Möchte mich vorstellen und um Rat vor meiner Entscheidung Neoblase fragen

  • Hallo,

    ich habe mich heute hier angemeldet, nachdem ich bereits einige Artikel in der Gruppe gelesen habe und habe festgestellt, dass es sehr gut tut, von Menschen zu lesen, die das gleiche Problem haben wie man selbst.

    Ich bin 55 Jahre alt, war mein Leben lang Nichtraucher, Sportler, kein Alkohol, gesunde Ernährung, kein Kontakt mit chemischen Stoffen... Also kein Risikokandidat für Blasenkrebs.

    Bei mir wurde vor zwei Jahren Blasenkrebs pT1 G3 high grade festgestellt und operativ entfernt mit Mytomizin Frühinstallation. Danach fand keine weitere Behandlung mehr statt. Ich hatte über 1 1/2 Jahre Ruhe, vor etwa 4 Monaten wurde dann allerdings erneut ein Tumor in der Blase festgestellt. Nach der OP erfolgten mittlerweile 3 Nachresektionstermine, zuletzt vor 5 Tagen, weil immer wieder Residuen pTa G3 high grade gefunden wurden.

    Nun haben mir die Ärzte aufgrund der Aggressivität des Tumors eine Zystektomie mit einer Neoblase empfohlen. Seitdem bin ich am Recherchieren und Informieren und so auch auf diese Seite gestoßen.


    Wie wahrscheinlich Jeden, den dieses Schicksal hier in der Gruppe schon erlitten hat, stellen sich mir so viele Fragen, auf die ich noch keine endgültigen Antworten bekommen habe:

    - welche Kliniken sind hierfür gut geeignet und wo sollte man die AHB machen?

    - wie schmerzhaft ist die Zeit nach der OP?

    - wie lange ist man im Schnitt im KH?

    - wie verhält es sich mit der anschließenden Inkontinenz, wie lange hält diese an, ist sie irgendwann komplett in den Griff zu bekommen?

    - man muss sich ja wohl auch darauf einstellen, keine Erektion mehr zu bekommen. Hat man denn aber trotzdem noch Lust auf Sex oder ist das dann komplett weg?

    - wie verhält es sich mit Sport treiben? Darf ich alle Sportarten betreiben, also auch Kontaktsport wie Fußball, oder nur "schonende" Sportarten? Und wie sieht es mit Schwimmen und Sauna aus?

    - hat man nach der OP einen Schwerbehindertenstaus?


    Und schließlich: gibt es hier auch irgendwelche Erfahrungen mit alternativen Heilmethoden ohne Radikal-OP?


    Ich wäre super-glücklich, wenn ich hier Antworten auf meine vielen Fragen finden kann, denn ich denke, dass ich sie hier ehrlicher und offener als von jedem Arzt bekomme! Gibt es bereits ein Forum in der Gruppe, wo genau diese Fragen beantwortet werden, die man sich vor einer Radikal-OP mit Neoblase stellt?


    Ich wünsche Euch Allen hier eine gute Gesundheit und/oder Genesung und freue mich auf einen regen Austausch!


    Viele Grüße aus Hessen

    Tom

  • Guten Tag und herzlich willkommen bei uns im Forum  @ThomasTom . Wir sind hier ein Zusammenschluss von Betroffenen und deren Angehörigen, betreiben dieses Forum ohne selbst Mediziner zu sein. Ein gesammelter Schatz an Erfahrungen übertrifft vielfach das Wissen einzelner Urologen.


    Du hast ja einen richtigen großen Fragenkatalog erstellt. Ich werde dir mal aus meiner Sicht der Dinge (17 Jahre Neoblase) die Situation beschreiben.

    - welche Kliniken sind hierfür gut geeignet und wo sollte man die AHB machen?

    Zwei Fragen in einer.Natürlich sind die Kliniken die erstens eine eigene Urologie haben und zweitens schon relativ viele Neoblasen gemacht haben am besten geeignet. Von kleinen Provinzkrankenhäusern sollten man absehen.

    Hier eine Fallzahlentabelle von 2018 , die von 2019 (neuere gibts noch nicht) dürfte ähnlich sein. Aschaffenburg / Wiesbaden ??



    Hier die Tabelle 2019 (von mir noch unbearbeitet)

    Hier klicken


    Anschlußheilbehandlung, klar, da kommt eigentlich nur Bad Wildungen in Frage, die sind spezialisiert auf uns Neoblasen.

    Klick mal hier, such dir eine aus, bieten alle das selbe.


    - wie schmerzhaft ist die Zeit nach der OP?

    Schmerzhaft ? eigentlich wenig bis gar nichts. Klar ist, wenn du dich gleich aufs Motorrad schwingst und eine Tour machst oder den Garten beackerst, dann wirst du deine Probleme die mit Schmerzen verbunden sind bekommen. Die ersten 6-12 Monate heißt das Motto alles in Ruhe und Schonung. Die inneren Wunden müssen erst richtig verheilen, auf keinen Fall übertreiben, das kann fürchterlich in die Hose gehen.


    - wie lange ist man im Schnitt im KH?

    Wenn alles gut geht, je nach Operationsart (offen oder DaVinci) 8 - 14 Tage, bei Komplikationen länger.


    - wie verhält es sich mit der anschließenden Inkontinenz, wie lange hält diese an, ist sie irgendwann komplett in den Griff zu bekommen?

    Das ist ein Kapitel für sich, hier heißt es erst einmal Beckenboden trainieren. Erst einmal geht wahrscheinlich gar nichts, das heißt ? "Alles fließt" , Tagsüber wirst du es relativ schnell in den Griff bekommen, zu 100% trocken wahrscheinlich in ein paar Wochen bis zu 3 Monate. Nachts ist es ein Thema für sich. Während des schlafens entspannen alle Muskeln, dann passiert es meistens auch schon bei kleineren Füllständen der Blase, es läuft. Ich sags mal so, die allermeisten bekommen es nie in den Griff, diese behelfen sich damit das sie des nachts 1-2 mal aufstehen und die Toilette aufsuchen. Auch hier, Beckenbodentraining kann helfen.


    Zu den Beckenbodenübungen : klick mal hier


    - man muss sich ja wohl auch darauf einstellen, keine Erektion mehr zu bekommen. Hat man denn aber trotzdem noch Lust auf Sex oder ist das dann komplett weg?

    Lust auf Sex hat man, genauso wie vorher, klaro, auch die Orgasmusfähigkeit geht nicht verloren. Wenn du nervenschonend operiert wirst (mit dem Arzt besprechen) kann auch noch so, ohne Hilfsmittel, was gehen. Versprechen können die Ärzte nichts, mit viel Glück kann die Erektionsfähigkeit, eventuell auch nur teilweise erhalten bleiben.


    - wie verhält es sich mit Sport treiben? Darf ich alle Sportarten betreiben, also auch Kontaktsport wie Fußball, oder nur "schonende" Sportarten? Und wie sieht es mit Schwimmen und Sauna aus?

    Sport ja klar, aber erst nachdem alles verheilt ist, die ersten 6 Monate auf jeden Fall ruhig angehen lassen, das wirst du aber selbst schon merken was geht und was nicht geht. Sauna, warum nicht, hab ich auch gemacht, mach ich heute noch.



    - hat man nach der OP einen Schwerbehindertenstaus?

    Ja, den hat man, bei einer Harnersatzblase sollten es mindestens ein Grad von 80 sein. Wahrscheinlich auf Heilbewährung (5 Jahre) , also jetzt nach der OP nicht den harten spielen und dem Arzt suggerieren das es dir bestens geht sondern darauf achten das du nach den 5 Jahren mindestens einen Grad von 50 behälst, (Abschlagsfreie Rente usw..)

    (Also erektilen Dysfunktion, Inkontinenz, Impotenz, usw..) nicht vergessen regelmäßig Vorlagen besorgen.. (gibts auf Rezept)


    Nun Thomas, denke ich hab so ziemlich alles beantwortet, solltest du weitere Detailfragen haben, her damit.


    Ein extra Forum (Neoblase Männer haben wir auch) schau mal hier rein.



    Gruß Rainer

  • Hallo @ThomasTom ,

    von Rainer wurde ja detailliert geantwortet und es kommen bestimmt noch weitere Infos. Zur Neoblase kann ich nichts hinzufügen.

    Meine Frage ist, wer es entschieden hat einen pT1 G3 nicht weiter zu therapieren, mit BCG oder wenigstens Mitomycin?!

    Die Diskussion in Fachkreisen wird teilweise sogar dahingehend geführt, dass schon ein pT1 nicht mehr als oberflächig gilt und evtl. eine Zystektomie in Frage kommt.

    Gruß Dirk

    19.1.21 TURB pT1G3, 60% kleinzellig

    8.2.21 TURB pTaG2

    14.4.21 Zystektomie, Blase o. Befund, k. Chemo

  • Hallo @ThomasTom , Rainer hat dir ja schon ausführlich geantwortet. Ich möchte nur den Rat hinzufügen, dich auch mit der Möglichkeit eines Urostomas statt Neoblase zu beschäftigen. Es klingt erstmal blöd, einen Beutel zu haben, aber es hat auch seine Vorteile, und es gibt hier im Forum Leute, die sich bewusst dafür entschieden haben. Ich gehöre auch dazu und bereue die Entscheidung nicht. Auch mir erschien die Neoblase zunächst verlockend, aber die Nachteile (mögliche bleibende Inkontinenz und notwendige Unterbrechung des Nachtschlafs) ließen mich daran zweifeln, dass die Neoblase wirklich mehr Lebensqualität mit sich bringt, und führten mich zur Entscheidung für das Urostoma.


    Außerdem ist es so, dass möglicherweise während der OP erkannt wird, dass eine Neoblase nicht möglich ist, und dann wird immer ein Urostoma angelegt. In diesem Fall wäre es gut, wenn du dich vorher mit dem Thema beschäftigt hast.


    Ich möchte dir nicht von der Neoblase abraten (die Entscheidung muss jeder individuell für sich treffen), aber ich möchte dir ans Herz legen, dich mit allen Ableitungsarten zu befassen, bevor du eine endgültige Entscheidung triffst.


    Viele Grüße und alles Gute

    Claudia

    Zystektomie 22.3.21. pT3b pN2 (4/23) L1 V0 Pn0 R0 G3.4 ZyklenCis/Gem. Zufriedenes Beuteltier.

  • @ThomasTom

    tja, willkommen im Club der Betroffenen bezüglich der Blasenentfernung! ?(

    Ich selbst stehe genau da wo du jetzt, allerdings schon mit T2g3 -Stufe.


    Eine vorgezogene Chemotherapie wurde mir empfohlen, um anschließend

    Metastasen-Bildung zu minimieren. Das hat dazu den Effekt, dass einem etwas mehr

    Zeit zur Entscheidung bleibt, was man nun haben will. Anfang nächsten Jahres wird

    dann wohl die Blase entfernt und ein anderes Gefühlsleben beginnt ab dann.

    Die Neoblase favorisiere ich momentan und fühle mich nicht gerade wohl bei dem Gedanken.


    Eine gute Lösung gibts eigentlich nicht, nur eine etwas weniger schlechte.

    Jede Lösung hat seine Tücken....

    Aber man lebt danach immerhin noch länger, und das ist wohl besser als nichts zu tun. ;)


    Wünsche dir viel Geduld und Energie!


    Gruß

    pt2a g3 high grade, V0 L0 C M0; vor geplanter Zyst.-OP: Chemo 4 Zyklen

  • Hallo!


    Ich bin seit einem Jahr mit Neoblase unterwegs und will Dir auch kurz aus meiner Sicht antworten (der Text von Reiner ist allerdings allgemeingültiger, bei mir ist es jetzt wirklich nur meine eigene Erfahrung!!!):


    - welche Kliniken sind hierfür gut geeignet und wo sollte man die AHB machen?

    such dir eine, die mindestens 5-10 im Jahr macht. Uni Mainz wäre auch noch eine Option wenn du nicht so weit reisen möchtest. Ich war in Dresden Uniklinikum und fand's insg sehr gut. Die machen wohl mittlerweile >50 pro Jahr. AHB ist Bad Wildungen zu empfehlen. Ich war in Bad Nauheim und fand's ehrlich gesagt nicht so toll.


    - wie schmerzhaft ist die Zeit nach der OP?

    eigentlich garnicht, außer der Katheter mit Schmerzpumpe sitzt nicht so richtig, wie bei mir. Dann sind die ersten 3-5 Tage nach OP nicht immer so dolle. Aber ab Tag 5 ca. gibts keine krassen Schmerzmittel mehr, sondern eher noch Novalgin nach Bedarf und das passt dann schon. Langzeit: Seit der OP bis Stand heute habe ich öfters pro Woche LEICHTE Bauchkrämpfe / Schmerzen (aber wirklich leicht, vielleicht 1-2 von 10 auf dem Schmerzbarometer) und die Verdauung ist nicht mehr ganz so unauffällig wie früher. Aber alles nicht dramatisch.


    - wie lange ist man im Schnitt im KH?

    ich war 10 Tage, offen operiert (nicht da-vinci)


    - wie verhält es sich mit der anschließenden Inkontinenz, wie lange hält diese an, ist sie irgendwann komplett in den Griff zu bekommen?

    hier hatte ich anscheinend glück. ich war nach KH-Entlassung tagsüber bis auf ein paar Tropfen direkt kontinent. Nachts wars mit 3-5 mal aufstehen zuerst ziemlich "nass", wurde aber nach ca. 2 monaten schlagartig besser. seit bestimmt 7,8 monaten stehe ich nachts nur noch ein mal auf (oder 2 mal max) und bin ansonsten komplett trocken.


    - man muss sich ja wohl auch darauf einstellen, keine Erektion mehr zu bekommen. Hat man denn aber trotzdem noch Lust auf Sex oder ist das dann komplett weg?

    aktuell habe ich noch keine große Erektionsfähigkeit leider. das kann aber auch mal ein paar Jahre dauern bis sich die Nerven entlang der Prostata wieder zurückbilden. Es gibt noch die Option SKAT, die ich bisher noch nicht probiert habe, sehe ich eher als ultimo ratio. Lust auf Sex hat man schon, nimmt aber eventuell durch die Scham, dass es halt nicht so ist wie früher, ab.


    - wie verhält es sich mit Sport treiben? Darf ich alle Sportarten betreiben, also auch Kontaktsport wie Fußball, oder nur "schonende" Sportarten? Und wie sieht es mit Schwimmen und Sauna aus?

    Ich habe mehr oder weniger direkt nach Entlassung mit ganz kurzen Spaziergängen angefangen, dann langsam aufgebaut. Nach ca 3 Monaten kleine Strecken auf dem Rad, nach ca 6 Monaten leichtes Krafttraining, nach 8 Monaten wieder volle Kanone, inkl. Kitesurfen, Beachvolleyball, Fußball etc. Schwimmen und Sauna habe ich schon mehrfach komplett komplikationslos gemacht, garkein Problem ;)


    - hat man nach der OP einen Schwerbehindertenstaus?

    Ja, habe 80% für 5 Jahre bekommen. Zuerst waren nur 60 gewährt, aber nach meinem Widerspruch wurde es auf 80 erhöht.



    Insgesamt bin ich sehr glücklich mit der Entscheidung Neoblase und empfinde die Einschränkungen als nicht so gravierend. Ich hoffe, das ich dir damit etwas weiterhelfen konnte in der Entscheidungsfindung.


    Alles Gute!

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