Neoblase nach pT2 G3 - jetzt Lymphknotenmetastasen

  • Mein Mann, 60 Jahre hat gestern eine Neoblase bekommen nachdem vor 4 Wochen unsere heile Welt zusammengestürzt ist. Blasendivertikel mit riesigem Krebstumor. Seitdem kreist die Angst. Wie wird unser Leben werden, hat der Krebs gestreut und wie wird mein Mann das psychisch verkraften. Ich habe schon viele Beiträge gelesen und Antworten aus den vielen Berichten gefunden aber er will davon nicht recht was wissen. Ich bin unsicher, da ich die Sorge habe, das er sich aufgibt und nicht kämpfen mag, da das alles doch schon ganz schön erschreckend ist wenn man so liest was da alles kommen kann. Ich wünschte ich könnte da helfen. Habt ihr einen Rat oder ist es besser, ich halte mich zurück? Aber da gibt es ja schon vieles was man direkt schon am Anfang falsch machen kann. So haben sie ihm heute direkt schon am zweiten Abend Abführmittel gegeben und ich hatte bei einem eurer Mitglieder dazu schon was Kritisches gelesen. Ich finde eure Erfahrungsberichte eben sehr hilfreich aber mein Mann will davon so recht nix wissens und glaubt die Ärzte machen das schon🙈ich wünschte ich könnte mehr helfen!

  • Hallo Blasini,


    ertmal herzlich Willkomen im Forum. Als erstes solltest du mit deinem Mann umgehen, wie vorher auch. Das gröbste, die Blasen-OP habt ihr hinter euch. Wenn er auf die Kunst der Ärzte vertaut, heisst noch lange nicht, das er sich aufgibt, wie du vermutest. Was besseres kann er gar nicht tun. Das habe ich auch gemacht und bin sehr gut damit gefahren. Klar ist es eine schreckliche Geschichte, wenn man von heute auf morgen erfährt, dass man Krebs hat. Aber wie schon gesagt, das gröbste habt ihr hinter euch. Dein Mann liegt jetzt noch für ca. 14 Tage im Krhs. Anschließend geht er für 3 Wochen zur Anschlussheilbehandlung (AHB, manche sagen auch Reha dazu) Was jetzt erforderlich wäre, um dir wirklich helfen zu können, wäre Befund der Pathologie, was wohl noch einige Tage nach der OP dauern wird, bis der da ist. Aber vielleicht hast du ja auch schon einen Befund der Voruntersuchung. Es gibt hier einige, die da genau rauslesen können, wie es bei deinem Mann aussieht. Lass den Kopf nicht hängen und mach dich nicht verrückt, damit hilfst du aktuell deinem Mann am meisten.

  • Liebe Blasini,


    ein riesiger Tumor in der Blase, sagt erstmal wirklich garnichts aus - ich selbst hatte einen Tumor in der Blase der auch von meinem damaligen Urologen als "riesig" bezeichnet wurde und sich letztlich als Apfelgroß heraus stellte - bei der anschliessenden TUR-B konnte er vollständig entfernt werden und war nur oberflächlich gewachsen.

    Von daher ist die Tumorgröße in der Blase wirklich kein Kriterium zur Beurteilung.


    Unsere Harnblase ist in mehreren Schichten aufgebaut, daher unterscheidet man bei einem Tumor in der Blase nach einem oberflächlich und einem bereits muskelinvasiv wachsenden Tumor. Damit du es Dir auch bildlich etwas besser vorstellen kannst hier eine Graphik:


    Tumorstadien.jpgoberflächliche Tumoren sind:

    pTa ; pT1 und die sonderform CIS


    zu den bereits muskelinvasiv wachsenden Tumoren zählen:

    pT2a bis pT4b


    Nachfolgend gibt es noch das Grading, dies wird angegeben mit G1 / G2 oder G3 bzw. nur in low oder high risk.

    Dieses Grading, gibt an, wie stark die Tumorzellen sich von den orginalzellen unterscheiden.

    sind die Tumorzellen noch recht gut mit den Orginalzellen vergleichbar werden sie als G1 oder als low risk eingestuft.


    Sind die Tumorzellen kaum noch mit dem Orginal vergleichbar, so bezeichnet man sie als G3 bzw. high risk.


    Warum ist der histologische Befund nun so wichtig:


    Neben den bereit oben erwähnten Tumorstadium (pTx) und dem Grading gibt der histologische Befund noch weitere Details preis.

    So wurden bei der OP auch Lymphknoten entnommen, die Anzahl der entnommen Lymphknoten wird ebenso in der Histologie auftauchen, wie auch die Anzahl möglicher befallener bzw. tumorfreier Lymphknoten.



    Wichtiger sind aber zwei andere Bezeichnungen:


    1. das V - das V in der Histologie steht für Veneninvasion, gibt also den Status wieder, ob der Tumor bei seinem Wachstum Anschluss an eine Vene gefunden hat, nach dem V können V0 (keine Veneninvasion) ; V1 (Veneninvasion mikroskopisch nachweisbar) und V2 Veneninvasion makroskopisch erkennbar.


    2. das L - dies steht in der Histologie dafür, ob ein Tumor schon Anschluss an das Lymphsystem gefunden hat. L0 steht für keine Lymphgefäßinvasion, L1 für mikroskopisch nachweisbar und das L2 für makroskopisch erkennbar.


    Erst wenn wir die genaue Histologie kennen, können wir genaueres zu einer möglichen Weiterbehandlung deines Mannes sagen.


    Nun zur Neoblase:

    Hier verändern sich mehrere Bereiche im Leben.

    Zum einen, wird es eine Weile dauern bis er wieder Kontinent sein wird, deshalb ist eine AHB (Anschluss Heil Behandlung) wichtig, dort wird ihm beigebracht, wie er sein Beckenboden trainieren kann um die inkontinenz zu besiegen. Dies gelingt oft, aber auch hier besteht eben das Risiko, dass er dauerhaft von inkontinenz betroffen ist.

    Sexualität:

    Durch die OP wurden auch Samenblase + Prostata usw. mit entfernt - dadurch ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, das es Erektionsprobleme geben wird - oftmals von dauer.


    Das sind aber auch nur Beispiele, die zu erwarten sind. Dennoch ist das Leben mit einer Neoblase lebenswert - man(n) muss sich zwar umstellen, aber nach und nach gewinnt man wieder Lebensqualität und nach einer gewissen Zeit kann man fast alles, was man vorher auch tun konnte.


    Wichtig ist im Moment, dass du für Ihn da bist und ihn nicht beträngst, wenn er reden will, so wird er dies tun - ihn zu zwingen, wird nicht helfen. Ich denke, dass er sich nach der AHB öffnen kann - denn dann hat er Kontakt mit anderen "Neoblasen".


    Gruß

    AndreasW

    22.06.2012 erste [lexicon='TUR-B'][/lexicon] apfelgrosser [lexicon='Tumor'][/lexicon] wurde soweit wie sichtbar entfernt
    03.07.2012 Tumorklassifikation:
    ICD-0: C67 M8130/21 G1 pTa pNx pMx l0 v0 Rx
    22.10.2012 zweite [lexicon='TUR-B'][/lexicon], diesmal ohne Befund
    16.12.2013 dritte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], 5 rezidive wurden entfernt. high grad (rpTa)
    24.06.2016 vierte [lexicon='TUR-B'][/lexicon], ein [lexicon='rezidiv'][/lexicon] pTa G1

    „I am the master of my fate, I am the captain of my soul“

  • Ich möchte mich auch wirklich bedanken für eure Reaktionen und auch für deine ausführliche Darstellung Andreas.Es hilft mir enorm, was man bei euch alles Lesen kann!

    Gestern war seit langem ein wirklich guter Tag, da wir die Nachricht bekamen, dass mit der OP aller Krebs beseitigt werden konnte und auch die entnommen Lymphknoten nicht befallen waren. Aufwind für meinen Mann, der jetzt gerade 4 Tage nach der großen OP extrem mit seinem Darm und seinem Magen kämpfen muss. Trotzdem ist da Licht am Horizont. Er sagte die letzten zwei Tage waren für ihn das Schlimmste, was er jemals durchzustehen hatte. Er sah auch dementsprechend aus. Wird das wieder so schlimm wenn die Neoblase ihren „ Betrieb“ aufnehmen muss? Wenn die AHB nicht direkt anschliesst, kann er sich dann zuhause selbst versorgen?? Ich habe keinen Plan, wie sich unser Leben demnächst darstellt. Wenn die AHB durch ist, kann er dann wieder Arbeiten? Er ist Kopfarbeiter- hat aber einen Fahrtweg von 1Std.? Wer berät einen bei den Anträgen für Schwerbehinderung. Arbeitsfähigkeit, etc... die Ärzte ja wohl weniger, für die scheint der Job ja jetzt schon erledigt. Die reden von späteren CTs und sowas ...

    und dann für meinen Mann die weltwichtigste Frage: Wird er wieder Rudern können??

    Liebe Grüße und danke für eure Kommentare🌺

  • Liebe Blasini,


    ein herzliches Willkommen auch noch von mir :)

    Ich habe seit fast einem Jahr eine ganz liebenswerte und funktionierende Neoblase. Allerdings hatte ich wohl sehr sehr viel Glück und mir ist sehr viel erspart geblieben, sagen meine geschätzten Ooerateure. So auch die leidigen Darmprobleme usw....


    Bei Deinem Mann muss jetzt erstmal alles heilen und der Darm zuverlässig in Gang kommen. Nach und nach verschwinden die Schläuche.

    Wenn die Nierenschienen gezogen werden kann, nicht muss, es ein wenig Fieber geben. Aber nicht schlimm und mit Antibiotika und viel trinken gut in den Griff zu kriegen. Vermuteter Grund: durch das Ziegen entsteht ein Mini-Loch in der Blase, also da, wo die Schiene=Schlauch saß. Durch den austretenden Urin gibt es bissel Temperatur, der Körper wehrt sich.

    Vor „in-Betriebnahme“ muss natürlich TÜV sein :) Also ein erfolgreicher Dichtigketstest. In der Regel wird Kontrastmittel in die Neoblase gegeben und dann geröntgt.

    Wenn das alles erfolgreich war, wird’s spannend: was passiert nach Katheter ziehen. Meistens die Katastrophe, es läuft einfach raus. Kannste nix machen. Und dann fängt das vorsichtige Üben und Ausprobieren an. Wie kann ich den Urin bewusst halten, wann und wie leeren, merke ich wenn die Blase voll ist (normalerweise nicht! Daher unbedingt nach der Uhr gehen!!!), usw.


    Also spannend wird’s, aber eben nicht mehr so was Schlimmes wie Dein Mann nach der OP berichtete.


    Nach der OP ist man natürlich alles andere als fit und stark. Selbst versorgen geht in aller Regel, aber bitte bitte viel ausruhen und nix schweres heben! Die AHB stellt ihn dann wieder richtig auf die Beine!


    Soweit in Kürze, da unterwegs. Ihr werdet von den Ärzten auch noch richtige Anleitungen, Anweisungen und Tips bekommen. Ansonsten fragtvalles was ihr wissen wollt, wir versuchen zu antworten :)


    Deinem Mann gute Besserung, viel Geduld, eine ganz liebe und funktionierende Neoblase und Euch beiden ganz liebe Grüße vom Mandelauge

    Nach pT2b pN0 pL0 pV0 R0 (lokal) G3, glückliche und stolze Besitzerin einer Neoblase nach Hautmann, perfekt gebaut von Prof. Magheli in Berlin

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