jojo hat sich endlich getraut.......

  • Habe mir lange überlegt ob ich im Internet über meine Erkrankung schreiben soll, aber jetzt, nach zwei Jahren und ich aus dem "Gröbsten raus" bin, und viele liebe und nette Menschen mir geholfen haben, habe ich mich entschlossen mich euch vorzustellen.


    Wie fing alles an?


    Mai 2016. Ich war gerade 55 Jahre alt geworden und wie bei vielen von uns, trat ein typisches Symptom für dieses Krankheit in mein Leben, ich hatte plötzlich Blut im Urin. Keine Schmerzen und nichts, einfach nur "Pippi war rot".


    Ging also zum Hausarzt, der hat mich untersucht, vorsichtshalber Antibiotika verschrieben und ein Labor angeordnet. Labor war unauffällig,.


    Überweisung zum Urologen, nächster freier Termin war erst in 14 Tagen, aber da kein Blut mehr im Urin aufgetreten ist und ich grundsätzlich im Leben nicht vom schlimmsten ausgehe war ich erst einmal beruhigt. Eine Woche später der Schock, wollte nachmittags in einem Fast-Food Restaurant urinieren gehen, und plötzlich habe ich fast reines Blut uriniert!!!! Das Urinal sah aus als wenn ich einen Schimpansen skalpiert hätte.


    Stand so unter Schock, dass ich weiß wie die Wand wurde und ein Rettungswagen wurde geholt. Ab ins Krankenhaus, Notaufnahme.


    Dort wurde ich erstmal aufgenommen, katheterisiert und weitere Untersuchungen fanden statt.


    Ultraschall ergab das ich einen ca. 2cm großen Tumor in der Blasenwand hatte. Dieser wurde per Zystoskopie entfernt und ich bekam folgende histologische Diagnose: mindestend pT2a, G2. Das Blut kam deshalb zu Stande weil zusätzlich ein Blasenstein vorhanden war.


    Chefarzt zeigte mir folgende Optionen auf: Eine Neoblase oder Pouch oder (alternativ) die weniger radikale Methode der lokalen Chemo und ggfs. immer wieder ein Nachschneiden mittels Zystoskopie.


    Ich entschied mich für die erste Option, und wollte am liebsten eine Neoblase, das würde aber nur vorgenommen wenn der Harnleiter krebsfrei ist.


    Die radikale Zystektomie fand dann drei Wochen später statt, auch wenn es keiner glauben mag und es kaum auszusprechen ist, meinem Privatpatientenstatus sei Dank.


    Bekam dann eine Neoblase, das Ergebnis der Histologie der großen OP ergab: pT2a + pTis sowie Prostatakarzinom, ebenfalls pT2a, Lymphknoten waren krebsfrei.


    Es sollte dann ein zweiwöchiger Krankenhausaufenthalt werden, aus dem aber fünf Wochen wurden, weil ich andauern hohes Fieber bekam und einmal sogar deshalb wieder auf Intensiv musste. Hatte andauernd heftige Harnwegsinfektionen bekommen.


    Im Anschluss an das Krankenhaus ging es unmittelbar nach Bad Wildungen zur AHB. Das war unheimlich wichtig, habe nette Menschen kennengelernt und mit ein paar Leidensgenossen treffe ich mich noch heute, zwei Jahre später.


    Das was bei mir nicht ganz erwartungsgemäß läuft ist, dass ich zweimal in den zwei Jahren nach der OP wieder Blut im Urin hatte, aber dieses Symptom jedesmal aufgrund einer Harnwegsinfektion aufgetreten ist. Nehme auf ärztlichen Rat Urotablinen, ansonsten läuft aber alles erwartungsgemäß. Alle vier Stagings (jedes halbe Jahr) zeigten krebsfrei an, und das freut mich soooooo sehr.


    Dennoch, die OP war eine Zäsur in meinem Leben.


    Hatte bis zu diesem Zeitpunkt viel Zeit für die Arbeit und den beruflichen Erfolg ver(sch)wendet und mir wurde plötzlich klar, das sich in meinem Leben etwas ändern musste. Mir wurde von ärztlicher Seite ungeschönt gesagt, dass die statistische Überlebenswahrscheinlichkeit bei meiner Diagnose für die kommenden fünf Jahre bei 50-60% liegt.


    Also ich habe ich entschieden, dass sich etwas ändern musste. Meine Frau und ich haben uns entschieden, mehr Zeit gemeinsam zu verbringen und umzuziehen. An einen Ort wo wir schon immer hin wollten, aber es immer auf meinen Ruhestand geschoben haben. So, und der sollte jetzt kommen.


    Habe mit der Unternehmensleitung im Sommer 2017 gesprochen, und wir haben eine Aufhebungsvereinbarung bezüglich meines Dienstverhältnisses getroffen. Anfang dieses Jahres habe ich zudem die gesetzliche Erwerbsminderungsrente beantragt, die auch Grundlage für meine Betriensrentenansprüche ist.


    Gestern bekam ich meinen Rentenbescheid für die volle Erwerbsminderungsrente. Die volle Erwerbsminderungsrente bekam ich übrigens nicht (nur) wegen meiner Krebserkrankung, sondern auch wegen einer Erkrankung wegen der ich seit 2004 schon mit einem GdB von 60 schwerbehindert war. Jetzt bin ich mit einem GdB von 100 schwerbehindert.


    Ich bin alles in allem so dankbar. Das ich die Kraft hatte, aus einfachen Verhältnissen stammend, mit 16 Jahren eine Ausbildung zu beginnen, die mir wirklich Spass gemacht hatte, eine Meisterausbildung und ein Studium neben der Arbeit im Abendstudium zu absolvieren, für die vielen erfüllenden Jahre die ich arbeiten konnte aber am meisten bedanke ich mich für den Blasenstein, der für das Blut in meinem Urin gesorgt hatte, und mir letztendlich mein Leben gerettet hat.


    Ich freue mich auf die kommende Zeit, auf den Umzug, neue Ziele und Pläne, und die Zeit die meine Frau und ich gemeinsam genießen dürfen.


    Ich Grüße euch ganz herzlich

    Jürgen

  • Vielen lieben Dank, Jürgen,


    dass du uns teilhaben lässt an deinem Blasenkrebs-Werdegang.

    Ich freue mich immer, wenn jemand seine gemachten Erfahrungen mitteilt; vor allem, wodurch es zur Diagnosestellung kam und wie der Verlauf ist.

    Jedes einzelne Schicksal ist erzählenswert und mag anderen Betroffenen helfen, Entscheidungen für seine eigene Erkrankungssituation zu treffen.


    Wow! Ein Abendstudium neben einer Vollzeit-Berufstätigkeit – das ist wahrlich eine Leistung, auf die du stolz sein kannst!


    Für die Zukunft wünsch ich dir und deiner Frau viel Freude im Leben - und natürlich allseits gute Gesundheit.

    Melora

    pT1 G3 (09/2014) bezieht sich auf meinen Mann.|Nachresektion mit Mapping 11/2014 unter Hexvix: R0|02+05+08+11/2015+2016, 05+11/2017+2018+05/2019 Zystoskopie+Urinzytologie: keine Auffälligkeit

  • Lieber Jürgen,


    ein toller Bericht, auch mein Lebenslauf ist ähnlich Deinem, habe mich auch durch Arbeit und Weiterbildung hochgearbeitet. Hatte meine Zystektomie im Oktober 2010 (PT1m G3, BCG-Versager), bin jetzt 65 Jahre alt. Ich gehe allerdings vierteljährlich seit 8Jahren zur Nachsorge, denke nach 2Jahren ist halbjährlich zu lang. Wünsche Dir weiterhin alles gute.


    LG Xaver

  • Lieber Jürgen,


    Dein Werdegang gleicht dem meines Mannes. Auch er machte Abendschule und Studium neben seiner Berufstätigkeit. Ich habe großen Respekt davor, dass man in jungen Jahren so etwas durchzieht.


    Ich wünsche Dir und Deiner Frau noch viele schöne Jahre. Ihr habt eine gute Entscheidung getroffen.


    Herzliche Grüße

    KarLa

  • Ja, das ist ja mal eine Vorstellung, erlebt man selten hier im Forum.


    Jürgen ! vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht.


    Gruß aus Aachen, Rainer

  • Danke für die liebe Begrüßung euch allen. :)


    Eine Frage habe ich jetzt noch, weil mich die Aussage von Xaver etwas beunruhigt:


    Wenn ich sage, jedes halbe Jahr war ich um "Staging", damit meine ich jedes halbe Jahr gehe ich zum CT mit Kontrastmittel. Ich sage dazu immer, der große TÜV. ;)


    Alle drei Monate wird Blut, Blutgase, Urin und Ultraschall durchgeführt.


    Xaver, machst Du alle 3 Monate ein CT bzw. MRT?


    Ich bin deshalb so beunruhigt, weil der Radiologe und mein Uruloge mir gesagt haben, dass ich alle drei Monate zum Ultraschall und Labor kommen soll, und jetzt nach zwei Jahren ohne weiteren Befund, soll in meinem Fall nur noch einmal jährlich ein CT gemacht werden.


    Viele Grüße

    Jürgen

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