Was tun? pT1G3 mit CIS - Prinzip Hoffung oder auf Nummer Sicher?

  • Guten Abend zusammen,


    nach nun mehreren Tagen des Lesens in diesem Forum und dem näheren Kennenlernen dieser Krankheit, möchte ich mich mit meinem Befund einmal vorstellen.
    Ich bin 43 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von acht und vier Jahren.


    Im Anschluss einer TUR-B (mit Hexvix) am 27.06.2013 erhielt ich die folgende Diagnose in der Regioklinik in Wedel:


    Urothelkarzinom der Harnblase pT1 G3 high-grade mit CIS


    Interoperativ zeigte sich ein großflächiger Befund, teils flächig papillär beinah an der kompletten Blasenschleimhaut mit Schwerpunkt an der Hinterwand, rechter Seitenwand und Dach.
    Bei Resektion an der rechten Seitenwand kam es zu einem ausgeprägten Obturationsreflex mit tiefer Resektion, keine Perforation. Insgesamt unter PDD-Licht großflächig suspekte Areale, die weitestgehend reseziert wurden. Die Ostien sind regelrecht gelegen, bleiben frei.


    Die Variante der Pathologie (UKE Hamburg) lautet:


    Harnblase, Harnblasenwandanteile mit ausgedehnten urothelialen Carcinoma in situ, fokal übergehend in ein wenig differenziertes papilläres Urothelkarzinom (pT1 G3) mit Infiltration bis in das mittlere Drittel der Lamina propria. Regelrecht aufgebaute muskuläre Blasenwand.
    Tumorklassifikation: pT1, G3, pTis, p53 Grenzbefund


    Im Anschluss an die OP (also ca. eine Woche nach Entlassung) wurden CT und Knochenszintigraphie durchgeführt, beides ohne bemerkenswerte Auffälligkeiten.


    So weit, so gut.
    Angesichts der Größe des Befundes, des jungen Alters des Patienten empfehlen wir eine Frühzystektomie mit Anlage einer Ileum Neoblase.
    Als Alternative kann eine Nachresektion in 4-6 Wochen und ggf. BCG Instillation diskutiert werden.
    Auch im persönlichen Gespräch mit dem Chefarzt wurde mir die Frühzystektomie als die „Wahl der Waffe“ empfohlen, fast schon enthusiastisch wurde die Großflächigkeit des Befundes hervorgehoben. In die gleiche Richtung argumentierte „mein Urologe“, schon komisch, dass ich jetzt schon
    einen „persönlichen“ Urologen habe, von dessen Existenz ich bis vor wenigen Wochen noch nicht einmal etwas ahnte.
    Insgesamt funktioniert die Kooperation zwischen dem niedergelassenen Urologen und der Klinik anscheinend sehr ordentlich. Mein Urologe kümmerte sich um den Termin für die TUR-B, das Krankenhaus stimmte diesen keine drei Stunden später mit mir ab, der Operateur telefonierte zusätzlich zu dem schriftlichen Befund mit meinem Urologen.
    Das ganze läuft als Netzwerk Urologie Schleswig-Holstein-Süd (NUSS).
    Die Klinik in Wedel wiederum kooperiert mit dem UKE in Hamburg.
    Wie auch immer, rational kann ich die Argumentationskette der Ärzte nachvollziehen, allerdings ist es immer schwierig sich für oder gegen etwas zu entscheiden. So etwas fällt ja schon bei der Kaffeebestellung im Coffe-Shop nicht leicht. Und wie der ein oder andere hier im Forum ja auch bereits anmerkte, die Perspektive verschiebt sich bei eigener Betroffenheit gegebenenfalls.


    Am morgigen Tage habe ich einen Termin in der Tumorsprechstunde der Urologie des UKE.
    Mir ist halbwegs bewusst, dass ich nahezu mit den gleichen Ärzten sprechen könnte, aber jedes Gespräch bringt neue Facetten.
    So nun auch die Hoffnung, durch dieses Posting im Forum weitere Gedanken zu erhalten, um mich in meiner Entscheidungsfindung, welchen Weg ich einschlagen werde, zu unterstützen.
    Es bleibt ja wohl nur bei erneuterTUR-B mit anschliessender BCG Installation oder der Neoblase.
    Eine Entscheidung muss nun mal her, mit Aussitzen wird das ja nichts, habe ich ja bis jetzt versucht…und nun langsam bekomme ich das Gefühl, dass ich mich mal sputen sollte…
    Danke für Eure Unterstützung, die bereits geleistete (einfach weil es das tolle Forum gibt) und die ggfs. Zukünftige.

  • Hallo JaJa,


    zuerst einmal herzlich willkommen im Forum. Gut, daß Du Deine Fragestellung hier eingestellt hast.


    Ich stand mit 48 vor einer ähnlichen Situation, Du kannst alles in "Meine Geschichte" nachlesen. Allerdings war mein Tumor wohl weder so großflächig noch so tief eingedrungen.


    Bei einer Neoblase bleibt die Harnröhre erhalten, daher sollte geklärt werden, ob der Tumor multifokal war und ob die prostatische Harnröhre betroffen war. Beides gilt nach einer Studie als risikosteigernd für Rezidive in der Harnröhre. Die Harnröhre muß bei einer Neoblase sowieso gut beprobt werden, um vorhandene Tumore darin auszuschließen.


    Ich habe einen MAINZ-Pouch I und damit keine Erfahrung mit dem Leben mit einer Neoblase. Mir wird aber immer wieder berichtet, daß das Hauptproblem die Kontinenz ist. Du solltest über diese Frage mit Neoblasenträgern hier im Forum reden.


    Die Frage "Wie lebt sich mit einer Neoblase?" kann von Angesicht zu Angesicht von Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe beantwortet werden. In Hamburg gibt es eine solche Gruppe. Mit einer sehr engagierten Leiterin! Ich würde sie kontaktieren!


    Ich hoffe, meine Hinweise sind bei der Entscheidungsfindung und ihrer Vorbereitung hilfreich.


    Alles Gute und liebe Grüße.


    Werner

    2001 pTaG3CIS: TUR-B, BCG. 2005 pTaG2: TUR-B, Mitomycin. 2008 pTaG3CIS: MAINZ-Pouch I Uniklinik Mainz, AHB Bad Wildungen (Quellental). 2009 Nach-OP Narbenbruch/Nabelstoma. Kathetrisierung OK, Lymphödem (63 entf. Lymphknoten oB!) mit Kompression + 2 x 1h Lymphdrainage/W. OK.

  • hallo, jaja,


    haben deine Ärzte mit dir auch über die Möglichkeit einer Radio-Chemo-Therapie als blasenerhaltende Alternative gesprochen? Wenn nicht, unbedingt nachfragen! Wir sind hier im Forum eine kleine Gruppe RCT-ler, die ebenfalls den Befund T1G3 oder sogar massiver hatten. Vielleicht (ich sage ausdrücklich: vielleicht!) besteht bei dir auch diese Möglichkeit. Ich hatte ebenfalls T1G3+Cis, ziemlich großflächig, teilweise am Übergang zur prostatischen Harnröhre.


    ich hatte übrigens, als 2010 meine Entscheidung anstand, eine zusätzliche Meinung vom Tumorboard des UKE erbeten, die mir die Möglichkeit der RCT in meinem Fall bestätigte.


    Also nachfragen.


    alles Gute


    Martin

    geboren 1951, TURB am 8.10.2010, pathologischer Befund: pT1 G3 + Cis, am 25.11.2010: Urachusresektion; seit 17.1.2011: RCT in Erlangen, RCT am 2.3.2011 mit der 33. Bestrahlung abgeschlossen.

  • Hallo Jaja,


    wie man merkt, hast Du Dich ja schon ein wenig durch das Forum gelesen.


    Bei Deiner Diagnose macht natürlich das CIS (gerne hier im Forum als Miststück beschrieben, da lange schön unauffällig auf der Blasenwand liegend, aber leider immer ein sehr gefährlicher G3), und die großflächige Ausbreitung Sorge. Mein Freund hat in ähnlichem Alter wie Du die Diagnose T1G3 bekommen, allerdings ohne CIS. Da war bei uns der Weg klar, es mit BCG zu versuchen, und soweit läuft alles gut, er ist seit einem Jahr jetzt ohne Rezidiv. Wenn Du Dich für den blasenerhaltenen Weg entscheidest, dann ist BCG Mittel der Wahl. Aber auch eine RCT wäre denkbar, allerdings solltest Du auf jeden Fall in guter körperlicher und seelischer Verfassung dazu sein. Bei beiden Vorgehen wäre eine 0 Resektion wünschenswert, bei der RCT ist diese glaube ich sogar Voraussetzung.


    Diese Diagnose ist leider immer ein Grenzfall und wird viel diskutiert. Bei einer Blasenentfernung werden sehr wahrscheinlich, auch wenn Sie nervenschonend durchgeführt wird, Probleme wie Inkontinenz und Potenzverlust/-Störungen auf Dich zukommen, wobei es dabei Mittel und Wege gibt, diesen Problemen entgegenzutreten. Wie erfolgreich, kann natürlich keiner sagen.


    Bei einem T1G3 + CIS bleibt, wie Du sagst, bei einem blasenerhaltenen Ansatz immer die Angst, dass doch irgendwas zurückbleibt oder das dieses CIS irgendwann 'explodiert'. Bei der Blasenentfernung wirst Du als noch recht junger Mann mit Problemen zu kämpfen haben, die für einen Mann möglicherweise mental sehr schwer zu verkraften sind. Es gibt aber gute Beispiele von Leuten hier im Forum, wo schon in jungen Jahren eine Neoblase angelegt wurde und die ihr Leben in vollen Zügen weiterhin genießen. Die werden sich sicher auch noch zu Wort melden.


    Ich hoffe, Du kriegst noch weiteres Feedback, das Dich bei Deiner nicht leichten Entscheidung unterstützt. Letztendlich wird Dir Dein Gefühl raten, was Du machen möchtest.


    Alles Gute,


    Anne

  • Nun, JaJa,


    mit "aussitzen" ist es wirklich nicht getan, denn dann kannst Du das Monster demnächst "ausliegen" hi, hi.....


    pT1G3 allein ist keinesfalls zu unterschätzen, manche Uros halten ihn für gefährlicher als einen pT2G3 !
    Noch schlimmer das CIS.


    Mein Rat :
    Nachresektion mit anschliessender BCG-Instillation.
    Sollte sich bei der dann folgenden Spiegelung - natürlich ebenfalls unter Hexvix - ein Rezidiv zeigen, ist intensiv über eine radikale Zystektomie nachzudenken.
    Oder halt über eine Radio-Chemo, welche aber eine R0-Resektion erfordert, will sagen, die Blase muss dann komplett vom Tumor befreit sein.
    Auch eine Synergo könnte noch erfolgreich sein, aber ebenfalls nur bei einer R0-Resektion. ( Hier empfehle ich die Urologie der Uni Giessen )


    Die beiden letzten Therapien sind organerhaltend, aber eben auch recht risikobehaftet und daher auch psychisch belastend.
    Im Gegensatz dazu ist die Radikale recht risikolos, will sagen, die Chancen, das Monster los zu sein, sind hier doch erheblich höher.


    Nachteilig bei der Radikalen mit Anlegen einer orthotopen Neoblase ist leider das Risiko der nächtlichen Inkontinenz.
    Dieses liegt bei ca. 40%
    Tagsüber sind die allermeisten "Orthotopen" dicht, zumindestens fast, hi, hi.....
    Und ebenfalls nachteilig - zumindestens in Deinem jugendlichen Alter - ist der wahrscheinliche Verlust der Erektion.
    Dem kann man(n) eventuell mit Hilfsmitteln begegnen.
    Orgasmusfähigkeit und die Libido bleiben erhalten.
    Der Samenerguss ist auf jeden Fall weg.


    Wenns hilft :
    Ich lebe seit 10 Jahren mit der orthotopen Neoblase. ( Siehe "Meine Geschichte" )
    Ich bin ein Kerl wie ein Baum, genauso stark und genauso beweglich, hi, hi.
    Die fehlende Erektion, ( und auch der fehlende Erguss ), haben mich anfangs weniger gestört, na ja, mit Sechzig.....
    Dann aber, die Libido, die Libido, die meldete sich dann doch mit Macht...
    Es gibt nämlich auch andere Methoden, der Partnerin und sich selbst Freude zu bereiten.
    Glaube dies einfach einem alten Fahrensmann.


    Aber die Entscheidung, die kann Dir hier niemand abnehmen, die musst Du mit den Ärzten gemeinsam treffen.
    Wir können nur Entscheidungshilfen geben.


    Schönes heißes Wochenende wünscht
    Eck :ecke: hard

  • Hallo JaJa,


    ich trage seit Dezember 2011 eine orthotope Neoblase mit mir rum und bin damit bisher ganz glücklich. Ich möchte dir raten, wenn du die Neoblase angehen willst, sofort mit dem Beckenbodentraining zu beginnen und nicht erst nach der Operation. Suche dir eine gute Praxis in deiner Umgebung und trainiere, trainiere, trainiere! Meine Frau ist zum Glück Physiotherapeutin und hat mich nach Rücksprache mit dem Urologen sofort richtig rangenommen. Bereits kurz nach der Op war ich tagsüber trocken und wenige Wochen später auch nachts. Noch heute nehme ich mir täglich fünf Minuten Zeit für die Übungen.


    Ich wünsche dir, dass du die richtige Entscheidung triffst! Halte auf jeden Fall den Kopf oben!


    Viele Grüße aus Thüringen



    Frank

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