Möglichkeiten des Organerhalts bei mukelinvasivem Blasenkrebs

  • Erzeugt am : 14. Juni 2021

    Uhrzeit : 13:30

    Von : Blasenkrebs Online-Selbsthilfegruppe

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    Feed von : Urologie – Biermann Medizin

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    Titel : Möglichkeiten des Organerhalts bei mukelinvasivem Blasenkrebs

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    Inhalt :

    Bei einer Oral Abstract Session im Rahmen der virtuellen Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) am 07.06.2021 haben Experten Strategien zur blasenerhaltenden Therapie bei muskelinvasivem Blasenkarzinom (MIBC) vorgestellt und diskutiert.

    Die blasenerhaltende Therapie wird als Alternative zur Zystektomie bei ausgewählten Patienten erforscht. Der Hintergrund: Eine Reihe von Patienten erzielt nach transurethraler Resektion des Blasentumors (TURBT) und Chemotherapie eine komplette klinische Response (cCR), sodass man überlegt, ihnen die Zystektomie zu ersparen. Dabei gibt es jedoch einige Fallstricke, wie Matt D. Galsky vom Tisch Cancer Institute der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, USA, erläuterte. Erstens bestehe ein Mangel an prospektiven Studien, welche die Cisplatin-basierte Chemotherapie testeten, zweitens seien Definition und Messbarkeit der cCR unklar und drittens werde nicht ganz verstanden, welche Rolle einer verzögerten Zystektomie bei Patienten mit Lokalrezidiven zukomme.

    Ein neuer Ansatz könnte darin bestehen, der Chemotherapie (Gemcitabin und Cisplatin) einen Checkpoint-Inhibitor hinzuzufügen. Dies testete die Studie HCRN GU16-257: Patienten mit cT2–4aN0M0-Tumor werden 4 Zyklen Gemcibatin/Cisplatin/Nivolumab unterzogen, dann erfolgt ein klinisches Restaging mit Zystoskopie, Biopsien, Urinzytologie und Magnetresonanztomographie (MRT). Zeigte das Restaging eine cCR, dann hatte der Patient die Wahl pro oder contra Zystektomie. Entschied er sich dagegen, erhielt er zur Sicherheit 4 weitere Monate Nivolumab. Bleibt die cCR dagegen aus, wird die Blase entfernt. Bemerkenswert ist, dass dieses Konzept anders als die üblichen Ansätze zur blasenerhaltenden Therapie ganz ohne Radiotherapie auskommt.

    Untersucht werden sollte die cCR-Rate sowie deren Fähigkeit, den endgültigen Benefit der Gesamttherapie vorherzusagen. Die cCR war in der Studie definiert mit 3 Kriterien: 1. Keine Abnormalitäten in der Bildgebung nach dem 4. Zyklus, 2. dito in der Urinzytologie, 3. Höchstens low-grade-Ta in der Blasen-Biopsie nach dem 4. Zyklus. Benefit wird als koprimärer Endpunkt festgelegt: 2 Jahre ohne Metastasen bei Patienten, welche eine Überwachung wählen, oder pathologische CR nach Zystektomie.

    Von 76 Patienten haben 64 (84%) alle 4 Zyklen absolviert. 31/64 erreichten eine cCR (48%; 95%-KI 36–61). Die mediane Nachbeobachtungszeit der cCR-Patienten beträgt 13,7 Monate (Bereich 2,5–24 Monate). Nur 1 cCR-Patient entschied sich für eine sofortige Zystektomie. Bei 8/31 cCR-Patienten trat ein Lokalrezidiv auf und bei 6 wurde eine Zystektomie durchgeführt.

    „TURBT plus Gemcitabin, Cisplatin und Nivolumab erreicht bei einer großen Untergruppe von Patienten mit MIBC eine streng definierte cCR“, schloss Galsky. Ein 1-Jahres-Überleben mit intakter Blase sei mit dieser Therapie möglich, jedoch sei eine längere Nachbeobachtung notwendig, um zu beurteilen, ob eine dauerhafte Response erreicht wird.

    Trimodale Blasenerhaltungstherapie

    Das Konzept der trimodalen Blasenerhaltungstherapie (TMT) arbeitet mit TURBT, Chemotherapie und Radiotherapie; neu ist die Hinzufügung eines Checkpoint-Inhibitors. Es wird angenommen, dass eine immunonkologische Therapie die Krebszellen für Strahlung empfindlicher machen kann (“radiosensitizing”). Arjun Vasant Balar vom Perlmutter Cancer Center at NYU Langone Health, New York, USA, präsentierte eine multizentrische Phase-II-Studie mit Pembrolizumab, Gemcitabin und hypofraktionierter Strahlentherapie.

    Die Studie umfasste 54 Patienten mit cT2–T4aN0M0-MIBC, die eine Zystektomie ablehnten oder dafür nicht in Betracht kamen. Die Patienten erhielten zunächst 1-mal Pembrolizumab 200 mg, nach 2–3 Wochen folgten dann maximale TURBT und Radiotherapie der gesamten Blase (52 Gy/20 fx; IMRT bevorzugt) mit 2-mal wöchentlichem Gemcitabin 27 mg/m2 und 3-mal Pembrolizumab Q3W. 12 Wochen nach Radiotherapie wurden CT/MRT, TUR des Tumorbetts und Zytologie durchgeführt, um das Ansprechen zu dokumentieren. Bis zu 6 Patienten wurden in eine Sicherheitskohorte (SC) aufgenommen, gefolgt von 48 Patienten in der Wirksamkeitskohorte (EC). Der primäre Endpunkt war das 2-jährige krankheitsfreie Überleben der Blase (BIDFS), definiert als erstes Auftreten von MIBC, regionalem Lymphknotenrezidiv, Fernmetastasen oder Tod, bewertet durch serielle Zystoskopie/Zytologie und CT/MRT.

    Alle 6 Patienten in SC und 42/48 (88%) der Patienten in EC beendeten die gesamte Studientherapie. Es ergab sich eine geschätzte 1-Jahres-BIDFS-Rate von 77% (95%-KI 0,60–0,87). Die CR-Rate nach 12 Wochen betrug 100% bei SC und 83% bei EC.

    „TMT ist eine effektive nicht chirurgische Option mit kurativer Absicht für Patienten mit MIBC“, fasste Balar zusammen. „Pembrolizumab als Zusatz zu hypofraktionierter Radiotherapie und zweimal wöchentlichem Gemcitabin wurde in dieser frühen Analyse mit vielversprechender Wirksamkeit gut vertragen. Die BIDFS-Rate von 88% nach 1 Jahr in der EC ist bemerkenswert, aber es ist ein längeres Follow-up erforderlich.“

    Blasenerhaltungstherapie ohne Chemotherapie

    Ganz ohne Chemotherapie, dafür mit einer doppelten Checkpoint-Therapie und Bestrahlung arbeitet die Studie IMMUNOPRESERVE-SOGUG, die Xavier Garcia del Muro vom Institut Català d’Oncologia am L’Hospitalet del Llobregat, Barcelona, Spanien, vorstellte. Hier erhielten 32 Patienten mit lokalisiertem MIBC in den klinischen Stadien T2-4aN0M0, die entweder eine Blasenerhaltung wünschten oder für eine Zystektomie nicht geeignet waren, nach der initialen TURBT 1500 mg Durvalumab i.v. plus Tremelimumab 75 mg i.v., alle 4 Wochen für 3 Zyklen. 2 Wochen später wurde eine normofraktionierte externe Radiotherapie mit Dosierungen von 46 Gy für das kleine Becken und 64–66 Gy für die Blase begonnen. Dann erfolgte eine erneute TURB zur Evaluation der Response. Patienten mit entweder restlichem oder rezidiviertem MIBC wurde eine Salvage-Zystektomie angeboten. Der primäre Endpunkt war CR, definiert als das Fehlen von MIBC bei der Biopsie an der Tumorstelle nach der Behandlung (<=T1).

    In dieser Studie erreichten 26 (81%) der Patienten CR. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 6,1 Monaten (2,5-20,1) wurden 2 Patienten wegen MIBC- bzw. T1-Rezidiven einer Salvage-Zystektomie unterzogen. Die geschätzten 6-Monats-Raten für das krankheitsfreie Überleben (DFS) mit intakter Blase, DFS insgesamt und Gesamtüberleben betrugen 76% (95%-KI 61-95), 80% (95%-KI 66-98) bzw. 93% (95%-KI 85–100%). Es traten allerdings auch bei 97% der Patienten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Radio- und/oder Immuntherapie auf, bei 31 % mit Grad 3 oder 4.

    „Der kombinierte blasenerhaltende Ansatz mit Durvalumab plus Tremelimumab und gleichzeitiger Radiotherapie ist machbar und sicher“, folgerte Garcia del Muro. „Dieses therapeutische Regime zeigt eine hohe Wirksamkeit in Bezug auf das Ansprechen und erreichte einen Blasenerhalt bei einer großen Anzahl von Patienten.“ Ein längeres Follow-up werde jedoch benötigt, speziell, um den Langzeiterhalt der Blase und das Überleben zu beurteilen. „Weitere Forschung zu diesem Ansatz als Alternative zur Zystektomie bei ausgewählten Patienten mit lokalsiertem MIBC ist gerechtfertigt“, ergänzte der Onkologe.

    Welche Strategie ist die beste?

    Andrea Necchi von der Fondazione IRCCS Istituto Nazionale dei Tumori, Mailand, Italien, ordnete diese 3 Studien in einen größeren Zusammenhang ein und unterzog sie einer kritischen Würdigung. Wie Galsky bereits zu Beginn der Sitzung angemerkt hatte, besteht ein Problem in den unterschiedlichen Definitionen der CR. Necchi fand es bemerkenswert, wie hoch in der Galsky-Studie die Zustimmung der Patienten zu einer experimentellen Therapie abseits des etablierten chrirugischen/radiologischen Standards war.

    Necchi stellte heraus, dass in Bezug auf die kurzzeitigen Outcomes keine der 3 Studien den Benchmark der GEM-hypoRT-Studie von Choudhury et al. (J Clin Oncol 2011;29:733–738) erreichte, bei der 88% der Patienten eine CR hatten. „Es ist klar, dass wir einen wesentlichen Anteil der Patienten verlieren, wenn wir auf die Radiotherapie verzichten“, sagte er im Hinblick auf die Galsky-Studie, die nur 48% CR erreichte. „Es scheint mir, dass das Chemoradiotherapie-Protokoll schwer zu schlagen ist.“ Dem sind die Nebenwirkungen der Radio- und Immuntherapie entgegen zu halten: In der Galsky-Strategie werden erstere vermieden, letztere traten bei dem Ansatz von Garcia del Muro deutlich zutage. Was das Überleben angeht, punktete jedoch die Galsky-Studie: „In der Galsky-Studie erzielten die Patienten eine CR mit einer substanziellen Möglichkeit, diese Response lange Zeit beizubehalten. … Insgesamt scheint mir die Galsky-Strategie die gewinnende zu sein, weil sie ein ähnliches klinisches Outcome wie die anderen erzielt, aber die RT-Nebenwirkungen vermeidet.

    „Es ist klar, dass wir randomisierte Studien brauchen, um den Beitrag der Immuntherapie, der über die Standard-Chemotherapie hinausgeht herauszufinden”, betonte Necchi. Balar betonte in der anschließenden Diskussion, dass erst die Immunonkologie die blasenerhaltende Therapie wieder ins Interesse gerückt habe. Der New Yorker Onkologe glaubt allerdings nicht, dass man deshalb auf die Chemotherapie verzichten kann, wie es Garcia del Muro in seiner Studie tat. Der Spanier entgegnete, dass ein Großteil der Patienten gar nicht für Chemotherapie geeignet sei und dass es einen Vorteil darstelle, wenn man den Patienten die Nebenwirkungen der Chemotherapie ersparen könnte.

    Kommt eine randomisierte Studie?

    Die Frage stand im Raum, ob die blasenerhaltenden Konzepte in einer randomisierten Studie mit dem Standard of Care verglichen werden kann. Das sahen die Experten skeptisch. “Wir brauchen ein längeres Follow-up, um zu sehen, ob eine randomisierten Studie sinnvoll ist oder nicht”, sagte Galsky. Necchi betonte erneut, dass die Patienten, wie an der Studie von Galsky zu sehen war, offenbar die blasenerhaltenden Methoden bevorzugen. Garcia del Muro erinnerte daran, dass mit SPARE schon einmal eine solche Studie gescheitert ist. Die Onkologen betonten die Bedeutung von Biomarkern, um herauszufinden, welche Patienten für einen Blasenerhalt infrage kommen, welche sinnvollerweise eine Immuntherapie bekommen sollten und welche nur Radiochemotherapie. Auch wenn derzeit viele molekulare Biomarker untersucht werden, gibt es nach Galskys Ansicht derzeit möglicherweise keinen besseren Biomarker als die CR, retrospektiv untersucht nach dem letztlichen Outcome.

    (ms)

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    05/2009 CIS, 02/2010 pT4 a, G 3, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis, 08/2018 Nephrektomie rechts


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • wolfgangm

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