Mythen und Ungereimtheiten betreffend Bacillus Calmette-Gurin Immuntherapie für Blasenkrebs

  • Liebes Forum,


    ich habe seid meiner Diagnose und verstärkt nachdem klar war, dass ich zunächst eine Immuntherapie mit BCG probieren möchte, viel in wissenschaftlicher Literatur gelesen. Mit Google Scholar ist dies leicht möglich. Eine der Webseiten auf der man wissenschaftliche Studien und Artikel finden und zumeist auch kostenlos durcharbeiten kann möchte ich hier linken:

    Sicherlich gibt es noch andere interessante Quellen, doch ich finde mich nach anfänglicher Google Scholar Suche zumeist auf obiger Seite wieder. Speziell in der PubMed Unterabteilung.

    Soweit so gut.


    Ich habe hier einen interessanten Artikel über die Anwendung von BCG und dessen Effektivität gefunden, den ich zu Teilen hier wiedergeben möchte.

    Das Originalpapier trägt den Titel: "Myths and Mysteries Surrounding Bacillus Calmette-Guérin Therapy for Bladder Cancer", welches frei übersetzt soviel heißt wie: "Mythen und Ungereimtheiten betreffend Bacillus Calmette-Gurin Immuntherapie für Blasenkrebs". In diesem Aufsatz, der 2014 erstveröffentlicht wurde entzaubern Ashish M. Kamat und Sima Porten einige der Mythen, denen auch ich aufgesessen bin.


    Eines der Probleme in wissenschaftlicher Literatur ist, dass es sich immer nur um Momentaufnahmen handelt. Die z.B. auch hier im Forum immer wieder zitierte Wahrscheinlichkeit der Rezidivwarscheinlichkeit von Blasenkrebs von "bis zu 78%" in fünf Jahren ist richtig, basiert allerdings auf einer EORTC Studie mit Daten, die zum Teil aus den 80er Jahren kommen. Dies ist eine Zeit, wo es teilweise noch gar keine bzw. keine ausgereifte Behandlungsschema mit BCG für NMIBC (Nicht Muskel-invasiven Blasenkrebs) Tumore gab! Wenn ich jetzt zu dem Schluss komme, dass meine BCG Behandlung in bis zu 78% in einem Rezidiv bzw. 45% in Progression mündet, ist dies schlicht weg falsch. Solche bzw. ähnliche Aussagen habe ich allerdings bereits mehrfach in unterschiedlichen Foren im Netz gefunden. Ich kann mich allerdings nicht explizit erinnern das hier im Forum schon einmal gelesen zu haben, ich selber bin aber auch auf diese Zahlen hereingefallen.


    Daher möchte ich jetzt Auszugsweise oben genannten Artikel hier sinngemäß wiedergeben und einige der Zahlen bzw. Aussagen auf den neuesten Stand (2014) bringen.

    Mythos 1: Bacillus Calmette-Guerin vermindert lediglich Rezidive des Nicht Muskel-invasiven Blasenkrebs

    FALSCH: BCG hat sich bewährt in der Reduktion von Rezidiven UND Progression bei Nicht Muskel-invasiven Blasenkrebs. Dies kann mit hochqualitativen Studien und Randomisierten Versuchen wissenschaftlich gestützt werden.

    Mythos 2: 6 x Induktionstherapie von Bacillus Calmette-Guerin ist ausreichend, die Erhaltungstherapie nicht notwendig

    FALSCH: Neueste Daten belegen eindeutig das Gegenteil. Diese Daten zeigen auch, dass die in Deutschland verwendeten 6 wöchige Initialtherapie mit je einer Therapie pro Woche und Erhaltungstherapie mit 3 Instillationen in wöchentlichem Abstand in den Monaten 3, 6, 12, 18, 24, 30 und 36, die mit Abstand besten Ergebnisse liefert. Mit diesem Behandlungsschema bleiben dann auch für mehr als fünf Jahre ca. 60% der Patienten rezidivfrei. Bei papillären Tumoren lag die Progressionswahrscheinlichkeit bei 6.4% und beim CIS bei 13.9%.

    Mythos 3: Bacillus Calmette-Guérin ist nur bei hoch Risiko Patienten notwendig

    FALSCH: Auch bei Patienten mit mittlerem Risiko hat sich die Anwendung von BCG bewährt.

    Mythos 4: Die meisten Patient sind nicht in der Lage das "optimale" BCG Behandlungsschema zu tolerieren

    FALSCH: In älteren Studien und auch von einigen Urologen wird immer wieder darauf verwiesen, dass die BCG Immuntherapie von den meisten Patienten schlecht vertragen wird und in bis zu 80% vorzeitig Unterbrochen wird. Neueste Zahlen belegen allerdings, dass aktuell in nur noch 5.2%-7.8% der Fälle die Behandlung vorzeitig wegen Unverträglichkeit abgebrochen werden muss.

    Mythos 5: Es gibt keine Zukunft für eine Therapie mit Bacillus Calmette-Guérin

    Zum einen hat die BCG Immuntherapie wie oben beschrieben seinen Stellenwert in der Behandlung von NMIBC Patienten. Zum anderen kann es in einigen Fällen allerdings zu erheblichen Problemen kommen. Eine Weiterbehandlung nach Problemen im Verlauf der Therapie (Rezidive, CIS, Multivokalität...) kann zu Progression oder Metastasenbildung führen. Um es klar zu sagen: BCG ist KEINE Ersatztherapie für eine notwendige Zystektomie.


    Der letzte Satz scheint mir auch aufgrund aktueller Fälle hier im Forum extrem wichtig zu sein. Wachsam zu bleiben während einer BCG Immuntherapie ist daher sicherlich außerordentlich ratsam. Dennoch glaube ich persönlich, dass es einen Versuch wert ist es mit BCG zu starten falls möglich, aber das muss jeder mit seinem behandelnden Ärzten für sich selbst entscheiden. Ich hoffe der Einen oder dem Anderen hiermit etwas geholfen zu haben. Hört auf eure Urologen und auf bleibt objektiv bei der Beurteilung der eigenen Lage.


    Grüße,

    Thommy

  • Hallo Thommy

    Danke sehr für die Einstellung Deiner sehr interessanten Recherche.

    Ich beginne am kommenden Freitag mit meiner ersten BCG Runde und merke so langsam, dass die Anspannung nach der leztzen TURB und dem guten Ergebnis wieder anwächst.

    Gruss

    Thomas

  • Lieber Tommy,


    so nun bin ich dran.


    Die Rezidivwahrscheinlichkeit von bis zu 70 - 75% ist richtig, diese Daten basieren auf pTa G1 / G2 (low risk) - Tumoren, wo keine Therapie mit BCG bzw. Mitomycin durchgeführt wird.

    Die Mitomycin - Therapie senkt diese Rezidivwahrscheinlichkeit um ca. 25% , sodass wir dann von einer Rezidivwahrscheinlichkeit ca. 50 % ausgehen können. Bei der BCG - Therapie wird zusätzlich zu dem Absenken der Rezidivwahrscheinlichkeit auf eine Senkung der Progression festgestellt, daher wird die BCG-Therapie bei oberflächlichen high risk - Tumoren als "Goldener Standard" eingesetzt.

    Insgesamt wird beiden Therapie (Mitomycin und BCG) bei die Rezidivwahrscheinlichkeit von 70 - 75% auf deutlich bessere ca. 50% abgesenkt. Bei der BCG-Therapie zusätzlich aber noch die Tumorprogression, sodass wir dann auch dort bei ca. 50% liegen.


    Nichts anderen wird auch hier im Forum kommuniziert, ebenso wie das Behandlungsschema der BCG-Therapie.


    Der rest ist soweit richtig.


    Gruss

    AndreasW

    22.06.2012 erste [lexicon='TUR-B'][/lexicon] apfelgrosser [lexicon='Tumor'][/lexicon] wurde soweit wie sichtbar entfernt
    03.07.2012 Tumorklassifikation:
    ICD-0: C67 M8130/21 G1 pTa pNx pMx l0 v0 Rx
    22.10.2012 zweite [lexicon='TUR-B'][/lexicon], diesmal ohne Befund
    16.12.2013 dritte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], 5 rezidive wurden entfernt. high grad (rpTa)
    24.06.2016 vierte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], ein [lexicon='rezidiv'][/lexicon] pTa G1

    „I am the master of my fate, I am the captain of my soul“

  • Lieber Andreas,


    dank dir für deine Nachricht. Da es sich bei meinen Zahlen um die Auswertung einer empirischen Studie handelt, die ich auch mit Quellenangabe verlinkt habe, gibt es hier kein richtig oder falsch. Die Zahlen kann man nicht anzweifeln, wohl aber wie die Studie aufgebaut wurde bzw. ihre Aussagekraft im allgemeinen. Mir ist z.B. aufgefallen, dass in fast jeder wissenschaftlichen Studie Progression anders definiert ist. Somit ist klar, dass sich hier zum Teil sehr unterschiedliche Zahlen ergeben und leicht die erheblichen Größenunterschiede erklärt werden können.


    Woher nimmst du denn bitte deine Zahlen? Sie scheinen mir insgesamt am oberen Ende der Fahnenstange zu liegen. Das macht sie nicht falsch, aber für die Einschätzung des Risikos unter Umständen nicht so brauchbar wie ich es persönlich gerne hätte. Es kann ja sein, dass ein unbehandelter pTa G1 / G2 (low risk) eine Rezidivwahrscheinlichkeit von bis zu 70 - 75% hat, aber was sagt mir das als Patient? Ich möchte doch wissen, wie hoch die Rezidivwahrscheinlichkeit bei einem mit Mitomycin oder anders behandelten pTa G1 / G2 (low risk) ist. Also raus damit, woher kommen deine Zahlen? Auf wie viel Jahre beziehst du dich, 1, 5, 10,... ? Auf welche Risikogruppen beziehst du dich? Es macht z.B. einen Unterschied in der Rezidivwahrscheinlichkeit, wenn du Tumorgröße, Anzahl der Tumore, begleitendes CIS, alter des Patienten, Geschlecht, usw. mit in Betracht ziehst.


    Worum es mir persönlich geht ist ganz einfach. Ich denke deine Zahlen sind korrekt. Für die meisten Besucher hier im Forum würden sich aber erheblich bessere Prognosen ergeben, wenn man sich die genaue Ausgangslage anschaut.


    Hierzu ein Beisiel:

    Laut EORTC Risikoanalyse ist die Rezidiv bzw. Progressionswahrscheinlichkeit 31% bzw. 0.8% in fünf Jahren, falls du bei der ersten TUR-B einen Ta G1 < 3cm, ohne CIS hattest.

    Laut CUETO Risikoanalyse ist die Rezidiv bzw. Progressionswahrscheinlichkeit 21% bzw. 3.7% in fünf Jahren, falls du männlich, jünger als 60 und bei der ersten TUR-B weniger als vier Ta G1, ohne CIS hattest.


    Die Zahlen kannst du hier nachvollziehen: Accuracy of the EORTC risk tables and of the CUETO scoring model to predict outcomes in non-muscle-invasive urothelial carcinoma of the bladder.


    Um es nochmals klar zu sagen: es geht mir hier nicht um wahr / falsch, richtig oder unrichtig oder irgendwelche Eitelkeiten. Es geht mir lediglich darum, dass ich das Thema gerne etwas differenzierter betrachten möchte und ich versuche mich auf wissenschaftliche Quellen und Studien zu stützen. Ich werde in den nächsten Tagen zu den oben genannten Studien einen eigenen Thread eröffnen, da ich überzeugt davon bin, dass es nahezu jeden Betroffenen interessiert.


    Das es für die Nutzer interessant ist kann man z.B. hier sehen: Frage zum Bladecalkulator


    Alles wird gut,

    Thommy

  • Moin Thommy,

    nur kurz und nur mit einfachen Worten. Alle mathematischen Berechnungen sind unzulänglich nicht aussagefähig und nicht wirklich ein adäquates Mittel um dem Krebs zu Leibe zu rücken. Wir sind allzusehr davon getragen, Statistiken oder Berechnungen zu sehr zu vertrauen. Nur ein kleines Beispiel. Mein CIS wurde 2009 sehr erfolgreich mit BCG therapiert. Ein Mediziner, der einen unter der Schleimhaut liegenden Tumor nicht sah, nicht sehen konnte ist nunmehr verantwortlich dafür, dass ich meine Blase verloren habe? Es ist müssig und es bringt nichts irgendwelche Quoten hochzurechnen. Immer und in allen Fällen sind es statistische Werte welche für den einzelnen Erkrankten sekundär von Bedeutung sind. Primär zählt ausschließlich ein Erfolg der leitliniengerechten Behandlung dieses einzelnen Menschen.


    Gruß Wolfgang

    05/2009 CIS, 02/2010 pT4 a, G 3, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis, 08/2018 Nephrektomie rechts


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • Hallo Wolfgang,


    ich stimme dir zu 100% zu. Du hast absolut Recht. Dennoch liebe ich Zahlen. Sagen wir mal so, für den Einzelnen haben sie nur bedingt Aussagekraft, für die Summe aller Patienten jedoch schon.


    Dennoch, du hast vollkommen Recht mit dem was du sagst und ich sehe es ebenso wie du. Leider habe ich Mathematik studiert und eine Schwäche für Statistik, Buchhaltung und Zahlen.


    Sorry da kann ich mir nicht anders helfen,

    Thommy