Blasenentfernung notwendig?.... und dann?

  • Hallo zusammen,


    ich bin neu hier im Forum und möchte mich kurz vorstellen.
    Ich bin 52 Jahre alt, verheiratet, habe 2 Kinder und bislang ein zufriedenes Leben geführt.


    Seit dem 18. Januar hat sich mein Leben allerdings radikal geändert. An diesem Tag wurde eine TUR unter Hexvix bei mir durchgeführt.
    Die Diagnose hieraus lautet:


    - high-grade Urothelkarzinom mit Infiltration des Bindegewebes
    - urotheliales Carcinoma in situ der Harnblase
    - Lymphangiosis carcinomatosa


    -TNM : pTis, pT1, L1, G3


    Laut behandeldem Urologen kommt für mich nur die Blasenentfernung in Frage.
    Wir bereits einen Termin für eine "zweite Meinung" in der Uniklnik Heidelberg, da wir natürlich in Erfahrung bringen möchten,
    was für mich alternativ in Frage kommt.


    Wie sind euere Erfahrungen hierzu?
    Habt ihr ähnliche OP´s in Heidelberg machen lassen?
    Wielange wird der Klinikaufenthalt dauern, bei einer Blasenentfernung?


    Dies sind nur ein paar Fragen die ich mir stelle,
    Es ist im Moment so als wäre man im "freien Fall" und versucht diesen zu stoppen, vielleicht könnt Ihr mir weiterhelfen.



    Viele Grüße: Norbert

  • Hallo Norbert,
    Erstmal willkommen wenn der Anlass auch bescheiden ist! Das Gefühl kennen wir hier alle als Betroffene oder Angehörige. Schön, dass du gut in der Familie gut aufgehoben bist, das wird helfen ...
    Nach meinen noch nicht so langen Erfahrungen ist die Blasenentfernung eine Option und der sogenannte Goldstandard - den ich nach erfolgloser Behandlung des CIS auch gezogen habe. Kann sein, dass es durch den L1 die sinnvollste / sicherste Option ist. Dazu werden sich die langjährigen Experten sicher noch melden. Mögliche Ableitungen sind dann

    • die orthotope Neoblase, Blase aus Dünndarm an Stelle der alten Blase , Voraussetzung ist, dass die harnröhre frei vom Krebs ist
    • der Pouch, eine Blase aus Darm die über einen Zugang über den Bauchnabel kathetert wird
    • das Stoma - der etwas bekanntere Ausgang mit Beutel

    Was davon in Frage kommt wird vorher mit dem Operateur besprochen, was wirklich geht entscheidet sich dann erst während der OP anhand der Gegebenheiten.


    Eine blasenerhaltende Option ist RCT ( kombinierte Radio - Chemo - Therapie) - auch dazu wird es sicher Informationen von den Experten geben.


    Solltest du dich für die Entfernung entscheiden / diese erforderlich sein kommen 2 - 3 Wochen Krankenhaus und anschließend eine AHB (Anschlussheilbehandlung) von 3 -4 Wochen auf dich zu. Dort wird man dann " auskuriert" lernt den Umgang mit der Ableitung und wird ggf. auch psychologisch unterstützt. die OP scheint sich indem letzten 10 Jahren wahnsinnig weiterentwickelt zu haben, die alten Hasen hier lagen in der Regel noch 1 Woche auf der Intensivstation und durften tagelang nichts essen, heute kann es schon schneller gehen (muss aber nicht!) Ich war letztes Jahr noch am selben Abend wieder auf normalstation und musste essen. Das läuft eben auch sehr individuell, hängt von der körperlichen Verfassung und der Ausdehnung der OP ab z.B. wieviele Lymphknoten mit entfernt werden.


    Je nach Variante wird der Darm in Mitleidenschaft gezogen - es wird ihm ja ein Stück geklaut und kann dann Probleme machen wie Durchfall / Verstopfung - er wird einfach sensibler , aber das muss nicht sein. Eine Neoblase bedeutet zu Beginn Inkontinenz, dass kann aber durch Beckenbodentraining gebessert werden, günstigenfalls bis zu vollständigen Kontinenz ... Für die Männer ist die resultierende Impotenz sicher eine der gravierendsten Folgen, es kann aber in günstigen Fällen auch nerverhaltend operiert werden - auch hier gilt wie fast bei allem: es kommt auf die individuellen Gegebenheiten an...und das mögliche Risiko - Vorrang hat die vollständige Tumorentfernung!


    Anschließend könnte eine chemo wegen des L1 erforderlich sein ... Ohne chemo solltet du dich auf 3 - 4 Monate Krankheit einstellen.


    Weiterhin steht dir ein Schwerbehindertenausweis mit grösser / gleich 70% zu - kann sehr nützlich sein zum Kündigungsschutz und 5 Tage mehr Urlaub.
    Zu Heidelberg kann ich nichts sagen, ich hin im Nordosten (Umland Berlin) zu Hause.


    Ansonsten die Empfehlung sich hier durchs Forum zu lesen, sich zu den verschiednen Ableitungen einen Eindruck zu verschaffen und immer wieder hier in deinem Beitrag vorbeizuschauen, es wird bestimmt jede Menge Antworten geben ....
    ..und frag alles was du wissen willst, egal ob psychisch oder fachlich - hier gibt's Hilfe zu allen Aspekten der Krankheit und das Wissen, dass du es wie so viele hier schaffen kannst den Krebs zu besiegen!


    Eine ganz lieben Gruß von Barbara

    Berliner (netzgestützte) Neoblase seit 4.9.2015 wegen BCG resistentem CIS, entdeckt 2014 durch NMP22 (IGEL beim Gyn)

    "Alles hat einen Zweck, selbst wenn es uns nur an das erinnert, was wir nicht tun sollten." Catherine Ryan Hyde

  • Lieber Norbert,


    auch von mir ein herzliches Willkommen in unserem Forum.
    Wir alle hier im Forum, ob nun als selbst von Blasenkrebs betroffene oder aber als Angehörige wissen, das mit der Diagnose Blasenkrebs sich das Leben von heute auf morgen ändert.
    Es wird einem erstmal bewußt, wie endlich das Leben auf einem Schlag sein kann und dazu kommt die allgemeine Verunsicherung, weil man selbst keine Ahnung über Risiken, Behandlungsmöglichkeiten und auch Heilungschancen hat.


    Nun hast du den ersten Schritt getan, dich hier anzumelden und wir werden versuchen, deine Fragen ausführlich zu beantworten, wobei ich nun zu deinem Befund komme:


    Bisher handelt es sich bei beiden Tumoren ( pT1 und CIS ) um noch oberflächliche Tumoren die aber als G3 ( high risk ) eingestuft sind. Weiterhin haben wir eine Infiltration der Lymphgefäßbahnen durch Tumorzellen.



    Wie können die beiden primären Tumoren (pT1 und CIS) behandelt werden:



    Wie Barbara schon richtig geschrieben hatte gibt es drei mögliche Optionen, wovon bei zwei dieser Optionen ein R0 (kein Resttumor mehr vorhandeln) erforderlich machen. Auf diese beiden Behandlungsmöglichkeiten möchte ich nun eingehen.



    1. Immuntherapie mit BCG
    Hierbei werden lebendige Tuberkulose - Bakterien, die etwas abgeschwächt sind in die Blase gegeben und man muss diese für 2 Stunden in der Blase belassen. Diese Therapie erstreckt sich über insgesamt 3 Jahre.



    2. RCT ( Radio - Chemo - Therapie )



    beide dieser Behandlungsmethoden dienen der Blasenerhaltung.



    Die dritte und radikale Möglichkeit wäre die Zystektomie, also die Entfernung der Blase.



    Da die Uniklinik in Heidelberg eine gute Adresse in der Tumorforschung wie auch in der Strahlentherapie ist, würde ich dort um eine Zweitmeinung bitten, denn dort sollte die Option der blasenerhaltenden Therapie mit RCT durchaus möglich sein.


    Was die Infiltration der Lymphgefäßbahnen durch Tumorzellen durch Tumorzellen betrifft, so ist dies erstmal sekundär, da sich Fachmediziner auch nicht einig darüber sind, ob sich Tumorzellen über die Lymphbahn ausbreiten oder nicht.


    Sollte die Uniklinik Heidelberg dir zu einer RCT raten, würde ich es dir ebenfalls empfehlen, in anbetracht deines Alters sollte dies auch körperlich durchaus verkraftbar sein.


    Gruss
    AndreasW

    22.06.2012 erste [lexicon='TUR-B'][/lexicon] apfelgrosser [lexicon='Tumor'][/lexicon] wurde soweit wie sichtbar entfernt
    03.07.2012 Tumorklassifikation:
    ICD-0: C67 M8130/21 G1 pTa pNx pMx l0 v0 Rx
    22.10.2012 zweite [lexicon='TUR-B'][/lexicon], diesmal ohne Befund
    16.12.2013 dritte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], 5 rezidive wurden entfernt. high grad (rpTa)
    24.06.2016 vierte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], ein [lexicon='rezidiv'][/lexicon] pTa G1

    „I am the master of my fate, I am the captain of my soul“

  • Lieber Norbert,


    hier bist du richtig gelandet! Du erhälst Hilfe und Unterstützung in jeder Form.
    Und vor allem Informationen von ebenfalls Betroffenen.


    Ich heisse dich hier herzlich willkommen und hoffe, dass du hier die für dich beste
    Lösung findest.


    Herzliche Grüße
    Kerstin

  • Hallo Norbert,


    herzlich willkommen in diesem wundervollen Forum.


    Barbara hat dir ja schon sehr ausführlich berichtet.


    Warum ich dir jetzt schreibe? Das Datum - der 18. Januar, - das war auch mein Schicksalstag 2013, ich habe erfahren, Blasenkrebs, linke Niere "tot" (O-Ton Urologe) - stauungsbedingt durch den Tumor und dann die Nachricht, Blase muß raus und die Niere, Gebärmutter, Eierstöcke werde ich auch verlieren - es war ein Schock, ich war nicht mal in der Lage zu weinen. Ich kann mich noch so gut an diesen Tag erinnern, als wäre es grad gestern gewesen, ich fühlte mich auch wie im freien Fall und deshalb kann ich deine Ängste und Sorgen, die dich grade so sehr beschäftigen, gut verstehen. Aber irgendwie ließ ich die Angst dann nicht zu, ich verdrängte sie als Eigenschutz, wie ich jetzt weiß. Ich sagte damals immer wieder: "So jetzt hat es dich erwischt, jetzt kannst du es nicht mehr ändern, aber ich werde alles tun, was möglich ist und kämpfen. Später wird es noch oft genug vorkommen, daß es Tränen gibt, aber jetzt muß ich dies und das erledigen."


    Eine gute Hilfe war dieses Forum mit sehr vielen wertvolle Informationen und Tipps, es hat mir die Wartezeit bis zur großen OP Anfang März 2013 erleichtert.


    Rückblickend hat es sich gelohnt.


    Du gehst es schon richtig an, in dem du dir eine 2. Meinung holst und ich hoffe für dich, daß du Ärzte findest, die dich gut beraten und alle Möglichkeiten aufzeigen, die in deiner Situation möglich und machbar sind.


    LG Gabi

    01/2013 TUR B, pT2a,G3

    03/2013 radikale Zystektomie mit Pouchanlage, Nephrektomie li., pT4a,V1,L1,Pn1,R1,G3,pN0(0/7)

    05-08/2013 Chemotherapie Gem/Cis

    "Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Bach des Lebens"

  • Hallo Norbert,


    ich habe Ende 2014 auch die Zweitmeinung in der Uniklinik Heidelberg eingeholt, bin im Unterschied zur Erstmeinung realistisch und ausführlich beraten worden, incl. aller Möglichkeiten und Risiken.
    Ich hatte mich aber zuerst hier im Forum richtig in die Problematik eingelesen, hatte zusätzliche Informationen durch einen Bekannten, bei dem eine Zystektomie schon vor Jahren durchgeführt wurde und konnte dadurch auch die richtigen Fragen stellen, die alle beantwortet wurden.
    Ich habe dann die Blasenentfernung in Heidelberg machen lassen und bin mit der Neoblase bisher sehr gut gefahren. Anscheindend hat das Operationsteam in Heidelberg da eine ziemlich gute Arbeit abgeliefert.
    Ich kann dir auch nur empfehlen, daß du selbst dich gut informierst, möglichst noch bevor du die Zweitmeinung einholst, damit du schon eine Vorstellung hast, welche Alternativen dir zur Verfügung stehn, damit du dich schon ein wenig drauf einstellen kannst.
    Ricka weiter oben hat schon einen sehr guten Überblick gegeben
    Was Länge des Klinikaufenthaltes und die Zeit danach betrifft, das werden die dir in Heidelberg ziemlich genau sagen.
    Ich bin im April 2015, 4 wochen nach der Anschlussheilbehandlung, wieder in mein normales Berufs- und Alltagsleben eingestiegen, war bisher keinen einzigen Tag krank, hab halt gelegentlich einen Nachsorgetermin, aber sonst belastet mich die Sache nicht groß weiter.
    Es war damals eine Hammer-Diagnose, aber mich haben meine 2 Töchter nachdrücklichst daran erinnert, daß sie ihren Vater doch noch gerne eine längere Weile um sich haben möchten. Für mich war es die richtige Entscheidung, das machen zu lassen.


    Gruss und Alles Gute


    Aaron

    Muskelinvasives Urithelkarzinom pTis, pN(o/43), G3, Ro
    OP 17.12.2014 Uniklinik HD Entfernung der Harnblase und der Prostata, Anlage einer Ileum-Neoblase.

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