Mutter (80, dement) weigert sich TUR-B machen zu lassen

  • Hallo liebes Forum,


    ich brauche mal Euren Rat / Eure Hilfe, was auch immer.


    Als ich mich im vergangenen Jahr angemeldet hatte, habe ich ich ja kurz erwähnt, dass meine Mutter seit 2011 an Blasenkrebs leidet, allerdings immer PT1 ..., so dass sie jeweils mit einer TUR davon kam. Am Anfang war es echt schlimm, da sie in Abständen von 3 Monaten ins Krankenhaus musste, was sie natürlich sehr geschlaucht hat. Irgendwann wurde es zum Glück weniger.
    Jetzt haben wir einen ganz langen Zeitraum geschafft, denn sie war im April 2015 das letzte Mal im Krankenhaus.


    Zu der Zeit war auch ihre Demenz festgestellt worden. Es ist so, dass sie immer noch alleine leben kann, Pflegedienst kommt mehr oder weniger nur zur Medikamtengabe. Sie vergisst halt leider ganz furchtbar viel und hat (ich glaube, das ist die Wurzel allen Übels) mittlerweile Angst vor allem, was außerhalb ihrer Wohnung stattfindet.
    Im vergangenen Jahr hat sie ab Mai bei jedem Urologen-Termin, den ich für sie gemacht hatte, eine andere Ausrede gehabt (bei der Kontrolle im Februar war noch alles in Ordnung). Kurz vor Weihnachten ist es mir endlich gelungen, sie zur Blasenspiegelung zum Urologen zu schleppen. Es kam, wie es kommen musste, es war leider wieder etwas zu sehen.
    Ich hab Termine für sie ausgemacht (10.01. Aufnahme-Marathon; 11.01. TUR).
    Den Abend vorher hat sie mich 5 x angerufen, und ich habe ihr immer wieder erklärt, wann ich sie hole etc.


    Ich will das nicht noch weiter ausschmücken. Sie ist am 10.01. nicht mit mir gefahren! Im Krankenhaus habe ich gesagt, sie hat einen Darm-Infekt und hab mir neue Termine geben lassen. In dem Moment, wo ich das Telefonat beendet habe, war mir klar, dass das ein Fehler war. Ich hätte sagen sollen, was Sache ist.


    So, morgen ist es wieder soweit: Aufnahmemarathon, am Mittwoch der Eingriff.
    Und heute hat sie mir nach langem Zetern gesagt, sie geht nicht ins Krankenhaus.


    Ich bin mit meinem Latein am Ende, denn ich kann das doch nicht weiterlaufen lassen. Aber ich weiß auch nicht, wie ich sie gegen ihren Willen ins Krankenhaus bekomme. Vorsichtshalber habe ich mich an den Pflegedienst gewandt. Von denen wird morgen jemand da sein und mit mir gemeinsam versuchen, sie zu überreden. Aber selbst, wenn mir das gelingt, was mache ich, wenn sie sich Mittwoch weigert, für die TUR ins Krankenhaus zu gehen?


    Wir können doch nicht zugucken, wie der Tumor wächst und sich ihr Zustand verschlechtert. Sie kann doch gar nicht mehr abschätzen, was ihr wirklich schadet.
    Jetzt hat sie noch eine Chance, dass ihr durch einen Eingriff, den sie schon x mal hinter sich gebracht hat, geholfen wird. Aber es kommt in ihrem Kopf nicht an.


    Mich ans Gericht wenden? Ich weiß nicht, ob ich soweit gehen soll. Außerdem läuft mir die Zeit weg. Nächste Woche beginnt meine Reha, und ich habe keinen, der mir die Probleme mit meiner Mutter wirklich abnehmen kann.


    Liebe Grüße
    Pamira

    pT3a, pN2 (3/32), L0, V1, Pn0, R0; Magnilitätsgrad: G3, Radikale Zystektomie mit Anlage einer Neoblase am 14.03.2016, Uniklinik Köln
    Chemotherapie 6-9/2016, 4 Zyklen (Gemcetabin/Cisplatin). Schließen einer Blasen-Scheiden-Fistel am 29.12.2016, Uniklinik Tübingen

  • Hallo Pamira,
    eine schwere Entscheidung die da ansteht. Demenz ist ein schleichender und dann auch wieder sprunghafter Prozess. Nun aber, wo die Zeit möglicherweise für den Krebs arbeitet und dies mit der Demenz zu begründen ist sehe ich Handlungsbedarf bei Dir. Es muss mit dem Arzt und ggfs mit einer richterlichen Entscheidung ein Bevollmächtigter her. Nicht leicht bei einem Elternteil aber immer noch näher als wenn ein Gericht einen fremden Betreuer einsetzt.


    Liebe Grüße
    Wolfgang

    05/2009 CIS, 02/2010 pT4 a, G 3, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis, 08/2018 Nephrektomie rechts


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • Liebe @Pamira,


    ich verstehe deine Sorgen und Nöte und ich verstehe auch, dass man mit aller Gewalt versuchen will, deine Mutter ins Krankenhaus zu bekommen.


    Was wäre aber, wenn deine Mutter keine Demenz hätte?


    Meine Mutter war 79/80 Jahre alt, als sie das Rezidiv bekam. Sie war geistig vollkommen in Ordnung und wir mussten ihr in die Hand versprechen, dass wir sie zu keinem Arzt und in kein Krankenhaus mehr zwingen. Ich habe schrecklich geweint, aber ihr ihren Willen gelassen.


    Warum ich dir das nun schreibe? Wenn es euch nicht gelingt, deine Mutter ins Krankenhaus zu bekommen... weil ihr ja auch nicht genau wisst, ob sie im nicht-dementen Zustand noch eine Operation wollen würde oder nicht (oder gibt es eine Patientenverfügung?)... dann solltest du daran denken, dass es eben auch Menschen gibt, die tatsächlich die lebensrettende Operation verweigern. Auch wenn das für die Angehörigen ganz schrecklich ist. Aber nicht immer ist die Operation auch tatsächlich der Wille des Patienten.


    Deshalb versuche, was möglich ist... aber bedenke auch, dass sich der geistige Zustand deiner Mutter durch die Operation nochmal verschlechtern kann ("Durchgangssyndrom") und denke daran, dass sie dann dort im Krankenhaus wirkliche Ängste ausstehen wird, weil sie sich nicht auskennt.


    Eine sehr schwierige Entscheidung, ich weiß. Ich drücke dir die Daumen, dass ihr eine gute Lösung findet.



    Liebe Grüße


    Christina

    Ich habe für meine Mutter geschrieben, bei der im Jahr 2008 Blasenkrebs diagnostiziert wurde. Am 10.01.2015 ist sie im Alter von 80 Jahren daran verstorben.

  • Danke, Wolfgang.


    Liebe Christina,


    ich habe Deinen Beitrag gelesen, in dem Du geschrieben hast, wie Du Deine Mutter beim Sterben begleitet hast und das hat mich sehr berührt.
    Deshalb verstehe ich auch einiges besser, was Du mir jetzt schreibst.


    Ich bin sicher, meine Mutter hätte den Zustand, so wie er jetzt ist, nicht gewollt. Sie hat es mit den Kontrolluntersuchungen immer sehr genau genommen und wenn wieder etwas festgestellt wurde, hat sie Termine im Krankenhaus gemacht und ich habe sie hingebracht.


    Mir ist auch klar, dass eine weitere Narkose (wenn auch nur lokal) ein Risiko mit sich bringt. Aber sie hat Schmerzen, ich kann es doch nicht so weiterlaufen lassen.
    Und ja, manchmal, wenn sie gerade wieder alles torpediert, was ich vorher "arrangiert" habe, packt mich eine ziemliche Wut und ich denke "Mensch, Deinen Tumor hätte ich gerne." Ich weiß, das ist nicht nett, aber manchmal fühle ich mich mit der ganzen Situation total überfordert. Letztlich habe ich mit mir selbst ja auch noch genug zu tun.


    Ich befürchte, ich muss Wolfgangs Vorschlag aufgreifen (das denken wir ja schon seit Tagen).


    Aber vielleicht geschieht ja auch ein Wunder und sie fährt morgen mit mir. Drückt mir die Daumen!!!!!


    Liebe Grüße


    Pamira

    pT3a, pN2 (3/32), L0, V1, Pn0, R0; Magnilitätsgrad: G3, Radikale Zystektomie mit Anlage einer Neoblase am 14.03.2016, Uniklinik Köln
    Chemotherapie 6-9/2016, 4 Zyklen (Gemcetabin/Cisplatin). Schließen einer Blasen-Scheiden-Fistel am 29.12.2016, Uniklinik Tübingen


  • Mich ans Gericht wenden? Ich weiß nicht, ob ich soweit gehen soll. Außerdem läuft mir die Zeit weg. Nächste Woche beginnt meine Reha, und ich habe keinen, der mir die Probleme mit meiner Mutter wirklich abnehmen kann.

    Das ist das Problem, es lastet auf Deinen Schultern und der alten Dame kann man keinen Vorwurf machen; sie kann nichts dafür. Ich hatte eine ähnliche Situation, deswegen habe ich nach meiner Blasenentfernung (ich bin auch nur sieben Tage im Krankenhaus geblieben) auch keine Reha gemacht. Man hat zwar gewisse Hilfen (Pflegedienst), aber die kann man letztlich in der Pfeife rauchen, eine wirkliche Hilfe ist es speziell in solchen Fällen nämlich nicht (und sauteuer ... 38 € die Stunde).


    Du hast aus meiner Sicht eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder Du reisst Dir Deine Beine aus und machst und tust und bist für die alte Dame da o d e r Du gibst sie z.B. in Kurzzeitpflege (und gehst in die Reha) und andere müssen sich kümmern, was auch eine finanzielle Frage wird. Die Frage, ob man überhaupt operieren sollte, stelle ich dabei gar nicht, da bin ich bei Dementen, für die man ja nach bestem Wissen und Gewissen denken und entscheiden muss, etwas gnadenlos, denn es ist ein kleiner Eingriff, anästehtisch eher unkompliziert und kann das Leben retten. Bei einer Zystektomie würde ich das freilich anders betrachten.......
    Mit meiner Mama war es mal ähnlich. Erst wunderte ich mich, dass sie immer weniger Unterhosen hatte (trotz Demenz war sie so clever versaute Wäsche sofort zu entsorgen, also nicht Wohnungsmülleimer), dann über einen großen Blutfleck im Bett und ich musste feststellen, dass sie wiederholt heftige, vaginale Blutungen hatte. Nein, kein Arzt, keine OP. Hat sie sofort abgelehnt. Ich habe es aber nicht zugelassen und sie mit sanftem Zwang letztlich ins Krankenhaus gebracht, bin wie versprochen bei ihr geblieben bis zum OP-Vorraum (da sie dann laut nach mir geschrien und ich hatte Tränen in den Augen, sie schrie als ob sie gleich geschlachtet würde, aber sie verstummte schnell, weil die Narkose gleich angeleitet wurde) und nach dem Aufwachen war ich auch wieder da. Stunden nach der OP wusste sie dank Demenz von der Sache gar nichts mehr, fragte die Krankenschwester, ob die grünen, an der Wand hängenden Desinfektionsflaschen Dornkaat sei und wir alle ein Schnäpsschen kriegen. Letztlich war die OP notwendig, das Problem konnte in der einen OP behoben werden und Krebs war es auch nicht. Unbehandelt hätte sie halt auf Dauer mehr Blut verloren, als sie nachproduzieren könnte, meinte die Ärztin. Also alles gut und richtig gemacht.
    Das ist eines der Beispiele, warum ich Demente zur OP letztlich "zwingen" würde, jedenfalls bei so einer doch relativ kleinen Sache mit voraussichtlich großer Auswirkung aufs Leben. Ein Kind würde ich ja auch gegen best. Infektionen impfen lassen, auch wenn es noch so schreit (bitte Impfgegner, hier keine Diskussion darüber!).
    Würde man nachgeben und so eine relativ kleine OP tatsächlich verweigen lassen, dann muss man sich fragen lassen, ob man geeignet ist die Fürsorge für andere zu übernehmen. Ein gerichtl. bestellter Betreuer könnte in so einem Fall auch gar nicht anders entscheiden.
    Auch wenn's die eigene Angehörige ist, sollte man solche Probleme mit den Ärzten besprechen und abwiegen, was unbedingt sinnvoll und was nicht unbedingt sinnvoll ist. Mir sagten damals die Ärzte, dass sie bei meiner damals ca. 90j Mutter auch noch eine Hysterektomie (Gebärmutterentferung) vornehmen würden, wozu es zum Glück nicht kam und was ich dann doch anders sehen/beurteilen würde (unter Berücksichtigung des Patientenwunsches!!), ebenso bei Dauerbeatmung einer 90Jährigen, etc.. Gott-sei-Dank ging dieser Krug an mir vorbei.


    Klären sollte man, welche Form von Demenz vorliegt und ob man was machen kann (vaskuläre Ursachen?). Der grundsätzliche Wunsch ist natürlich auch bei Demenz zu berücksichtigen, aber eben doch mit Einschränkungen, da der dementen Person oft der Überblick/die Tragweite fehlt. Die Ärzte können auch von sich aus das (Familien-)Gericht anrufen und so eine Entscheidung herbeiführen.


    Ich hatte von meiner Mutter alle Vollmachten, inkl. Schweigerechtsentbindung und Betreuungsverfügung, so dass ich keinen Amtsbetreuer brauchte (die kosten Geld und machen oft fast nichts) und auch keine Betreuungsurkunde vom Gericht.


    Schwierig, sehr schwierig, da ist ein guter Zusammenhalt innerhalb einer Familie das Beste, hat nur nicht jeder und hatte ich auch nicht. Innerhalb einer Familie kann man die Lasten gut verteilen, aber wehe, man ist alleine!!


    Sprech mal kurz mit den Ärzten, lege alles offen und frage nach Unvernünftigkeit aus ärztl. Sicht bei Verweigerung. Vielleicht die TURB bis nach der Reha verschieben oder umgekehrt? Jeder Fall, jede Person ist natürlich anders und aus der Ferne kann man kaum Tipps geben. Auch für die alte Dame ist das ein harter Ritt. Und das KH könnte auch was tun, nämlich das übliche Procedere für die Patientin angenehmer machen, z.B. nicht einen Tag vor der OP einfahren, etc. (meine Mama habe ich vom Taxi gleich in den OP gebracht, alles andere vorher geklärt und einen Tag nach OP gegen ärztl. Rat wieder mitgenommen (Formsache, gab keinen echten Grund zu bleiben) und auch das med. Personal war froh).


    All the best!

  • Liebe Pamira,
    einen wirklichen Rat hab ich leider nicht, mein Schwiegervater war dement - aber es gab zum Glück keinen Krankenhausbedarf. Aber eben auch diese Panik bei jedem verlassen des Hauses. Ich drück dich mal fest und wünsche dir viel Glück für morgen - mehr bleibt mir nicht zu wünschen.
    ...doch, auch wenn es vielleicht grausam klingt erlaube ich mir es "auszusprechen": denk unbedingt auch an dich selber, deine Baustellen sind mindestens genauso wichtig! Und es hilft niemandem, wenn du deine Fortschritte jetzt opferst. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel!
    Lieben Gruß von Barbara

    Berliner (netzgestützte) Neoblase seit 4.9.2015 wegen BCG resistentem CIS, entdeckt 2014 durch NMP22 (IGEL beim Gyn)

    "Alles hat einen Zweck, selbst wenn es uns nur an das erinnert, was wir nicht tun sollten." Catherine Ryan Hyde

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