Schwangerschaft und Neoblase

  • Hallo ihr Lieben,


    nach dem ich mal wieder ein Befund-Schreiben meiner behandelden Ärzte bekommen habe, bin ich auf der Suche nach Infos auf euer tolles Forum gestossen.


    Ich bin ebenfalls von der Frage der Verträglichkeit einer orthotopen Harnableitung und Schwangerschaft betroffen.


    Zu meiner Vorgeschichte:
    Ich bin jetzt 31 Jahre alt und lebe seit etwa 13 Monaten mit einer orthotopen Ileum-Neoblase. Diese war nötig auf Grund eines bösartigen Krebsgeschehens. Zum Zeitpunkt der Diagnose war ich 30 Jahre alt. Alle Ärzte waren zunächst sehr positiv, meinten eine bösartige Entartung wäre unwahrscheinlich (der Tumor tauchte das erste Mal bei einer Sono beim Gyn auf). Nach einer TUR mit geplanter Biopsie-Entnahme (es wurde die vollständige Entfernung der Tumormasse) durch meinen niedergelassenen Urologen, meinte dieser, ich müsse mich an den Gedanken einer Krebserkrankung gewöhnen. Etwa eine Woche später waren dann die ersten pathologischen Befunde da, die später noch bestätigt werden mussten. Und ja, es waren entartete Zellen mit recht großen Proliferativen Kapazitäten vorhanden.
    Mein Urologe riet mir zur radikalen Zystektomie mit Anlage eines Mainz-Pouch, meinte aber bezugnehmend auf mein geringes Alter, dass er sich am Ende seiner operativen Fähigkeiten sieht und riet mir zur Zweitmeinung. Aufgrund der örtlichen Nähe kam ich auf das Uniklinikum FfM und das dort ansässige UCT.
    Während langer, eingehender Besprechungen riet man mir dort auch zur radikalen OP, allerdings mit der Anlage einer Ileum-Neoblase. Im September vergangenen Jahres (nur etwa sechs Wochen nach der Erst-Diagnose Gewebszunahme im Blasenlumen beim Gyn) war es dann soweit. Ich bekam meine Neoblase. Meine eindrücklichen Bitten die Gebärmutter und Eierstöcke nach Möglichkeit zu erhalten, wurden erhört. Das konnte allerdings erst intraoperativ entschieden werden und richtete sich nach der genauen Ausdehnung des Tumorgewebes, der Lage (glücklicher Weise ventral, nahe der Bauchdecke) und dem OP-Verlauf.
    Nach der OP wurde die Blase und selbstverständlich auch die Lymphknoten histologisch untersucht (Zitat Operateur: es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn noch Lymphknoten im kleinen Becken vorhanden sind. Wir haben sie gründlich leergeräumt...).
    Die entgültige Patho stand fest: pT2b, pN1 (1/42), L0, V0, Pn0, G2-G3, R0.
    Also doch Lymphknotenbefall nachweisbar... Also doch Chemo... Diese folgte im Anschluss an die post-OP AHB. Vier Zyklen Gemza/Cis, die zu Beginn des Jahres 2014 abgeschlossen waren. Ich hab sie einigermaßen gut weggesteckt und arbeite seit April auch schon wieder (an meiner biologischen Doktor-Arbeit. Forschungsziel: Krebs und seine Reaktionen auf Bestrahlungen verstehen... Manchmal ist das Schicksal doch sehr ironisch...)


    Soweit zu meiner laaangen Einleitung.
    Eigentlich bin ich mit meiner Neoblase recht glücklich. Klar habe ich ab und an das Infektionsproblem, aber das ist selten Schmerzhaft. Aber schon seit Beginn der Chemo bin ich leider dauerhaft Hyperkontinent. Auch Nachts bin ich meist trocken, was ich ja durchaus angenehm finde, aber sich über den Tag kaum lösen zu können ist doch recht anstrengend. Ich greife daher 3-4mal täglich zum ISK. Das geht auch. Ich denke, da mir kein Gewebsnetz eingesetzt wurde, ist die Hyperkontinenz auf das Abknicken der Harnröhre zurückzuführen. Einen weiteren chirurgischen Eingriff lehne ich zur Zeit ab (genug Krankenhaus, Doktorarbeit, Mama auch krank usw.).
    Ich bin also auch dankbar für Tipps und Hinweise von anderen hyperkontinenten Neoblasenträgern (oder -Besitzern ;) ).


    Mein Eintrag sollte sich aber eigentlich eher um den Kinderwunsch drehen. Inzwischen bin ja fast ein Jahr aus der Chemo raus, die Wundheilung ist weit fortgeschritten und mein Partner und ich würden gerne eine Familie gründen. Also suche ich tatsächlich nach anderen Operierten Frauen, die sich an dieses Abenteuer gewagt haben.
    Ob die Ärzte grünes Licht geben entscheidet sich erst in vier Wochen, wenn das halbjährliche MRT ansteht.
    Ich bin natürlich szeptisch, wie sich ein Schwangerschaftsbauch mit einer Neoblase verträgt, ob ich vielleicht früher liegen müsste, ob ich einen DK erhalten würde, ob automatisch Schnittentbindung usw usf. Und mir kommt grade die Idee, dass man die Schnittentbindung ja vielleicht nutzen könnte. Wenn der Bauch eh schon offen ist, könnte man ja grade mal ein Netz einziehen *achkopf,bleibvernüftig* :P


    Habt dank für eure Gedult und euer Forum, ich freue mich über Tipps, Hinweise und Bemerkungen.


    Hoellenwurm

  • Hallo "Höllenwurm",


    sei herzlich begrüßt in unserem Forum. Seit mehr als fünf Jahren gehöre ich dem Kreis der Betroffenen und dem Forum an. Eine (berechtigte) Fragestellung wie Du sie ins Forum stellst ist für mich dennoch ein Novum. Ich bin zwar keine Frau, lese aber die Beiträge ziemlich umfassend. Bisher habe ich zu dem Thema nichts gelesen. Es kann aber durchaus möglich sein, dass weibliche Mitglieder im Forum etwas dazu sagen können. Zunächst wünsche ich Dir alles Gute und sage einfach nur, die Hoffnung stirbt immer zuletzt.


    liebe Grüße
    wolfgangm

    pT4 a, G 3 und CIS, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • Folgendes aus der Medical Tribune


    Schwangerschaft ist kein Problem. Selbst Patientinnen, deren Harntrakt aufwändig
    chirurgisch rekonstruiert werden musste, können eine Schwangerschaft meist ohne erhöhtes Komplikationsrisiko austragen und oft sogar vaginal
    entbinden. Das hat ein britisches Team aus Urologen und Gynäkologen festgestellt.

    Die Experten vom University College Hospital haben die Daten von 22 Schwangerschaften bei 15 Frauen analysiert, die nach einer
    Harnwegsrekonstruktion schwanger geworden waren. Fast alle hatten eine aus Darmmaterial gebildete Neoblase, in der Regel kombiniert mit
    weiteren Rekonstruktionen.


    Schwangerschaftskomplikationen am Harntrakt kamen zwar vor, darunter fünf Harnwegsinfektionen und zwei Obstruktionen, die einen Stent nötig
    machten, berichtete Dr. T. J. Greenwell am Europäischen Urologie-Kongress. Die Nierenfunktion blieb jedoch unbeeinträchtigt, und
    alle Komplikationen waren beherrschbar.


    Neun Schwangerschaften endeten ganz normal mit einer vaginalen Entbindung. Weitere neun Babies kamen per elektivem und vier per
    Not-Kaiserschnitt zur Welt. In vier Fällen - alles Patientinnen, die an einer Blasenextrophie gelitten hatten - kam es zur Sturzgeburt. Keine
    der Frauen litt post partum an einer anhaltenden Inkontinenz.


    Auch nach komplizierter Harnwegsrekonstruktion ist eine Schwangerschaft sicher für Mutter und Kind, so das Fazit der Experten:
    Die Funktion von Nieren und unteren Harnwegen verschlechtert sich durch die Gravidität nicht, und die Rate an Geburtskomplikationen wird durch
    einen urologischen Ausnahmezustand auch nicht nennenswert erhöht.

  • Hmm,


    so ganz verstehe ich dies nicht :


    "......die Daten von 22 Schwangerschaften bei 15 Frauen analysiert......"


    Waren bei der Untersuchen Frauen dabei, welche - trotz Neoblase - mehrfach geboren haben ?


    Und hatten die untersuchten Frauen eine orthotope Neoblase oder "nur" einen Mainz-Pouch1 oder ein Urostoma ?
    Aus dem Beitrag geht dies nicht hervor.
    "
    Eine aus Darmmaterial gebildete Neoblase" sagt da nicht viel aus. Darmmaterial wird auch beim Urostoma verwendet.....
    Ich, ( ich persönlich ), kann mir vorstellen, dass eine Geburt bei einer orthotopen Neoblase andere Voraussetzungen erfüllen muss als bei einem Mainz-Pouch1 oder einem Urostoma.

    Hier werden wohl Gynäkologe und Urologe intensiv miteinander arbeiten müssen.


    Ja, Höllenwurm,


    die Hyperkontinenz ist eines der großen Probleme bei weiblichen orthotopen Neoblasen.
    Aufgrund der sehr kurzen Harnröhre, ( nur 6-7 cm lang ), kommt es häufig dazu.
    Tapeband oder Gewebenetz können helfen, aber die Erfolge sind auch nicht gerade berauschend.


    Aber : "Nur Versuch macht kluch", hi, hi.


    Gruß
    Eck
    :ecke: hard

  • Wow, ich bin begeistert! Ich hätte so fix nicht mit Anworten gerechnet! Danke!!


    rainer: Als Biologin sitze ich eigentlich an der Quelle für medizinische Fachliteratur und Studien-Daten, aber ich traue mich nicht mehr, etwas über meine Erkrankung nachzulesen. Zuviel davon ist dann doch erschreckend. Das ist ein zweischneidiges Schwert - eigentlich möchte ich gut informiert sein, andererseits aber auch nicht immer die ganze grausame Wahrheit wissen. Medical Tribune sagt mir jetzt nichts, aber ich finde es beeindruckend, dass du so fix etwas zu dem Thema finden konntest. Zumal das für Männer sicher nicht die große Frage ist.. ;)


    @Eckhard: Etwa ein viertel Jahr nach dem Ende der Chemo wurde bei mir noch mal eine TUR gemacht um der Ursache der Hyperkontinenz auf den Grund zu gehen. Zwar wurde kein Lokal-Rezidiv oder Narbenwucherung entdeckt, aber auch ein Abknicken der Harnröhre war nicht eindeutig. Dabei wurde auch Kontrastmittel eingesetzt und eine Röntgen-Aufnahme gemacht. Entgegen meines logischen Verständnisses aber im Liegen... Ich nehme an, darauf ruht das Problem der nicht eindeutigen Diagnostizierbarkeit des Abknickens. Im Halbliegen kann ich nämlich vergleichsweise gut urinieren...
    Wenn die Erfolgsaussichten einer eventuellen erneuten OP sich als gar nicht so gut darstellen, tendiere ich noch mehr dazu, diese Möglichkeit erstmal aufzuschieben. Ja klar, es nervt schon, immer Katheter dabei zu haben, entsprechende Toiletten zu finden (ich habe einen LOCUS-Schlüssel, aber der Zustand ist doch recht häufig miserabel und der Schmutz-Grad hoch...) und sich überhaupt ständig mit dem Thema beschäftigen zu müssen, aber noch bin ich geduldig genug, bzw. noch nicht genug genervt, um meinen grade zurück gewonnenen Alltag für einen neuen KH-Aufenthalt aufzugeben.


    Aktuell muss ich ja sowieso auf mein MRT warten, danach wollen die Uros noch mal mit mir über das Thema Kinderwunsch reden. Leider schlage ich mich im Moment auch noch mit einer erneuten Infektion rum. Antibiose wurde angeraten, aber ist es immer sinnvoll sofort Antibiotika einzusetzen? Ich mag mir da keine multi-resistenten Bewohner züchten... E.colis gehören zum Dünndarm wie Sahne auf die Torte, nur wie hoch ist die Keimlast tatsächlich? Ab wann bzw. welchem Schwellenwert nehmt ihr denn Antibiose ein?

  • Hallo Höllenwurm,
    da hast du dir ganz schön was vorgenommen. Es scheint ja möglich zu sein.
    Ich würde alle Profs und Chefärzte der Urlogie in den großen Uni-Kliniken, Tübingen - Heidelberg- Ulm- München Großhadern, usw. anschreiben. Das geht gut per Email. (die kannste ja zig mal kopieren) Bin sicher du wirst von allen eine Antwort erhalten. So eine Anfrage bekommen die auch nicht alle Tage. :) Anhand dieser Auskünfte wirst Du Deine Chance realistisch einschätzen können.
    Ich wünsche Dir viel Erfolg und vielleicht läßt du mal hören, welche Erfahrungswerte die deutschen Kliniken
    haben und wie ihre Einstellung zu deinem Wunsche ist.
    Liebe Grüße Ricka

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