Zum Weltkrebstag am 4. Februar 2015
Zum Weltkrebstag verzeichnet eine neue Methode verblüffende Erfolge. Das körpereigene Abwehrsystem lässt sich gegen Tumorzellen einsetzen. Hoffnungslose Fälle wurden auf diesem Wege bereits geheilt.
Mit einem angeschwollenen Lymphknoten und Nachtschweiß fing es an. Georgios Kessesidis fühlte sich ständig
schlapp, ging deswegen wieder und wieder zum Arzt. „Die Diagnose war immer Bronchitis oder Asthma, weil ich Heuschnupfen hatte“, sagt der
heute 27-Jährige aus Reutlingen.
Erst Monate und zahlreiche Arztbesuche später stellte sich heraus: Es war etwas völlig anderes, der junge Mann litt unter Lungenkrebs. „Ich habe alles erwartet
an Krankheiten, aber bestimmt nicht so etwas“, erinnert er sich. Der Krebs war schon sehr weit fortgeschritten – und eigentlich Experten
zufolge weder heilbar noch sinnvoll zu operieren.
Chemotherapie ohne Erfolg
Trotzdem sieht Kessesidis heute kerngesund aus. „Ich fühle mich richtig gut“, sagt er. Anfangs war das nicht absehbar. Auf die Chemotherapie, die er
zunächst bekam, sprach er nicht an – der Tumor wuchs sogar weiter. Dann erfuhr er von der Möglichkeit, an einer internationalen Studie
teilzunehmen. Seit Juni 2014 macht er mit.
„Diese Therapie, dieses Medikament, hat bestimmte Immunzellen aktiviert – und zwar Immunzellen, die in der Lage sind, Tumorzellen zu erkennen und
abzutöten“, erläutert Kessesidis’ Arzt Dirk Jäger, Direktor für Medizinische Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in
Heidelberg. Die Zeit seither sei aber noch zu kurz, um von Heilung zu sprechen, und nicht bei allen Lungenkrebspatienten wirke diese
Immuntherapie.
Das Immunsystem erkenne manche Tumorarten besser als andere, haben Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums in
Heidelberg (DKFZ) herausgefunden. Dazu gehöre etwa der schwarze Hautkrebs. Für Patienten, die darunter litten, würden bevorzugt neue
immunologische Therapien entwickelt.
Gegen viele andere Krebsarten gebe es bislang aber keine ausreichend wirksamen Möglichkeiten der Immuntherapie. Jäger zufolge zeigt sie etwa bei
Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs weit weniger gute Ergebnisse. Derzeit laufen in aller Welt Studien, viele Firmen entwickeln
entsprechende Medikamente. „Da gibt es eine richtige Goldgräberstimmung, auch in der Arzneimittelindustrie und in der Biotechnologie“, sagt
DKFZ-Chef Otmar Wiestler.
Zulassung in Deutschland in etwa einem Jahr
Dem Mediziner Dirk Jäger zufolge wurde eine sehr ähnliche Substanz, wie Kessesidis sie in der Studie bekommt, gerade in den USA zugelassen.
Experten rechnen mit einer Zulassung in Deutschland etwa in einem Jahr. Die Kosten für einen Patienten liegen zwischen 15.000 Euro und 20.000
Euro. Kessesidis müsse nichts bezahlen, die Kosten übernehme ein großer Pharmakonzern, der die Studie finanziere, sagt Jäger. Der
Krebsinformationsdienst des DKFZ informiert darüber, wo Patienten welche Studien finden.
Der Fortschritt, der auf dem Feld der Immuntherapie erzielt wurde, war nach Einschätzung des Fachmagazins
Science die wissenschaftliche Top-Entdeckung des Jahres 2013. In diesem Jahr hatte die Strategie nach jahrzehntelanger Forschung endlich ihr
volles Potenzial gezeigt. „Ein neues Kapitel der Krebsforschung und -behandlung hat begonnen“, schrieben die Herausgeber damals. Dennoch
steckten die meisten Therapien erst in unterschiedlich weit gekommenen Studien.
„Immuntherapie ist ein alter Traum der Krebsmedizin“, sagt DKFZ-Chef Wiestler. „Krebszellen sind ja fremde Zellen im Körper – und eigentlich müsste man glauben, dass unser
Abwehrsystem sie erkennt.“ Doch wenn der Krebs ausbreche, versage das Immunsystem. Lange Zeit kannten Mediziner nicht den Grund dafür.
Tumore können sich vor dem Immunsystem verstecken„Heute weiß man: Tumore können sich vor dem Immunsystem verstecken und werden
dann einfach nicht mehr als fremd erkannt. Zum anderen bauen Krebsgewebe einen Schutzwall auf, der verhindert, dass Zellen des Abwehrsystems die
Krebszellen erkennen und in das Krebsgewebe eindringen.“ Mit diesem Wissen seien in den vergangenen Jahren völlig neue Strategien entwickelt
worden, wie das Immunsystem doch wieder aktiviert und gegen Krebszellen eingesetzt werden könne, sagt Wiestler.
Es gebe Patienten – wie Kessesidis – die überraschend gut ansprächen auf die Medikamente. Aber: „Ob diese Reaktionen langfristig anhalten und ob man
dann wirklich von einer Heilung sprechen kann, das kann keiner von uns momentan prognostizieren.“ Manche Patienten reagierten auch gar nicht
auf die Immuntherapie. Wiestler: „Wir verstehen momentan nicht wirklich, warum das so ist.“ Die Wissenschaft befinde sich auf diesem Feld noch
in einer Lernphase.
Kessesidis sei aber nicht die große Ausnahme, betont sein Arzt Jäger. „Wir haben eine ganze Reihe von Patienten, bei denen wir solche Verläufe sehen. Nicht alle, aber doch
eine ganze Reihe.“ Der Patient komme momentan noch alle zwei Wochen für die Therapie nach Heidelberg und erhalte eine Infusion. Die Studie soll
in ihrer jetzigen frühen Phase vor allem zeigen, welche Nebenwirkungen das Medikament hervorrufe. Kessesidis hatte, wie er selbst erzählt, zu
Beginn der Immuntherapie leichten Durchfall, außerdem verschlechterte sich zeitweise seine Schuppenflechte.
Ob der 27-Jährige dauerhaft auf das Medikament anspricht und sein Tumor erfolgreich bekämpft ist, vermag der Arzt Dirk Jäger nicht vorherzusagen. „Wir alle hoffen es.“
Quelle: Berliner ZeitungWissen vom 02.02.2015
Meldung vom 31.01.2015 aus RTL aktuell
Positive Ergebnisse nach ersten Studien
Sogenannte Antikörper versetzen das Immunsystem in die Lage, den Krebs ähnlich wie Bakterien und Viren systematisch zu zerstören. Die Medikamente
bekämpfen also nicht direkt den Tumor, sondern rüsten die körpereigene Abwehr, die sonst von den Krebszellen blockiert wird.
Bei Hautkrebs haben solche Immuntherapien bei zwanzig bis vierzig Prozent der Patienten einen positiven Effekt. Erste Studien zur
Bekämpfung von Blasenkrebs, Nieren- oder Lungenkrebs verlaufen Lies mehr über Neue Hoffnung in der Krebs-Behandlung: Ärzte setzen auf Immuntherapie - RTL.de bei www.rtl.de