Neoadjuvante Chemotherapie, Sinnvoll ?

  • neoadjuvante Chemotherapie = Chemo vor dem operativen Eingriff


    Der potenzielle Nutzen einer neoadjuvanten Chemotherapie wurde in zahlreichen randomisierten Phase-III-Studien untersucht,
    mit zum Teil inkonklusiven oder sogar konträren Ergebnissen. Die meisten Patienten in diesen Studien waren
    < 70 Jahre alt, hatten einen guten WHO-Performance-Score von ≤ 2 und – als Vorbedingung für die Cisplatin-hältige Therapie
    – eine gute Nierenfunktion mit einer GFR von ≥ 50 ml/ min. Das heißt, die Studienpopulationen repräsentierten nicht den durchschnittlichen Patienten mit invasivem Harnblasenkarzinom
    der zum Teil älter ist, einen höheren Performance-Score und zu 40–50 % bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweist. Trotz dieser zahlreichen Studien blieb die Frage, ob eine neoadjuvante Chemotherapie in der Lage ist, eine Überlebensverlängerung herbeizuführen, ungeklärt..


    Aus diesem Grund wurden bisher insgesamt 3 Metaanalysen durchgeführt: In der rezentesten Metaanalyse aus dem Jahr
    2005 mit einem Update individueller Patientendaten von 11 randomisierten Studien (3005 Patienten) konnte, wie auch in
    den beiden vorangegangenen 2003 und 2004, ebenfalls ein Overall Survival- (OS-) Benefit zu Gunsten der neoadjuvanten
    Chemotherapie gezeigt werden. Die Ergebnisse bestätigten die zuvor publizierten Daten mit einem 5%igen absoluten
    OS-Vorteil nach 5 Jahren. Dieser Überlebensvorteil konnte jedoch nur für Cisplatin-hältige Therapien mit mindestens einem
    weiteren Kombinationspartner gezeigt werden. Die untersuchten Chemotherapieregime waren MVA(E)C, CMV,
    CM, Cisplatin/Adriamycin, Cisplatin/5-FU und CarboMV (M = Methotrexat, V = Vinblastin, A = Adriamycin, E = Epirubicin, C = Cisplatin). Derzeit ist es aufgrund mangelnder
    Daten noch unklar, ob derselbe Effekt/Benefit mit anderen, zum Teil auch moderneren und weniger toxischen Chemotherapie- Kombinationen erzielt werden kann. Bei Patienten mit T4-Tumoren sieht man in Serien von OP-Präparaten bereits häufiger Makrometastasen. Das Problem ist also das immanente klinische Understaging. Diese Patienten profitieren mehr durch einen „Downstaging“-Effekt und der dadurch besseren potenziellen Operabilität, weniger durch verlängertes Überleben.


    In der größten der randomisierten Studien (MRC/EORTC, Lancet 1999) konnten 80 % der geplanten Chemotherapiezyklen verabreicht werden. Nur 0,7 % der Patienten wurden aufgrund von Toxizität der Chemotherapie nicht der geplanten Zystektomie zugeführt.


    Zusammenfassend gibt es also klare Evidenz, dass eine neoadjuvante, Cisplatin-hältige Kombinationschemotherapie (3 Kurse in 9–12 Wochen, gefolgt von der sofortigen Zystektomie) das Überleben von Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom mäßig, jedoch mit gesicherter statistischer Signifikanz und unabhängig von der angestrebten definitiven Therapie (Zystektomie, Radiotherapie) verlängert.


    Nicht empfohlen werden kann die neoadjuvante Chemotherapie für Patienten mit schlechtem Performance-Score (WHO ≥ 2) und/oder eingeschränkter Nierenfunktion (GFR < 50– 60 ml/min) oder internen Kontraindikationen für Cisplatin, die dadurch nicht fit für eine Cisplatin-hältige Therapie sind.