Abweichende Aussagen über Risikoeinschätzung und notwendige lokale Chemotherapie

  • Hallo,


    ich bin Blasenkrebspatient. Die erste TUR-B hatte ich am 16.12.09, hier wurde ein Tumor entfernt mit der Klassifikation pTA low grade. Die erste Kontroll-Spiegelung nach 3 Monaten war ohne Befund, die zweite nach 6 Monaten auch ohne Befund. 5 Wochen nach der 2. Kontrolle ergab eine weiter Spiegelung meines Urologen, dass 2 Rezidive vorhanden sind.
    Die TUR-B in er vergangenen Woche ergab, dass insgesamt 4 Rezidive vorlagen, die Klassifikation diesmal wieder pTa low grade. Es wurde eine Fühinstallation bei meiner 2. OP durchgeführt. Bei der ersten OP nicht, da ich eine Blasenperforation hatte.


    Ich bin im Moment über die Prognosen und Weiterbehandlungsvorschläge einerseits der Ärzte in der Klinik und andererseit meines Urologen sehr verwirrt und hilflos.


    Meine Urologien empfiehlt mir keine Behandlung durch lokale Chemotherapie mit Mitomycin durchzuführen. Begründung: der Tumor ist relativ "harmlos" und die Risiken (Blasenentzündung, Harnleiterverengung) seien nicht zu vernachlässigen.


    In der Klinik gab man mir die Empfehlung eine Metaphylaxe(?), gemeint ist wohl die lokale Chemotherapie durchzuführen, ebenso ein Mapping und nach 3-6 Monaten eine Resektion. Begründung:
    aufgrund der insgesamt 4 Rezidive habe ich ein hohes Rezidivrisiko und ebenfalls hohes Risiko der Verschlechterung des bisher relativ "harmlosen" Tumors.


    Eine weitere Artzmeinung, die ich einholte besagt, lokale Chemotherapie und zwar einmal pro Monat für 12 Monate.


    Das mir vorliegende Merkheft für Mitomycin-Patienten beschreibt ein Behandlungsschema: Initialtherapie 8 Instillationen wöchentlich, danach Instillation in monatlichem Abstand.


    Ich bin emotional und psychisch völlig daneben und es fällt mir schwer, die abweichenden Therapievorschläge und Risikoeinschätzungen der Ärzte sachlich zu bewerten. Mit anderen Worten ich verliere den "Boden unter den Füßen". Ich verliere das Vertrauen zu meinem Urologen, da ich glaube, dass bei den Spiegelungen nicht alles gesehen wird, habe aber auch keine alternative im Moment.


    Grundsätzlich liegt mir der Gedanke der Mitomycin-Behandlung näher als dies nicht durchzuführen. Für Meinungen zur Frage Mitomycin ja/nein, wann und wie oft bin ich dankbar. Auch die Meinung im Forum zu der untschiedlichen Risikoeinschätzung der Ärzte interessiert mich. Vielleicht hat auch jemand zufällig Kenntnis von einem Urologen mit Blasenkarzinom-Schwerpunkt im Raum Bremen und hat einen Rat hierzu.


    Entschuldigt, wenn dass etwas unstrukturiert und in den Fragen und lang formuliert ist. Ich kenne mich im Umgang mit Foren noch nicht wirklich aus.


    Dieter

  • Hallo Dieter,


    erstmal ganz herzlich willkommen hier im Forum! :Schmunzel:


    Dass du bei 4 verschiedenen Ärztemeinungen verwirrt bist, ist absolut verständlich. Es gibt aber einige Hilfestellungen, um sich über das Rezidiv- und Progressionsrisiko zu orientieren:


    Zunächst mal den "Bladder Calculator", ein auf mehreren Studien basierendes Rechenprogramm. Wenn man deine Werte einsetzt (pTa low grade, 1. Rezidiv nach 7 Monaten, kein Cis, 4 Tumoren, Tumorgröße hattest du nicht angegeben/Annahme Tumoren < 3 cm), erhält man folgende Angaben:
    http://www.bladdercalculator.de/php/bc.php


    Die Rezidivwahrscheinlichkeit ist also relativ hoch (38% nach 1 Jahr), aber die Progressionswahrscheinlichkeit gering (1% nach 1 Jahr). Auf jeden Fall gehörst du aber der "Intermediate risk"-Gruppe an (mittleres Risiko), bei der eine Instillationstherapie mit Mitomycin (40 mg) angezeigt ist.


    Nähere Informationen über die bei dir angezeigte Therapie kannst du auch dem Manual des Tumorzentrums München von 2008 entnehmen (S. 93ff. des Buches bzw. S. 107ff. des PDFs):
    http://tumorzentrum-muenchen.d…1_Urogenitale_Tumoren.pdf


    Bei der Mitomycin-Therapie gibt es im Allgemeinen eine Induktionsphase mit wöchentlichen Instillationen, dann folgt eine Phase mit monatlichen Instillationen, die laut Manual bei durchgeführter Frühinstillation 6 Monate nicht überschreiten sollte.


    Über die Erfahrungen mit Mitomycin findest du hier im Forum viele Berichte; im Allgemeinen sind die Nebenwirkungen geringer als bei der Instillationstherapie mit BCG.


    Ein Mapping, d.h. Biopsien im Rahmen einer TUR-B aus bestimmten Stellen in der Blase, wird im Manual des Tumorzentrums bei pTa-Tumoren bei Verdacht auf CIS oder positiver Zytologie empfohlen, also wenn Krebszellen im Urin gefunden wurden, was auf ein Carcinoma in situ (CIS) hinweisen kann (ein CIS ist bei der Blasenspiegelung schwer zu erkennen). Hier kannst du ja mal bei den Ärzten nach dem Ergebnis der Zytologie fragen. Sollte das negativ sein, also keine Krebszellen im Urin vorliegen, würde ich erstmal die nächste Kontrollzystoskopie abwarten.


    Lieber Dieter, ich hoffe, ich konnte dir ein paar Infos geben. Sicher werden sich auch andere noch melden, z.B. Winfried, ein überzeugter Anhänger der - neuen - Methode Mitomycin-Therapie mit Hyperthermie (Synergo-Methode).


    Ein Trost ist vielleicht, dass du mit einem pTa- low-grade-Tumor Glück im Unglück hast und dich nicht mit Fragen der Blasenentfernung oder Metastasierung auseinandersetzen musst. :streicheln:


    Einen guten Urologen im hohen Norden kenne ich nur in Kiel: Dr. Jan Lehmann ist ein Blasenkrebs-Spezialist, der viele Jahre Oberarzt an der Uniklinik Homburg/Saar war und sich seit 3 Jahren in Kiel in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassen hat.


    Alles Gute und liebe Grüße
    Isa


    PS. Metaphylaxe = Maßnahmen zur Verhinderung von Progression

  • Sorry, in der Überschrift muss es "low grade" heißen (konnte es nicht mehr ändern).


    Gute Nacht!


    Isa


    Hab ich gemacht-.. Rainer

  • Vielen Dank für die konkrete und hilfreiche und schnelle Antwort, sie hilft mir in der Entscheidung für eine Mitomycin-Therapie. Nun muß ich noch einen neuen
    Urologen finden, zu dem ich neues Vertrauen fassen kann.

  • Hallo Dieter,


    Isa hat mich bereits angekündigt.


    Du wohnst in Bremen und hast das Handycap, dass es zur Hyperthermie-Chemotherapie mit Mitomycin, wovon ich absolut überzeugt bin, leider derzeit nur drei Zentren in Deutschland gibt, zu denen es von Dir aus überall hin sehr weit ist.
    In der Uniklinik in Gießen, in der Charité in Berlin und in München-Harlaching werden diese Therapien angeboten.


    Hier stellt sich für Dich die Frage, ob es Dir das wert ist, diese Kosten und Strapazen auf Dich zu nehmen und Dich in einem dieser drei Zentren therapieren zu lassen.
    Ich bin davon überzeugt, dass es bei Deiner starken Rezidivneigung derzeit keine besser geeignete Therapiemöglichkeit gibt.


    Solltest Du, wie ich, der Meinung sein, für meinen Körper ist das Beste gerade einmal gut genug, dann melde Dich bei mir, damit ich Dich weiter und näher informieren kann.


    Freundliche Grüße
    Winfried


    Gib mir Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann;
    gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich zu ändern vermag;
    und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.


  • Hallo Winfried,


    auch Dir danke ich für Deine Information. Ich habe mich nach meiner ersten starken Verunsicherung und der Besprechung mit zwei weiteren Urologen entschieden eine Mitomycin-Behandlung einmal pro Monat mit 3monatiger
    Spiegelung durchzuführen. Drück mir die Daumen, dass es mir hilft.


    Danke


    Dieter

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