Adjuvante Chemotherapie mit ausreichender Evidenz ?

  • Für die adjuvante Chemotherapie des muskelinvasiven Urothelkarzinoms, Tumorstadien pT3–4 und/oder Lymphknotenbefall
    (N0/+) ohne klinisch fassbare Metastasierung (M0) gibt es keinen internationalen Konsens. Derzeit liegen zu diesem Thema 5 publizierte randomisierte Studien und
    eine Metaanalyse vor. Selbst mithilfe dieser Metaanalyse, für die Überlebensdaten von nur 491 Patienten zur Verfügung
    standen, konnte keine ausreichende Evidenz für einen Einsatz adjuvanter Chemotherapie beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom gefunden werden.


    Dies liegt an den zum Teil erheblichen Mängeln aller 6 (eine davon unpubliziert) in die Metaanalyse eingegangenen Studien (zu geringe Patientenzahlen, Verwendung inadäquater Chemotherapie. Fehlerhaftes Studiendesign, Fehler in der statistischen Planung und Auswertung, vorzeitige Beendigung aufgrund eines vermeintlichen Vorteils eines Studienarms u. a.).


    Insgesamt konnte bisher also nicht geklärt werden, ob eine sofortige adjuvante Chemotherapie der Chemotherapie zum Zeitpunkt des Rezidivs in Hinblick auf den primären Endpunkt Überleben vorzuziehen ist, oder ob beide Optionen ein identes Gesamtüberleben gewährleisten. Diese Frage muss auch vor dem Hintergrund rezenter Daten betrachtet werden, die ein Langzeit-krankheitsfreies Überleben nach Cisplatinhältiger Kombinationschemotherapie auch bei metastasierter Erkrankung zeigen konnten.


    Patienten mit extravesikaler und/oder Lymphknoten-positiver Erkrankung nach radikaler Zystektomie sollten unbedingt – wann immer möglich – im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden. Patienten, die für ein Studienprotokoll nicht in Frage kommen, können in Ausnahmefällen (z. B. junge/r Patient/in mit unbedingtem Behandlungswunsch) mit Cisplatin-hältiger Kombinationschemotherapie behandelt werden, vorausgesetzt, sie werden ausführlich über die mangelhafte Datenlage und die daraus resultierende Unsicherheit bezüglich des Therapieprofits informiert. Die Verantwortung sowohl für passagere, aber auch für bleibende Nebenwirkungen sowie eine prinzipiell mögliche letale Toxizität einer solchen Chemotherapie, ohne wissenschaftlich gesicherten Benefit bei einem potenziell bereits gesunden Patienten, muss vom behandelnden Arzt bewusst getragen werden.


    In den oben genannten randomisierten Studien wurden 3–4 Zyklen folgender Chemotherapie-Regime appliziert: CMV (Cisplatin, Methotrexat, Vinblastin), CISCA (Cisplatin, Cyclophosphamid, Adriamycin), MVA(E)C (Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin oder Epirubicin, Cisplatin) und CM (Cisplatin, Methotrexat). Über „modernere“ oder Carboplatinhältige Therapien liegen keine Daten vor, so dass Patienten, die nicht fit für Cisplatin sind, keine adjuvante Chemotherapie erhalten sollten.


    Zusammenfassend gibt es also aufgrund fehlender guter randomisierter Studien keine ausreichende Evidenz für eine routinemäßig angewandte adjuvante Chemotherapie des Harnblasenkarzinoms.


    Quelle: Zeitschrift Urologie und Urogynäkologie