Neoblase und Kontinenz

  • Liebes Forum,


    seit einigen Wochen habe ich mich recht intensiv mit diesem sehr hilfreichen Forum eingelesen und nun habe ich mich auch entschlossen, mich anzumelden.


    Zunächst zu mir: Kurz vor meinem 60. Geburtstag ereilte mich die Nachricht, dass ich Blasenkrebs habe. Zunächst wurde im Oktober 2017 eine TUR-B durchgeführt und das Ergebnis lautete mindestens pT2 high grade. Nach Gesprächen mit dem potentiellen Operateur, einer Zweitmeinung und eigener Recherche war schnell klar, dass die Blase entfernt werden muss. Es kam wunschgemäß eine Neoblase zum Einsatz. Der Eingriff erfolgte dann Mitte November 2017 mit folgendem histologischen Resultat: pTis/pt2a, pN0 (0/21), cM0, L0, V0, R0 high grade.


    Der Genesungsprozess verlief ordentlich.


    Schon wenige Tage nach der Entlassung (Anfang Dez. 2017) aus dem Krankenhaus konnte ich mit einer Reha in Bad Wildungen (Klinik Quellental) beginnen. Mit der Klink und deren Fokussierung auf Prostata- und Blasenkrebs sowie den Trainings zur Kontinenz war ich sehr zufrieden.


    Nun liegt der Eingriff 9 Wochen hinter mir und ich bin jetzt ca. 3 Wochen wieder in meiner gewohnten Umgebung.


    Meine liebe Frau und meine längst erwachsenen Kinder geben mir viel Kraft und Zuversicht.


    Trotzdem treiben mich in der nun vorhandenen Ruhephase (eigentlich bin ich noch berufstätig) viele Dinge geistig um.


    Primär natürlich der Gedanke, ob ich den am Horizont bereits sichtbaren Ruhestand wirklich genießen kann. Bei meinem histologischen Befund muss man zum heutigen Zeitpunkt sagen, dass ich großes Glück im Unglück hatte. Aber die Statistiken sagen, dass meine Überlebenschancen irgendwo zwischen 66% in 10 Jahren oder ca. 50% in 5 Jahren liegen. Da kann mir niemand helfen, da muss ich gedanklich durch und Ablenkung könnte mir meine Arbeit bringen. Doch dazu ist es meiner Meinung nach noch zu früh. Was meint Ihr?


    Und damit komme ich eigentlich zum Hauptthema: Kontinenz bzw. Inkontinenz


    Im Laufe des Tages bin ich kontinent. Allerdings mit ein paar Schwierigkeiten. Wenn ich alle 1 bis 1,5 Stunden meine eigene Toilette aufsuche, klappt es gut. Wenn ich außer Haus bin, verkrampfe ich mich. Wenn ich dann eine Toilette aufsuche, dann kommt nur wenig und der "innere Druck" wird unangenehm. Dann möchte ich eigentlich sofort nach Hause. Dort brauche ich dann 2 bis 3 Toilettengänge (abwechselnd stehend und sitzend), bis sich mein Schließmuskel wieder "beruhigt" hat.


    Zur Nacht: Hier mit ich weitgehend inkontinent. Ich stelle mir alle 2,5 Stunden den Wecker. Pants sind feucht bis nass und trotzdem habe ich Druck auf der Blase und es kommt dann auf der Toilette wenig. Ich spüre jeweils, dass ich mich nicht entleert habe. Am Morgen gleiche Situation. Ich mache mir dann 2 Tassen Kaffee, die ich in aller Ruhe genieße und dann kann ich mich entleeren und es kommt auch viel. Damit meine ich mein aktuell max. Volumen von 200 bis 240 ml.


    Kann mir jemand aus dem Forum dazu einen Rat geben?


    Den Urologen habe ich gefragt, ob ich ggf. den Harn länger halten soll, damit sich die Neoblase dadurch weitet. Er antwortete mit nein und meinte, dass sich die Neoblase von alleine weitet. Kann das sein?


    In den letzten Tagen hatte ich einen Infekt. Dies äußerte sich durch leichte Krämpfe in der Neoblase und ständigem Harndrang. Urinuntersuchung hat dies dann bestätigt. Durch die Einnahme eines Antibiotikums hat sich das Problem zwischenzeitlich erledigt. Kann ich etwas tun, damit sich dies nicht wiederholt?

    Bei de Neoblase sind ja immer Bakterien vorhanden. Wann sind es zu viele und ab wann spricht man von einem Infekt?


    Schleimbildung: Urologe sagte mir, dass dies weniger wird. Bisher kann ich dies nicht feststellen. Ist der Zeitraum ggf. noch zu kurz? Galamatee (Empfehlung Reha-Klinik) trinke ich, kann jedoch keinen Unterschied feststellen, wenn ich auf den Tee verzichte.


    Wie Ihr seht, habe ich viele Fragen. Es wäre schön, wenn andere Foren-Mitglieder zu den Fragen ein paar Antworten oder Ratschläge hätten.


    Vielen Dank vorab.


    Michael

  • Moin Michael,

    zunächst möchte ich Dich recht herzlich begrüßen hier bei uns im Forum. Die aktive Bekämpfung der Krebserkrankung liegt bereits hinter Dir und die Rekonvaleszens steht an. Als Beuteltier kann ich kaum hilfreiche Erfahrungen dazu beisteuern bin aber fest davon überzeugt, dass sich die Neoblasenräger bald zu Wort melden.


    Thema Arbeit? Ich habe es seinerzeit abgelehnt mich zwangsverrenten zu lassen, habe gebissen bis ich wieder eine Anstellung hatte. Danach, aus eigenem Antrieb den Ruhestand gewählt. Du musst natürlich immer im Auge haben ob Dein Beruf es Dir ermöglicht.


    Liebe Grüße, Wolfgang

    pT4 a, G 3 und CIS, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • Hallo Michael ( Stardust ) ,

    sei willkommen im Kreis der erlauchten Neoblasenträger. Meine ist inzwischen fast 14 Jahre alt und funktioniert nach wie vor prächtig. Der Weg zu einer funktionieren, einigermaßen dichten Neoblase ist ziemlich lang aber nicht unüberwindbar.

    Erst einmal zu deinem ominösen 66% Überlebenschance. Diese 66 % solltest und kannst du sofort vergessen. Mit der Diagnose M0, L0, V0, R0 sowie Blase raus solltest du gedanklich mit 100% rechnen. Geh davon aus, das der Blasenkrebs mit der Entfernung der Blase völlig entfernt wurde. Also !! streich diese Gedankengänge aus deinem Hirn.


    9 Wochen nach der OP solltest du nicht glauben das schon alles vorbei ist. Du stehst gedanklich erst einmal am Anfang einer Periode von Überlegungen die dich psychisch und physisch beschäftigen werden. Du wirst mindestens noch weitere 12 Monate benötigen bis sich alles so einigermaßen einpendelt. Dein derzeitiges Volumen von 200 bis 240 ml ist für den jetzigen Zeitpunkt völlig normal.. in den nächsten Jahren steigert sich das dann auf 700 bis 900 ml..

    Das ganze geht relativ langsam vor sich, jetzt 200 ml, in 3 Monaten 350 ml, weitere 6 Monate, dann bist du auf 500 ml.. usw..

    Wenn du jetzt schon tagsüber dicht bist kannst du versuchen den Urin doch etwas länger zu halten, nicht punktgenau alle 2 Stunden zur Tolilette rennen, schon versuchen die Blase etwas zu dehnen, dabei aber nicht übertreiben.. wenn sie voll ist, kommt es eh von allein.


    Zu diesem Zeitpunkt ist es mit dem rausgehen so eine Sache. Erstens hast du das psychische Problem in dir, zu wissen das keine Toilette in der Nähe ist, das Hirn meldet ständig, seh zu das du in die Nähe einer Toilette kommst, das löst schon wieder das Gefühl aus das man muss, obwohl in der Neoblase noch nicht viel drinnen ist. Genau so ein Gefühl hatte ich auch. Schon wenn ich in ein Auto stieg das jemand anderes fuhr, ich hatte nicht mehr die Kontrolle das zu tun was ich für nötig hielt um meine Blase zu entleeren, schon hatte ich nach 5 Minuten Fahrt das Gefühl das ich dringenst auf Toilette muss obwohl es eigentlich nicht sein konnte das die Neoblase schon wieder voll ist..


    Dieses Problem hat man eine ganze Zeitlang, wird erst nach und nach verdrängt je mehr Sicherheit mit dem Umgang der Neoblase kommt. Man darf nicht vergessen, man hat ein Organ verloren welches durch ein Konstrukt aus einem Stück Darm ersetzt wurde. Das muss das Hirn und Psyche erst einmal verarbeiten.


    Zu dem Problem der Verkeimung kann ich nicht viel sagen, eine solche Verkeimung hatte ich in den 14 Jahren erst einmal. Leichtes Klopfen in der Nierengegend, dazu ein flockiger Urin, (also der Schleim nicht mehr geschmeidig glatt) und ein unangenehmer Geruch haben mich vor einigen Jahren zum Uro getrieben. Eine ordentliche Antibiotika Gabe über 10 Tage haben dann das Problem gelöst. Bisher hatte ich keine weiteren Probleme mit Verkeimung ..

    Etwas verkeimt ist die Blase immer, so lange aber keine Beschwerden auftreten wie ich sie beschrieben habe braucht man auch nichts zu unternehmen.


    Übrigens, ich verschiebe mal Dein Thema in den Bereich "Neoblase Männer" , da gehört er hin..


    Gruß Rainer

  • Hallo Wolfgang,


    wenn meine Gesundheit mitspielt, dann will ich mich auf keinen Fall zwangsverrenten lassen. Ich bin momentan in der Aktivphase der Altersteilzeit und beabsichtige Ende Oktober 2018 in die Passivphase zu gehen. Dies bedeutet in meinem Fall, dass ich ab November 2018 noch für 2 Jahre und 2 Monate ca. 70 bis 80 % Gehalt bekomme, ohne aktiv zu sein und danach steht dann mein Ruhestand an. Jetzt schon in Früh-Rente würden happige Einbußen bringen.


    Ich will mal hoffen......


    Grüße


    Michael

  • Hallo Rainer,


    vielen Dank für deinen tollen Beitrag. Du hast all die Dinge angesprochen, die mich augenblicklich beschäftigen bzw. belasten. Auch deine Aussage zur Prognose ist beruhigend und hilfreich. Mögest Du richtig liegen. So äußert sich auch meine Familie und nötigt mich, diese Gedanken nicht aufkommen zu lassen.


    Ja, auch deine Aussage zur Toilette ist richtig. Ich bin immer auf der Suche. War es bei Dir auch so, dass Du manchmal verkrampft warst? Inbesondere, wenn Du unterwegs warst?


    Liebe Grüße


    Michael

  • Verkrampft war schon gar kein Ausdruck mehr..

    Das tauchte immer dann auf wenn keine Toilette in der Nähe war oder ich abhängig von anderen (Auto, Flugzeug, Einkaufsmeilen, ect) war. Ich hab auch noch bis zu 3 Monate nach der AHB tagsüber Vorlagen getragen. Ich sag dir.. da geht einem so einiges im Kopf rum. Man fühlt sich ja ins Babyzeitalter zurückgeschossen, steht nach der AHB mit dem ganzen Schei... allein da, will noch der Mann sein der man vorher war. Geht aber nicht weil man ständig Angst hat in die Hose zu Pissen und andere könnten es merken. Das war ein voll ätzende Zeit.

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