Grundlagen der Tumorschmerztherapie

  • Patienten die unter einer Tumorerkrankung leiden und dadurch ihre Lebensqualität verringern sehen, stehen Tumorschmerzen an erster Stelle.
    Schmerzen werden von der Mehrzahl der Tumorpatienten angegeben, wobei die Häufigkeit vom Krankheitsstadium und von der Tumorart abhängt. Bereits zum Zeitpunkt der
    Tumordiagnose leiden 43% der Patienten unter Schmerzen. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien geben über 80% der Patienten Schmerzen an.


    Anamnese, Untersuchung und Festlegung der Schmerzdiagnose Für die Planung des schmerztherapeutischen Vorgehens ist es wichtig, die Schmerzursache
    zu erfassen. Die genaue Schmerzdiagnose ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Therapie. Für das Erheben der Tumorschmerzdiagnose ist die Ursache, Typ, Lokalisation
    und Intensität der Schmerzen erforderlich.


    Die Schmerzursache kann oft schon aufgrund einer ausführlichen Anamnese und der kritischen Durchsicht der bisher erhobenen Befunde und Arztberichte hinreichend geklärt
    werden. Doch kann es auch erforderlich sein, weitere Untersuchungen (z.B. radiologische Diagnostik) durchzuführen, um weitere Informationen zur Planung der Therapie zu erhalten.
    Der Schmerztyp kann nach der klinischen Phänomenologie eingeteilt werden.

    • Knochen- und Weichteilschmerzen werden in der Regel als bohrend, stechend oder spitz geschildert, sie können von den Patienten genau lokalisiert werden und nehmen bei Bewegung zu.
    • Viszerale Nozizeptorschmerzen werden überwiegend als dumpf drückende Schmerzen in Becken, Bauchraum oder Brust, welche häufig nicht genau lokalisiert werden können und bewegungsunabhängig sind, angegeben.
    • Neuropathische Schmerzen werden als brennend, elektrisierend oder einschießend empfunden. Die Ausbreitung der neuropathischen Schmerzen folgt dem Versorgungsbereich der betroffenen Nervenstruktur, oft finden sich neurologische Störungen (z.B. Hyper-/ Hypopathie, Allodynie) im selben Areal.

    Bei einem Viertel der Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung liegen allerdings mehrere Schmerztypen nozizeptiver und neuropathischer Art gemeinsam vor.
    Auch Angaben zur Schmerzlokalisation bzw. der Schmerzausbreitung geben Hinweise auf die Schmerzursachen und sind somit zur Planung der Schmerztherapie unerlässlich. Häufig
    klagen Patienten mit Tumorschmerzen über mehrere unterschiedliche Schmerzlokalisationen gleichzeitig. Im Laufe der Erkrankung neu auftretende Schmerzareale können
    ein Hinweis auf ein Fortschreiten der Grunderkrankung (z.B. Metastasen) oder auf ein Rezidiv sein.


    Schmerzmessung
    Die Messung der Schmerzintensität erfolgt nach den Eigenangaben des Patienten auf verbalen Rangskalen (VRS) oder numerischen Rangskalen (NRS) (siehe Abbildung 2). Diese
    Skalen sind einfach in ihrer Handhabung und können von den meisten Patienten selbständig beantwortet werden. Beide Skalen erlauben aber auch die Erhebung der Schmerzen im
    Interview durch den Behandler, wenn der Patient nicht in der Lage ist, die Skala selbst anzukreuzen. Eine Fremdeinschätzung der Schmerzstärke durch Pflegepersonal oder Ärzte
    oder durch die Angehörigen kann in Einzelfällen sinnvoll sein, wenn eine Selbsteinschätzung durch den Patienten nicht möglich ist. Während die Angehörigen jedoch dazu neigen, die
    Schmerzintensität zu überschätzen, bewerten Ärzte und Pflegepersonal selbst in spezialisierten Einrichtungen die Schmerzstärke oft deutlich geringer als der Patient selbst.
    Wichtig ist es auch, die Schmerzintensität aber auch den Verlauf der Begleitsymptome (Nebenwirkung der Therapie, Begleitsymptom der Grunderkrankung) zu reevaluieren und
    zu dokumentieren. Hierzu kann z.B. der Verlaufsbogen der MIDOS-Dokumentation benutzt werden.


    Therapieempfehlungen
    Empfehlungen für die Therapie tumorbedingter Schmerzen wurden 1986 von einem Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengefasst (siehe
    Abbildung 1) [WHO 1996].
    Grundlage der Tumorschmerztherapie ist die DNA-Regel:


    Die Therapie sollte:
    • durch den Mund (orale Gabe, d.h. so einfach wie möglich)
    • nach der Uhr (festes Zeitschema)
    • auf dem analgetischen Stufenplan der WHO
    • und individuell angepasst (Dosisanpassung und Dosistitration) erfolgen.


    Ein weiterer wichtiger Grundsatz der WHO-Richtlinien stellt die sorgfältige Erfassung einer Schmerzdiagnose und die regelmäßige Überprüfung des Therapieerfolges dar.
    Die orale Therapie ist einfach durchführbar. Sie lässt dem Patienten ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Auch Patienten mit Schluckstörungen oder gastrointestinalen Symptomen,
    die eine orale Aufnahme erschweren, können durch eine Reihe neuerer Applikationsformen z.B. mit einer retardierten oralen Lösung (Morphingranulat) einfach und effektiv behandelt
    werden. Die transdermalen Therapiesysteme mit Fentanyl oder Buprenorphin ermöglichen eine parenterale, aber nicht invasive Applikation. Subkutane, intravenöse und rückenmarknahe
    Therapieverfahren werden deshalb in den letzten Jahren zunehmend seltener bei Tumorpatienten eingesetzt. Eine Indikation für die subkutane Applikation von Opioiden
    besteht bei Patienten in der Terminalphase ihrer Erkrankung, bei denen in den letzten Lebenstagen eine orale Zufuhr nicht mehr möglich ist und die Dosis immer wieder einem
    wechselnden Bedarf angepasst werden muss. Die intravenöse Applikation beschränkt sich vor allem auf die Patienten, die über ein Port- oder Kathetersystem bereits eine parenterale
    Ernährung erhalten, und bei denen dieser Zugang auch für die kontinuierliche Analgetikagabe genutzt werden kann. Der epidurale und intrathekale Applikationsweg ist dann
    indiziert, wenn unter der systemischen Analgesie auch nach einem Opioidwechsel keine ausreichende Schmerzlinderung erreicht werden kann und weitere Dosissteigerungen zu
    intolerablen Nebenwirkungen führen.


    Die Schmerztherapie muss bei Tumorschmerzen fast immer nach einem Therapieplan mit festen Einnahmezeiten für die Schmerzmittel erfolgen. Nur wenige Patienten, bei denen
    vereinzelte Schmerzattacken mit längeren schmerzfreien Intervallen wechseln, kommen ausschließlich mit einer analgetischen Bedarfsmedikation aus.


    Patienten mit Dauerschmerzen benötigen eine Dauertherapie!


    Die Applikationsintervalle der Analgetika müssen der Kinetik der Medikamente angepasst werden. Die Wirkdauer von retardiertem Morphin beträgt 8 – 12 Stunden, die Substanz muss
    also zwei- bis dreimal täglich verordnet werden. Bei einigen Patienten hält die Schmerzlinderung nicht über das empfohlene Applikationsintervall an und vor der nächsten
    Gabe treten Durchbruchsschmerzen auf. Dies ist jedoch oft ein Zeichen für eine nicht ausreichende Dosierung, d.h. die Gesamtdosis muss entsprechend erhöht werden.
    Je mehr sich die Schmerztherapie auf die retardierten Applikationsformen stützt, desto wichtiger wird die Verordnung einer zusätzlichen Bedarfsmedikation. Durchbruchsschmerzen
    und Schmerzattacken werden auch bei ausreichender Linderung der Dauerschmerzen von mehr als der Hälfte der Patienten angegeben. Die Einzeldosis einer
    Bedarfsmedikation von Morphin (Morphinsulfat Tabletten, Morphin-HCl Tropfen, Morphin-HCl- u. Morphinsulfat-Injektionslösung) oder Hydromorphon (Hydromorphontabletten,
    Hydromorphon Injektionslösung) richtet sich nach der Gesamttagesdosis des eingesetzten retardierten Analgetikums und entspricht in der Regel 1/6-1/10 der Tagesdosis.

    Die wiederholte Einnahme über den Tag ist möglich. Alternativ kann Fentanyl in Form eines oralen-transmukosalen therapeutischen Systems (Fentanyl o-TTS) eingesetzt werden. Steigt
    im Verlauf der Therapie der Bedarf an Analgetika deutlich an, so muss eine Überprüfung der Schmerzdiagnose bzw. der bisherigen Schmerztherapie erfolgen.


    Die Auswahl der Analgetika richtet sich nach der Ursache und Stärke der Schmerzen! Nach dem analgetischen Stufenplan werden bei leichten Tumorschmerzen Medikamente der
    WHO-Stufe 1, d.h. nichtsteroidale Antiphlogistika, Metamizol oder Paracetamol eingesetzt. Wegen der geringen analgetischen Aktivität wird Paracetamol allerdings nur als
    Ausweichpräparat empfohlen. Bei Patienten mit mäßigen bis starken Schmerzen werden Opioide der Stufe 2 (z.B. Dihydrocodein, Tilidin/Naloxon, Tramadol) eingesetzt. Bei
    starken bis stärksten Tumorschmerzen wird von der WHO der Einsatz von Opioiden der Stufe 3 empfohlen. Hier stehen als retardierte Substanzen bzw. Substanzen mit langer
    Wirkdauer Buprenorphin, Fentanyl, Hydromorphon, Levomethadon, Morphin und Oxycodon in Deutschland zur Verfügung.


    Im Verlauf der Tumorerkrankung ist bei den meisten Patienten eine Steigerung der Opioiddosis notwendig. In aller Regel steht dies im Zusammenhang mit dem Fortschreiten
    der Grunderkrankung und der Zunahme der Schmerzen. Andererseits können infolge von tumorreduzierenden oder schmerzreduzierenden Therapien wie z.B. einer palliativen
    Chemotherapie oder einer Bestrahlung, aber auch mit zunehmender Schwäche und reduziertem Allgemeinzustand oder nachlassenden Organfunktionen in fortgeschrittenen
    Krankheitsstadien der Analgetikabedarf wieder absinken. Wird die Dosis in diesen Fällen nicht ausreichend reduziert, wird der Patient unnötig durch die Zunahme der
    Nebenwirkungen der Opioidtherapie belastet. Deshalb ist die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Opioiddosis notwendig.


    Einsatz opioidhaltiger Analgetika


    Voraussetzung für einen optimalen Einsatz mit Opioiden ist die Auswahl der richtigen Substanz, des richtigen Applikationsweges, einer individuellen Dosistitration sowie der
    Prophylaxe und Behandlung von Nebenwirkungen. Für eine gute Compliance ist es erforderlich, dass die Patienten über die Wirkung und Nebenwirkungen von Opioiden
    aufgeklärt werden, um Vorurteilen und Ängsten besonders vor Abhängigkeit entgegen zu wirken. Bei der Behandlung mit Opioiden müssen die opioidtypischen Nebenwirkungen
    berücksichtigt und nach Möglichkeit auch (prophylaktisch) behandelt werden. Besonders hervorzuheben ist die Obstipation, die von allen Opioiden hervorgerufen wird und eine
    (in aller Regel) dauerhafte, begleitende Laxanzientherapie erforderlich macht.


    Opioide umfassen alle Medikamente mit morphinähnlicher Wirkung. Aufgrund des sehr guten schmerzlindernden Effektes und der fehlenden Organtoxizität sind Opioide in der
    Tumorschmerztherapie die wichtigste Medikamentengruppe bei starken und stärksten Schmerzen. Alle starken opioidhaltigen Analgetika unterliegen der BtMVV.
    Inzwischen gibt es eine Reihe unterschiedlicher, starker Opioide in retardierter und zum Teil nicht-retardierter Form. Bisher kann jedoch keine Studie aussagen, welches Opioid
    in welcher Situation bei welchem Patienten bevorzugt eingesetzt werden sollte. Die unterschiedlichen starken Opioide sind in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen interund
    intraindividuell sehr variabel. Daher kann es sinnvoll sein, bei nicht ausreichender Wirkung oder anhaltenden Nebenwirkungen das Opioid zu wechseln, um so eine bessere
    analgetische Wirkung oder Verträglichkeit zu erzielen. Anhand der konkreten klinischen Situation, der eigenen Erfahrung und der bestehenden Möglichkeiten muss entschieden
    werden, welches Opioid in welcher Darreichungsform sinnvollerweise eingesetzt werden soll. Nicht sinnvoll und sogar teilweise mit einem Wirkverlust einhergehend ist die
    Kombination unterschiedlicher Opioide, beispielsweise die gleichzeitige Gabe von Agonisten und partiellen Agonisten. Auch die Kombination von mittelstarken Opioiden mit
    starken Opioiden oder eine Kombination von retardierten starken Opioiden mit transdermal applizierten Opioiden sollte auf Grund der unterschiedlichen Substanzgruppen und nicht
    identischen Wirkdauer vermieden werden.


    Hauptindikationen für einen Opioidwechsel sind eine nicht ausreichende Analgesie bzw. eine Zunahme der Schmerzen trotz Dosissteigerung des bisherigen Opioids oder ein
    Weiterbestehen der Nebenwirkungen trotz Prophylaxe. Morphin ist das am häufigsten verabreichte und bevorzugt einzusetzende starke Opioid und
    gilt nach wie vor als „Goldstandard“!


    Morphin (z.B. MST Mundipharma® Retardtabletten)


    Morphin ist das am häufigsten angewendete und am besten untersuchte starke Opioid und gilt bis heute als Referenzsubstanz. Alle anderen starken Opioide werden an dessen
    Wirkung, Nebenwirkungen und Kosten gemessen. Morphin hat den großen Vorteil, dass es in fast allen Darreichungsformen vorliegt: So gibt es schnell wirksame Tabletten, Tropfen
    und Suppositorien mit einer Wirkdauer von vier Stunden, retardiert wirksame Tabletten, Kapseln und Granulat mit einer Wirkdauer von 8-24 Stunden sowie Ampullen zur
    subkutanen, intravenösen und rückenmarksnahen Verabreichung.
    Merkmale von Morphin sind:
    ➠ Reiner Agonist, Wirkung fast ausschließlich am μ-Opioidrezeptor
    ➠ Nach oraler Gabe schwankt die Bioverfügbarkeit zwischen 20 und 35 Prozent
    ➠ Hauptmetaboliten: Morphin-3-Glucuronid (M-3-G), keine analgetische Wirkung; Morphin-6-Glucuronid (M-6-G), stärker analgetisch wirksam als Morphin
    ➠ Kumulation von M-3-G und M-6-G bei Niereninsuffizienz, als klinisches Zeichen können Myoklonien auftreten
    ➠ Lebererkrankungen haben keinen wesentlichen Einfluss auf den Metabolismus von Morphin
    Hinweis:
    Retardtabletten dürfen auf keinen Fall zerteilt, zerdrückt, zerkaut oder „gemörsert“ werden. Retardtabletten müssen als Ganzes geschluckt werden, da sonst die Retardwirkung verloren
    geht und das frei werdende Morphin fast wie ein kurz wirksames Präparat wirkt.
    Fentanyl (z.B. Durogesic® SMAT Membranpflaster, Actiq® Lutschtablette) Als Injektionslösung wird Fentanyl seit Jahren in der Anästhesie und Intensivmedizin
    eingesetzt. Wegen seiner hohen Lipidlöslichkeit kann Fentanyl nicht nur intravenös und subkutan, sondern auch transdermal und transmucosal aufgenommen werden. Die
    transdermale Applikationsform bietet eine lange Wirkdauer. Daher sind Fentanylpflaster eine gute Alternative zur oralen Schmerzmittelgabe, besonders wenn eine orale Gabe auf
    Grund von Schluckstörungen nicht sinnvoll oder nicht möglich ist.


    Merkmale von Fentanyl sind:
    ➠ Fentanyl ist ein μ- Rezeptoragonist
    ➠ Die analgetische Potenz ist bei parenteraler Anwendung etwa achtzig bis hundert Mal höher als die von Morphin
    ➠ Geringer ausgeprägte Obstipation als Morphin, dennoch muss eine ausreichende Obstipationsprophylaxe durchgeführt werden
    ➠ Äquivalenzdosis: Die analgetische Potenz von Fentanyl ist im Vergleich zu Morphin 100-mal höher (25 μg/h entsprechen etwa 60 mg Morphin)
    Hinweise:
    ➠ Bei der transdermalen Anwendung ist auf eine sachgerechte Verwendung zu achten (u.a. nicht auf verletzte, bestrahlte oder behaarte Haut aufkleben, Vermeidung von
    Überwärmung). Das Wirkungsmaximum tritt mit Verzögerung auf (12-24 Stunden); ein überlappender Pflasterwechsel ist nicht sinnvoll; bei einigen Patienten ist ein
    Pflasterwechsel bereits nach 48 Stunden erforderlich; langsamen Abklingzeit (ca. 16 Stunden); bei Atemdepression reicht die einmalige Antagonisierung mit Naloxon
    (Narcanti®) nicht aus. Schmerzattacken erfordern eine zusätzliche Behandlung mit schnell wirkenden Opioiden (z.B. nicht retardiertes Morphin (Sevredol®) oder
    transmukosal resorbierbarer Fentanyl Lutschtablette (Actiq®)


    Hydromorphon (z.B. Palladon®)
    Hydromorphon ist sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzen wirksam. Zur oralen Applikation steht eine Retardkapsel (Palladon® retard), Wirkdauer von 8-12 Stunden
    sowie eine schnell freisetzende nicht retardierte Hydromorphon Kapsel (Palladon®), Wirkdauer 4 Stunden zur Behandlung von Durchbruchschmerzen, zur Verfügung. Als
    Injektionslösung ist (Dilaudid®) zur subkutanen und intravenösen Applikation verfügbar.
    Merkmale von Hydromorphon sind:
    ➠ Reiner μ-Rezeptoragonist
    ➠ Pharmakologisch dem Morphin sehr ähnlich, jedoch niedrigere Plasmaeiweißbindung von ca. 10 Prozent
    ➠ Orale Bioverfügbarkeit liegt bei 30-40 Prozent
    ➠ Keine stark wirksamen Metaboliten (Hydromorphon-3-Glucuronid), keine Kumulationsgefahr bei Niereninsuffizienz
    ➠ Opioidtypische Nebenwirkungen
    ➠ Äquivalenzdosis: Die analgetische Potenz von Hydromorphon ist im Vergleich zu Morphin 7,5-mal höher (8 mg Hydromorphon entsprechen etwa 60 mg Morphin)


    Oxycodon (OXYGESIC®)
    Oxycodon ist ein gut wirksames starkes Opioidanalgetikum mit retardierter Wirkung zur Therapie starker chronischer Schmerzen.
    Merkmale von Oxycodon sind:
    ➠ μ-Rezeptoragonist, sowie -Rezeptoragonist, dem Morphin ähnlich
    ➠ Hohe orale Bioverfügbarkeit (60-87 Prozent), deshalb deutlich rascherer Wirkeintritt (ca. eine Stunde) als bei anderen retardierten Opioiden
    ➠ Die orale Äquivalenzdosis von Oxycodon zu Morphin beträgt 1:2, d.h. 30 mg Oxycodon entsprechen etwa 60 mg Morphin bei oraler Gabe
    ➠ Das Nebenwirkungsspektrum ist dem von Morphin sehr ähnlich. Bei Patienten mit Nieren- und/oder Leberinsuffizienz kann ein bis zu 50 % höhere Plasmaspiegel
    auftreten; in solchen Fällen ist eine Dosisreduktion erforderlich


    Buprenorphin (Temgesic®,Transtec®)
    Buprenorphin unterscheidet sich von den anderen starken Opioiden dadurch, dass es kein reiner Opioidagonist ist. Die Substanz steht sowohl als Tablette (Temgesic®) in den
    Wirkstärken (0,2 mg und 0,4 mg) zur sublingualen Applikation als auch als transdermale Applikationsform (Transtec®) in drei Wirkstärken (35 μ/h, 52,5μ/h und 70 μ/h) zur
    Verfügung. Wegen dieser beiden Applikationsformen ist die Substanz bei Schluckstörungen oder gastrointestinalen Nebenwirkungen als Alternative zu anderen Opioiden anzusehen.
    Merkmale von Buprenorphin sind:
    ➠ Partieller μ-Rezeptoragonist und -Rezeptorantagonist, hohe Rezeptoraffinität (bei Wechsel auf Morphin lange Rezeptorwirkung), gute Resorption sublingual
    ➠ Wirkdauer der Tabletten ca. 6-8 Stunden, der transdermalen Applikationsform 72 Stunden
    ➠ Ceiling-Effekt bei einer Tagesdosis zwischen 3 und 5 mg
    ➠ Alternative zu Morphin bei niedrigem und mittlerem Opioidbedarf
    ➠ Weniger stark ausgeprägte Obstipation und Miktionsbeschwerden als unter Morphin
    ➠ Äquivalenzdosis von Buprenorphin zu Morphin: Tagesdosis von Buprenorphin mit 60 multiplizieren (d.h. 0,2 mg Buprenorphin entsprechen etwa 10 mg Morphin)
    ➠ Bei Niereninsuffizienz bleiben die pharmakokinetischen Charakteristika unverändert
    Hinweis:
    Da Buprenorphin ein partieller Agonist ist, kann ab einer bestimmten Dosierung ein Ceiling-Effekt auftreten, d.h., dass danach mit einer weiteren Dosiserhöhung kein stärkerer
    analgetischer Effekt mehr zu erzielen ist. Die gleichzeitige Verabreichung eines reinen Opioidagonisten (Morphin, Oxycodon, Fentanyl, Levomethadon) ist auf Grund der
    möglichen Interaktionen und einem Wirkverlust nicht sinnvoll. Auf Grund der hohen Rezeptoraffinität lässt sich Buprenorphin nicht durch Naloxon (Narcanti®) antagonisieren.


    Levomethadon (L-Polamidon®)
    Wegen seiner schwierigen Titration ist Levomethadon in der Tumorschmerztherapie kein Opioid der ersten Wahl. Jedoch ist es von der WHO als Alternative zum Morphin empfohlen
    worden, wenn auf Grund anhaltender Nebenwirkungen ein Opioidwechsel indiziert ist.
    Levomethadon wurde bisher überwiegend zur Substitution bei der Behandlung Drogenabhängiger angewendet und nur selten bei der Behandlung von Patienten mit
    Tumorschmerzen.
    Merkmale von Levomethadon sind:
    ➠ Ein lipophiles Opioid, reiner Agonist (μ- Rezeptoragonist und möglicherweise ein -Rezeptoragonist) sowie außerdem ein NMDA-Rezeptorantagonist. Durch die
    Blockierung am NMDA-Rezeptorkanal und die gleichzeitige Hemmung der präsynaptischen Wiederaufnahme von Serotonin wird der analgetische Effekt
    verstärkt. Levomethadon scheint somit Morphin- und Ketaminwirkung zu haben. Die analgetische Äquivalenzdosierung im Vergleich zu Morphin variiert stark und scheint
    abhängig von der Schmerzdiagnose des Patienten zu sein
    ➠ Hohe orale Bioverfügbarkeit, klinische Wirkdauer sechs bis zwölf Stunden bei raschem Wirkeintritt; somit reicht für die Langzeittherapie und für die
    Bedarfsmedikation eine Darreichungsform (Tropfen) aus
    ➠ Kumulationsgefahr in der Einstellphase auf Grund der langen variablen Plasmahalbwertszeit von 8-80 Stunden. Die Patienten müssen in der Einstellphase
    engmaschig auf Zeichen der Überdosierung (Sedierung, Verwirrtheit etc.) überwacht werden
    ➠ Levomethadon sollte bei der Dosisfindung zunächst in vierstündlichen Abständen (2,5-5 mg) gegeben werden; nach drei Tagen muss das Intervall auf acht Stunden
    verlängert werden
    Hinweis:
    In den meisten Ländern steht Methadon anstelle von Levomethadon zur Therapie zur Verfügung. Methadon ist das Razemat von Levomethadon und enthält zu gleichen Teilen das
    analgetisch wirksame Linksisomer (Levomethadon) und das an Opioidrezeptoren unwirksame Rechtsisomer. Dadurch lässt sich erklären, dass Levomethadon analgetisch
    doppelt so stark wirksam ist wie Methadon. Levomethadon stellt eine gute Alternative in der Behandlung stärkster Tumorschmerzen dar, wenn eine Behandlung mit Morphin nicht
    ausreichend ist. Vor allem bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen scheint Levomethadon den anderen starken Opioiden überlegen zu sein. Dennoch sollte wegen
    seiner schwierigen Titrierbarkeit zunächst mit einem der anderen, leichter zu titrierenden starken Opioide begonnen werden.