Bei meinem Vater hat BCG versagt, es folgt die radikale zystektomie - Wie, Was jetzt entscheiden?

  • Liebe Mitglieder,


    Erst mal ein herzliches Willkommen von meiner Seite.


    Ich bin froh, dass ich euch gefunden habe und lese mich schon seit Tagen durch eure Beiträge, um so schnell soviel Informationen wie möglich zu bekommen.


    In Kürze: Bei meinem Vater (73 Jahre alt, Witwer, arbeitet immer noch, auch ansonsten hochaktiv) wurde Ende 2017 ein Karzinom in der Blase festgestellt und gleich im Januar herausoperiert. Danach folgt BCG, regelmässige Kontrollen, Überwachung, ein erneutes Karzinom kam trotzdem im letzten Sommer, das auch heraus operiert wurde.


    Vor vier Wochen wurde nun eine Wucherung an der Niere festgestellt, die sofort operiert wurde. Im Zuge dessen dann auch die neuen Tumorzellen in der Blase entdeckt.

    Der nachgewachsene, bösartige Tumor hat noch nicht die Muskelwände der Blase befallen, aber die radikale Zystekomie ist nun zum sofortigen Eindämmen und Schutz unvermeidbar.


    So kann ich das am besten als Laie wiedergeben. Die Details könnt ihr den Befund entnehmen, sobald ich verstanden habe, wie ich die Bilder hier hochlade.


    Da letztes Jahr bei einer "Routine" - Bypass Operation unsere Mutter verstorben ist ("macht euch keine Sorgen, das ist ein ganz üblicher Routineeingriff") sind wir Kinder (drei Schwestern) diesmal hochalamiert und wollen den Papa so gut es geht mit Rat und Tat beistehen.


    Es ist klar, dass es zu dieser Operation kommt, jedoch haben wir im Moment drei Arztmeinungen, daher wende ich mich an euch.


    Die Hauptfragen: Neoblase oder Stoma? Chemo ja oder Nein?


    Ein Arzt rät meinem Vater die Neoblase ("Sie sind total fit, haben keine Nebenerkrankungen, das packen sie leicht") In Kombination mit einer Chemotheraphie (welche 10-20% hilfreich sein soll, falls es zu einer Streuung gekommen sein sollte)


    Ein zweiter Arzt rät meinem Vater das Stoma ohne Chemotheraphie ("Sie sind 73 Jahre alt, tun sie sich das beides nicht an. Die Conduit Methode ist in jedem Fall unaufwändiger für ihr ganzes System, OP Zeit kürzer, Sie sind viel schneller wieder im Leben und haben die nächsten zehn Jahre Ihre Ruhe - im Gegensatz zum Risikokatalog und der Genesungsanstrenung mit der Neoblase). Dieser Arzt rät meinem Vater auch von der Chemotheraphie ab, weil die radikale Zystektomie so frühzeitig (nach Entdeckung) erfolgen würde, das eine Streuung sehr unwahrscheinlich ist. Er sagt, sollte man feststellen, dass doch etwas zurückgeblieben ist, kann man immer noch damit anfangen.


    Nun der dritte Arzt sagt, Neoblase oder Stoma egal, in jedem Fall die Chemotheraphie machen.


    Wahrscheinlich gehen aus meiner Schilderung, die nun folgenden Fragen schon hervor.


    Mein Vater ist, wie schon erwähnt hochaktiv. Er wandert, schwimmt im Sommer täglich (dabei springt er - bis heute - am liebsten richtig ins Wasser, wie ein kleiner Junge), geht in die Oper, auf Konzerte, tobt mit seinen Enkeln.


    Er hat Angst, dass das Stoma ihn in allen sehr einschränken wird und er sich dann quasi wie ein Pflegefall fühlt (besonders das schwimmen und ins Wasser springen)

    Er hat auch Angst vor dem "Stigma", des Stomas das ihn ab jetzt immer begleiten soll. Dabei auch Sorge, dass er damit wahrscheinlich keine neue Lebensabschnittspartnerin mehr finden wird, nachdem unsere Mutter letztes Jahr von uns gegangen ist und er doch so gerne mit jemanden etwas unternimmt.


    Aber die Neoblase, mit all den Risiken (Risiko sich als Mann den Rest des Lebens katheterisieren müsste) und dem Risiko zur Inkontinenz (ihr kennt den Katalog ja selbst) ist ihm auch nicht geheuer.


    Genau aus den Argumenten des zweiten Arztes: Man "erkämpft" sich im besten Fall die Neoblase über 6-9 Monate, aber auch wenn alles maximal gut läuft, baut auf der anderen Seite trotzdem der Körper (wegen dem Altern) ab. Der Papa sagt, wenn er jetzt 10-15 Jahre jünger wäre, würde er sich natürlich für die Neoblase entscheiden, mit 73 erscheint es ihm jedoch wenig sinnvoll, sich das anztun.


    Ich möchte ihn einfach so gut wie möglich beraten. Ich bin sicher, dass er als Kämpfer und ansonsten gesunder und fitter Mann, das mit der Neoblase schaffen kann (wie es Arzt 1 ihm auch rät), auf der anderen Seite, weiß ich auch, dass ihm seine Selbstständigkeit und Aktivität am allerwichtigesten ist. Deshalb tendiere ich nach Allem was ich bisher lese auch dazu, ihm das Stoma nahezulegen, weil er damit sicher alleine zurechtkommen würde.


    Aber ich habe jetzt nur schnell angelesenes Wissen und ein Bauchgefühl. Ihr habt die Erfahrung.


    Deshalb würde ich mich wahnsinnig darüber freuen, wenn ihr mir davon berichten könntet und damit helfen würdet, schnell Klarheit zu finden.


    Die zweite Frage: Chemotheraphie Ja oder Nein?


    Ich danke euch schon jetzt für eure Zeit und Ratschläge.


    Liebe Grüße


    LBefund_Teil4.jpgBefund_Teil3.jpgBefund_Teil1.jpgBEfund_Teil2.jpgBefund_Teil5.jpg

  • Hallo Lea, ( leah_eschenbach )

    sorry für die verspätete Meldung, ich mußte mich erst einmal einlesen.

    Das die Blase nun raus muss ist nun mal Fakt, da führt kein Weg daran vorbei. Was mir etwas Probleme bereitet ist die linke Niere, Zysten und massive Erweiterung des linken Nierenbeckenkelchsystems sowie des linken Harnleiters. Hier wird man wohl erst bei der Zystektomie, der OP also, feststellen was da wirklich los ist. Nicht das sich schon Tumorzellen im Harnleiter (mit dem gleichem Urothel ausgekleidet wie die Blase) befinden.

    Nun zur Neoblase und Stoma.

    Der Papa sagt, wenn er jetzt 10-15 Jahre jünger wäre, würde er sich natürlich für die Neoblase entscheiden, mit 73 erscheint es ihm jedoch wenig sinnvoll, sich das anztun.

    Genau dieser Meinung bin ich auch. Gerade älteren Menschen fällt es wirklich schwerer mit einer Neoblase kontinent zu werde, da ist er mit einem Stoma wirklich besser beraten.

    Er hat eine kürzere OP Zeit (3-4 Stunden) , ist danach sofort kontinent, kann nachts durchschlafen und nach einer gewissen Abheilungsphase kann er alles das machen was er vorher auch gemacht hat, auch ins Wasser springen, in Konzerte und auf Reisen gehen, es geht eigentlich alles.


    Selbstverständlich ist auch ein Stoma mit gewissen Umstellungen und angepasster Lebensweise verbunden. Er muß ja nicht gleich vom 5 Meter Brett springen.

    Die Frage ob Chemo oder nicht ist schwer zu beantworten, "Kein eindeutiger Nachweis" bedeutet eben Nicht eindeutig, kann oder kann nicht. Ich würde die Chemo davon abhängig machen wie sich dein Vater 14 Tage, 3 Woche nach der OP fühlt. Eine verkürzte Vorsorgechemo (4 Zyklen) könnte man dann ins Auge fassen. Sicher ist sicher, dann hat man alles getan was möglich ist.


    Lea, mehr fällt mir dazu nicht ein, ich wünsche deinem Vater eine gute gelungene OP und die richtige Entscheidung.

    Gruß Rainer

  • Liebe Lea,

    herzlich willkommen auch von mir, wenn der Anlass auch bescheiden ist ...

    Rainer hat das meiste schon geschrieben . Eine Ergänzung von mir: dein Vater hatte bereits vor Jahren ein CIS in der prostatischen Harnröhre - das ist normalerweise ein Ausschlusskriterium für die Neoblase. Das CIS ist kreuzgefährlich - immer G3 und versteckt sich heimtückisch im Urothel. Es scheint wirklich sicherer, das Stoma zu wählen. Unsere Stomaträger melden sich bestimmt noch - viele sind sehr aktiv, gehen schwimmen, fahren Rad, betreuen Enkelkinder ... Wichtig ist, eine gute und passende Versorgung zu finden, das Händling zu lernen - dann hat er auch wieder eine gute Lebensqualität.

    Ich wünsche euch ein gutes Gespräch mit dem Operateur, bei dem der Papa Vertrauen bekommt .... lieben Gruß von Barbara

    Berliner (netzgestützte) Neoblase seit 4.9.2015 wegen BCG resistentem CIS, entdeckt 2014 durch NMP22 (IGEL beim Gyn)

    "Alles hat einen Zweck, selbst wenn es uns nur an das erinnert, was wir nicht tun sollten." Catherine Ryan Hyde

  • Hi Lea,

    hier meldet sich das erste "Beuteltier" zu Wort. Ja, ich habe mich mit damals 63 bewusst für ein Urostoma entschieden.

    Gründe:

    - kurze OP-Zeit,

    - kein Training bzgl. Kontinenz (gibts ja nicht mehr),

    - sofortiges stressfreies Handling,

    - nachts kein Wecker um Blase zu entleeren, d.h. durchschlafen bis zum Morgen,

    - jederzeit Möglichkeit den Beutel zu entleeren,

    - kaum Beeinträchtigung des "normalen" Lebens,

    - selbstständiges Handling auch in fortgeschrittenem Alter.

    Seit 6 Jahren mit Beutel - nach Frustration in der ersten Zeit (mal Leckagen) - geht es mir mit dem Beutel wunderbar.

    Ich fahre Rad, ich fahre (fliege) in den Urlaub, ich gehe schwimmen, ich saufe am Stammtisch mein Bier (und bin beim Pinkeln immer der schnellste :)).

    Kurzum: Für mich die richtige Entscheidung.

    (Am Wochenende fliege ich wieder für einen Finca-Urlaub nach Malle).

    Die richtige Entscheidung wünscht Euch

    Harald

    Zystektomie 05/2013 pT3a pN0 (0/25) G3 R0 L1 V0 mit Anlage Ileum-conduit. 09/2013 Einlage beidseits Schienen. Rezidiv 01/2014. 3 Zyklen Chemo. Seither rechts Schiene

  • Hallo ihr Lieben!


    Erstmal vielen Dank für die schnellen hilfreichen und genauen Ratschläge und Einschätzungen.

    Ihr seid großartig.


    Das frage ich mich gerade auch, wann war das mit dem CIS in der Harnröhre ? wie ist man da vorgegangen ? etwa mit BCG ?

    Gruss

    Das werde ich den Papa morgen bei unserem täglichen Telefonat fragen und gebe dann Bescheid.



    Ich nehme an, was die Chemotheraphiefrage angeht, denken alle ähnlich: "Lieber alles getan haben, als sich später fragen: hätte ich doch..."
    Das leuchtet mir so betrachtet auch völlig ein. Natürlich habe ich beim Wort Chemo sofort die schlimmsten Bilder im Kopf... abgemagerter Vater, ohne Haare unds so weiter.

    Aber wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es da ja auch Abstufungen in so einer Theraphie.


    Ist das Thema "Partnerschaft und Intimität finden" mit Stoma ein Tabu oder kann ich hier auch nochmal nachhacken welche Erfahrungen es gibt.

    (Mir geht es jetzt nicht um Details, Details - nur eine ungefähre Richtung)


    Es tut mir so leid und weh, dass er die Mama jetzt nicht an der Seite hat... mit ihr zusammen hätte er das sicher viel leichter und angstfreier gemanaged.


    Aber it is what it is.


    Und ihr macht Mut. Danke.

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