pT1 G3 Blase nach Hodenkrebs jetzt BCG

  • Hallo Alle,


    da ich mich erst neu hier registriert habe möchte ich mich heute kurz vorstellen.

    Mein Name ist Jürgen, ich bin 48 Jahre alt und bei einer TUR-B wurde Blasenkrebs (pT1 G3 nicht muskelinvasiv, keine Metastasen, aggressiver Tumor) bei mir diagnostiziert. Als Hodenkrebspatient werde ich sowieso schon engmaschig überwacht.

    Für die weitere Behandlung stehen zwei Alternativen zur Wahl:

    1) Entfernen der Blase

    2) Instillation mit BCG

    Bis ich mich entscheiden muss habe ich noch ein paar Tage Zeit. Aber seither gehen mir eine Unmenge an Fragen durch den Kopf:

    Bin ich ohne Blase denn noch arbeitsunfähig oder ist eine "normale" Arbeit (am Computer) auch weiterhin möglich?

    Wie sind denn die Erfolgsaussichten nach einer BCG Instillation? Wird dadurch nur ein Aufschub des Krebses bewirkt? Nach den Beiträgen hier im Forum scheint es einige Fälle zu geben, bei denen es auch nach BCG Instillationen noch Rezidive gegeben hat.


    Wenn ihr mir ein paar Tipps geben könntet wäre das super :)


    viele Grüße

    Jürgen

    2018 April: Blasenkrebs pT1 G3

    2017 April: Hodenkrebs rechts, danach Chemo mit Carboplatin

    2003: Fistel zw. Blase und Dünndarm entfernt

    2001: Hodenkrebs links, danach Bestrahlung

  • Lieber Jürgen,


    erstmal herzlich Willkommen in unserem Forum.


    Bei einem pT1 G3 gibt es letztlich 4 Behandlungsoptionen, ich werde der Reihe nach auf alle 4 eingehen:


    1. Harnblasenentfernung:

    Aufgrund deines Alters, denke ich, dass hier eine Neoblase in Frage kommen würde. Die reine OP-Zeit beträgt ca. 6 bis 8 Stunden und du verbleibst ca. 14 - 21 Tage im Krankenhaus. Um eine Neoblase zu bauen, wird der Darm durchtrennt und ein ca. 30 cm langes Stück entnommen. Aus diesem Darmstück wird dann die neue Blase gebaut, die Harnleiter + Harnröhre angeschlossen.

    Da der Darm mit zahlreichen Nerven durchzogen ist, vergießt dieser die OP nicht ohne weiteres sondern kann auch noch Jahre nach der OP "beleidigt" sein und dich mit Durchfällen quälen. Je nachdem wie sich die Kapazität der Neoblase entwickelt, kann es passieren, dass du über jahre aller 2 Stunden auf die Toilette gehen musst (auch in der Nacht) - ebenso kann es nach der OP zu einer inkontinenz kommen, die in vielen Fällen mit einem Beckenbodentraining wieder erlangt werden kann.

    Je nach Verlauf der OP und der Anschlussheilbehandlung könntest du ca. 4 Monate nach der OP mit der Widereingliederung ins Arbeitsleben beginnen.


    2. BCG - Therapie:

    Diese Therapie ist die Standardtherapie bei einem pT1 G3 mit dem Versuch die Harnblase zu erhalten. Diese Therapie dauert 36 Monate und es werden 27 mal die BCG-Instillationen durchgeführt.

    Bei dieser Therapie werden "lebendige aber leicht abgeschwächte Tuberkulosebakterien" in die Blase gegeben, dadurch wird eine Immunreaktion ausgelößt, wodurch eine Rezidivbildung verhindert werden soll.

    Leider hat diese Therapie zum Teil extreme Nebenwirkungen. Aber dazu später mehr (sep. Beitrag).


    3. Synergo-Therapie

    Dies ist eine Therapieoption, wo Mitomycin per Microwellen in der Blase auf ca. 40 bis 42 Grad erwärmt wird - leider stellen sich hier die Krankenkassen immer öfter quer und übernehmen die Kosten dieser Therapie nicht, da in den S§ - Leitlinien zur Behandlung von Blasenkrebs die Synergotherapie nur zu Studienzwecken vorgeschlagen wird.


    4. RCT (Radio-Chemo-Therapie)

    Hier ist als Grundvoraussetzung, dass der Tumor zuvor vollständig entfernt wurde und der Tumor nicht zu nah an Harnröhre oder an einen der beiden Harnleiter saß. Hierbei bekommt man zuerst eine Chemotherapie mit mehreren Zyklen mit einer anschliessenden Strahlentherapie (Bestrahlung des Tumorgebietes).


    Dies sind die Optionen, die eigentlich auf dem Tisch liegen - die Synergo + RCT wird nicht von allen Kliniken angeboten.


    In meinem nächsten Beitrag werde ich auf die BCG-Therapie eingehen, da dies mein Fachgebiet ist.


    Gruß

    AndreasW

    22.06.2012 erste [lexicon='TUR-B'][/lexicon] apfelgrosser [lexicon='Tumor'][/lexicon] wurde soweit wie sichtbar entfernt
    03.07.2012 Tumorklassifikation:
    ICD-0: C67 M8130/21 G1 pTa pNx pMx l0 v0 Rx
    22.10.2012 zweite [lexicon='TUR-B'][/lexicon], diesmal ohne Befund
    16.12.2013 dritte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], 5 rezidive wurden entfernt. high grad (rpTa)
    24.06.2016 vierte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], ein [lexicon='rezidiv'][/lexicon] pTa G1

    „I am the master of my fate, I am the captain of my soul“

  • Die BCG-Therapie ist eine enorm anstrengende Therapie die sich über 36 Monate erstreckt und dabei ca. 27 mal lebendige Tuberkulosebakterien in die Blase gegeben werden - die dann eine "gewollte" Blasenentzündung und eine Immunreaktion auslösen. Daher nennt man diese Therapieform auch "Immuntherapie mit BCG".


    Informationen zur BCG-Therapie:


    Die BCG - Therapie ist in den meisten Fällen auch kein Spaziergang, hierbei handelt es sich im abgeschwächte aber dennoch lebendige Tuberkulosebakterien, die per Katheter in die Blase gegeben werden, dort müssen die Bakterien ca. 2 Stunden verbleiben und können dann ausgeschieden werden.

    Durch diese Bakterien kommt es in der Blase zu einer Immunreaktion, was eine Blasenentzündung auslöst. Diese Immunreaktion des Körpers soll dazu führen, dass die körperlichen Antikörper auch Krebszellen in der Blase bekämpfen und so neue Tumoren verhindern helfen.


    Therapieplan wird sich wie folgt aufteilen:

    1. eine 6 wöchige Initialtherapie mit je einer Therapie pro Woche

    2. der Erhaltungstherapie mit 3 Instillationen in wöchentlichem Abstand in den Monaten 3, 6, 12, 18, 24, 30 und 36 (gerechnet nach der letzten TUR-B). In diesem Schema werden insgesamt 27 Instillationen über einen Zeitraum von 3 Jahren verabreicht.


    Nebenwirkungen:

    Bei einer immunologischen Behandlung mit BCG kann die Harnblase in den Tagen nach der Behandlung gereizt sein. Dies kann insbesondere beim Wasserlassen zu Schmerzen (Krampfartig) führen und Harndrang verursachen. Die Patienten können auch etwas Blut im Urin und leicht erhöhte Temperatur haben und an Müdigkeit leiden.

    Weiterhin kann die Therapie grippeähnliche Symptome wie Schüttelfrost, Fieber, Muskelschmerzen, Schwäche, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall verursachen.

    All diese Nebenwirkungen betreffen Großteils die ersten 48 Stunden nach der Instillation des BCG - danach sollten sie deutlich abklingen. Der verstärkte Harndrang aber, kann noch Monate nach der Behandlung auftreten (Reiz - und Schrumpfblase).


    Hygiene:

    Am Tag und Folgetag der Instillation sollte man verstärkt auf die Hygiene achten und nicht nur nach jedem Toilettengang die Hände waschen, sondern auch desinfizieren, ebenso ist es hilfreich die Toilette selbst mit Desinfektionsspray nach jedem Toilettengang zu reinigen.

    Durch den verstärkten Harndrang sollte man ebenso darauf achten immer eine Toilette in der Nähe zu haben, aus eigener Erfahrung weiß ich, das man oftmals keine 20 Meter weit kommt, wenn man erst mal merkt das man mal "muss".

    Durch die Blutbeimengungen im Urin, der dann auch Gelleeartig sein kann, bietet es sich an am Tag der Instillation und dem Folgetag Einlagen zu tragen, sodass man sich die Unterwäsche nicht versaut.

    Diese Inkontinenzeinlagen kann der Urologe als so genanntes Hilfsmittel verschreiben, sollte dies geschehen sein, sollte man mit der Krankenkassen in Kontakt treten und sich das Sanitätshaus nennen lassen mit denen sie zusammenarbeiten. Danach dann das Sanitätshaus aufsuchen, dort findet eine Beratung statt und eine Abklärung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse.


    Nach der Instillation:

    ca. 1 1/2 Stunden nach der Instillation kann man beginnen mit trinken, das Beste sind Tee´s oder stilles Mineralwasser. Kohlensäurehaltige Getränke können die Blase zusätzlich reizen. Je mehr man trinkt, je besser wird die Blase gespült, Anhaltspunkt ist ein Liter Flüssigkeit pro Stunde das sollte man dann ca. 4 Stunden lang machen und ab dann kann weniger getrunken werden.

    Gönne deinem Mann am Tag der Instillation + dem Folgetag ruhe, auch wenn Er wahrscheinlich nach den ersten Instillationen kaum Nebenwirkungen verspüren wird, werden die Nebenwirkungen von Behandlung zu Behandlung mehr werden, teilweise kann es auch Aufgrund der Nebenwirkungen zu einem Therapieabbruch kommen.

    Ebenso muss der Arzt bei der Instillation aufpassen, dass z.B. die Harnröhre nicht verletzt wird und somit BCG in die Blutbahn kommt, denn dann kann es zu einer Bcgitis kommen (Tuberkulose).


    Sexualität während der BCG-Therapie:

    Hier empfehle ich bis ca. 6 Wochen nach der letzten Instillation einen Kondom zu nutzen, denn die BCG-Bakterien können recht lange in der Blase "überleben".


    Fachinformation-BCG


    Leßt Euch diese Fachinfo wirklich sehr gut durch - um dann auch die Nebenwirkungen einschätzen zu können. Vorallem aber sollte der Urologe über die Nebenwirkungen informiert werden (vorallem dann, wenn sie verstärkt auftreten).


    weitere Nebenwirkungen (kann bis zu 1 Behandelten von 100 betreffen)


    • Schwere systemische BCG-Reaktion/-Infektion, BCG-Sepsis (weitere Informationen finden Sie weiter unten)


    • Mangel an Zellen im Blut (Zytopenie)


    Anämie (Abnahme des Hämoglobins im Blut)


    • Reiter-Syndrom (Arthritis mit Entzündung der Haut, der Augen und der Harnwege)


    • Lungenentzündung (miliare Pneumonie) • entzündliche Reaktionen der Lunge (Lungengranulomatose)


    Leberentzündung (Hepatitis)


    • Hautabszesse


    • Hautausschlag, Entzündung der Gelenke (Arthritis), Gelenkschmerz (Arthralgie).


    In den meisten Fällen sind diese Nebenwirkungen Zeichen einer allergischen Reaktion (Überempfindlichkeitsreaktion) gegenüber BCG. In einigen Fällen kann es erforderlich sein, die Behandlung abzubrechen.


    • Harnwegsinfektion, Blut im Urin (Makrohämaturie)


    • ungewöhnlich kleine Blase (Einschränkung der Blasenkapazität), ungewöhnlich geringe Urinmengen (Harnstauung), Schrumpfblase


    • Entzündung der Hoden (Orchitis)


    • Entzündung der Nebenhoden (Epididymitis)


    • entzündliche Reaktion der Prostata (symptomatische granulomatöse Prostatitis)


    • niedriger Blutdruck (arterielle Hypotonie)


    Bitte beachte, dass bei einem pT1 es sehr häufig zu einem Therapieversagen kommen kann, BCG also nicht wie erforderlich wirkt. Daher immer im Hinterkopf behalten, dass diese BCG-Therapie "nur ein Versuch" ist, blasenerhaltend zu therapieren.



    Gruß

    AndreasW

    22.06.2012 erste [lexicon='TUR-B'][/lexicon] apfelgrosser [lexicon='Tumor'][/lexicon] wurde soweit wie sichtbar entfernt
    03.07.2012 Tumorklassifikation:
    ICD-0: C67 M8130/21 G1 pTa pNx pMx l0 v0 Rx
    22.10.2012 zweite [lexicon='TUR-B'][/lexicon], diesmal ohne Befund
    16.12.2013 dritte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], 5 rezidive wurden entfernt. high grad (rpTa)
    24.06.2016 vierte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], ein [lexicon='rezidiv'][/lexicon] pTa G1

    „I am the master of my fate, I am the captain of my soul“

  • Vielen Dank für die ausführlichen Antworten! Jetzt sehe ich schon etwas klarer :)


    viele Grüße

    Jürgen

    2018 April: Blasenkrebs pT1 G3

    2017 April: Hodenkrebs rechts, danach Chemo mit Carboplatin

    2003: Fistel zw. Blase und Dünndarm entfernt

    2001: Hodenkrebs links, danach Bestrahlung

  • Moin Tagträumer


    Zu Deiner Frage wegen den Job:


    Fred stieg nach 8 Monaten (nach OP, AHB und Chemo) wieder in sein Rennoverall und fuhr Rallyes :)


    Er hatte ein Stoma und machte alles damit, was er vorher auch gemacht hat.


    Liebe Grüsse

    Tatjana

  • Hallo Jürgen!

    Ich erkrankte 2016/2017 an pT1/G3, mit bisher 4- maliger TURB, mit einer Mito-Instillation nach der 3.TURB.

    Behandlungskonsequenz nach der letzten TURB: Kontrolle im Abstand von 3 Monaten. D.h. derzeit bin ich ohne
    Befund und hoffe, daß das möglichst lange so bleibt.

    Neben den von Andreas aufgezeigten 4 Möglichkeiten gibt es also diese "weiche Variante", wobei ich allerdings eingestehe, daß möglicherweise mein hohes Alter für den Verzicht auf BCG oder Synergo von den Ärzten - allerdings unausgesprochen - für richtiger gehalten wurde.

    An Deiner Stelle würde ich zunächst mal das Ergebnis der pathologischen Histologie nach Deiner 1.TURB abwarten und das weitere Vorgehen davon abhängig machen.

    Evtl. musst Du früher oder später die Entscheidung treffen: entweder den langen schmerzvollen Weg mit einer Vielzahl von TURB's plus Chemo mit möglichem, aber ungewissem Blasenerhalt zu gehen, oder aber in Anbetracht Deines relativ jugendlichen Alters die radikale Lösung einer Neoblase o.ä. zu ergreifen.

    Der Kontakt zu diesem Forum und zu Deinen Ärzten wird Dir bei dieser Entscheidung sehr hilfreich sein.


    Alles Gute

    arolo

    Historie: 19.12.2016 - Makrohämaturie - 6.1.2017 1.TURB Befund: pTa/pT1 G3 high risk -

    24.2.2017 2.TURB - Befund: oB, Urothel ohne Dyplasie - 6.6.2017 Kontrolle: oB -

    21.12.17 Kontrolle: Rezidivbildung - 30.1.2018 3.TURB - Frühinstillation Mitomycin - Pathol.Befund: Papilläres Urothelkarzinom fokal mit Infiltration des subepithelialen Bindegewebes(pT1.G3).

    20.3.2018 4.TURB - Resektion Vorderwand i.Übergang zu re.Seitenwand. - Pocedere: urolog.Kontrolle.

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