diese Schnecken sammeln und ihr Serum durch Punktion gewinnen zu dürfen, ist die Genehmigung der kalifornischen Fischereibehörde Voraussetzung.
Die etwa 500 Schlüssellochschnecken pro Produktionsgang sind 2 Wochen zu Gast bei der biosyn-Corporation in Carlsbad in Kalifornien. Dort leben sie in Spezialbecken (eigens entwickelte Aquarien-Anlage) zur Reinigung auf Diät, dann wird ihnen nach Kältenarkose über den geeisten Fuß, mit dem sie sich am Untergrund festsaugen und fortbewegen, Serum entnommen. Die fehlende Flüssigkeitsmenge wird wieder aufgefüllt, womit, ist ein Firmengeheimnis. Nach 2 Wochen kehren die Schnecken unbeschadet zurück ins Meer.
Das aus einer Schnecke gewonnene Immunocyanin reicht in etwa aus, um einen Patienten mit Harnblasenkarzinom ein Jahr zu behandeln.
Die blaue Farbe stammt von Cu-Atomen, die am aktiven Zentrum des Hämocyanins den Sauerstoff binden. Hämocyanin ist in der Meeresschnecke für den Sauerstofftransport in die Gewebe zuständig.

Rezidivprophylaxe bei oberflächlichen Blasenkarzinomen

In der Bundesrepublik Deutschland erkranken ca. 28.750 Menschen pro Jahr. Es tritt bei Männern häufiger auf. (Männer: Frauen= 2,5: 1) bei einer Risikozunahme mit dem Alter (7. Lebensdekade). Das Harnblasenkarzinom steht auf dem 4. Platz bei den Tumorlokalisationen des Mannes (nach Prostata, Lunge, kolorektalen Karzinomen).
(Quelle: 'Krebs in Deutschland 2003 - 2004: Häufigkeiten und Trends' Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland / RKI, 6. Aufl., Berlin 2008)
Blasenkarzinome werden bei Routineuntersuchungen oder durch Blut im Harn des Patienten entdeckt und treten zu 95% als oberflächliche Urothelkarzinome auf. Der Standard der ersten therapeutischen Maßnahme besteht in der transurethralen Resektion (TURB) der oft papillomartig wachsenden malignen Tumore der Harnblase. 75-85% der Blasenkarzinome zeigen die postoperative Stadien pTa, pT1 oder CIS.
Urothelkarzinome der Harnblase neigen häufig dazu, Rezidive zu bilden mit Verschlechterung im Stadium und im Grading. 70% der T1 Tumore der Harnblase rezidivieren innerhalb von drei Jahren nach TURB. Dem versucht man therapeutisch durch die intravesikale Instillation zytostatisch oder immunologisch wirksamer Substanzen entgegenzuwirken.


Deutliche Verlängerung der rezidivfreien Zeit
Die häufigste Variante des KLH besteht aus 20 Untereinheiten, bildet zwei verbundene Ringe (Didekamer) und hat ein Molekulargewicht von ca. 8 Mio. Dalton.
Die dissoziierten Untereinheiten von KLH bilden das Immunocyanin mit einem Molekulargewicht von ca. 400 KiloDalton. Appliziert man Immunocyanin dem Patienten, so kommt es zu einer Konfrontation des Körpers mit Hunderten xenogenen Epitopen dieses Moleküls und dadurch zur Aktivierung des Immunsystems. Durch die Proteinstrukturen des Immunocyanins werden die T-Helfer-Zellen, die zytotoxischen T-Suppressor-Zellen, IFN-α, IFN-γ, IL-1a, IL-2 vermehrt aktiviert bzw. synthetisiert, Makrophagen und NK-Zellen werden stimuliert. Bei Patienten mit oberflächlichen Harnblasen-Karzinomen wird die rezidivfreie Zeit durch KLH deutlich (≥ 100%) verlängert.

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Abbildung: Effektivität in Relation zur Nebenwirkungsrate von Arzneimittel zur Verhinderung von Rezidiven eines oberflächlichen Blasenkarzinoms