Ups, mich gibt's hier ja schon..

  • ..noch ein Rainer ist hier angekommen, also nenn ich mich jetzt einfach mal Rainer- Joachim..


    angekommen?


    ...das stimmt vielleicht nicht ganz, ich versuch's mal mit den Fingern auf der Tastatur aber in meinem Kopf herrscht eine ziemliche Ratlosigkeit, Angst, manchmal Panik, manchmal Traurigkeit, dann wieder Wut, dann "jetzt erst recht!" und und und ...


    das komplette emotionale Spektrum das ihr hier in diesem Forum wohl nur zu gut kennt!


    Hab ich mich bisher eher in Fernreiseforen , in den Seiten von Oltimerschraubern oder von guter alter Rockmusik herumgetrieben, hat es nur einer kurzen Google-Suche bedurft um Euch zu finden.


    Ich bin noch am Anfang Euer - falsch , jetzt wohl auch mein - Forum durchzulesen, vieles ist mir noch nicht klar aber ich bin so froh, daß es Euch gibt!!!!


    Ein paar facts zu mir: Ich bin also Rainer-Joachim, 57 Jahre alt und meine Diagnose ist:


    muskelinvasives Harnblasencarcinom pT2a, G3.
    "Aufgrund des Alters und des muskelinvasiven Tumors wurde dem Pat. zu einer radikalen Zystektomie mit Anlage einer Neoblase geraten. Das staging zeigte keinen Nachweis für eine Metastasierung."


    So, diese Diagnose war im Juli 2011, ich hab mir ein paar Wochen Zeit genommen um überhaupt mit dem Gedanken klarzukommen aber nun wird's Ernst: die Unsicherheit wird zum Horror und ich möchte es im September angehen:


    Was mache ich?


    Neoblase mit vielleicht (wahrscheinlich) Inkontinenz tagsüber und vor allem Nachts?


    Was bedeutet "Übersäuerung" und wie kriegt man das mit Pillen in den Griff?


    Mit welchen Folgen hab ich (Alternative 2) mit einem künstlichen Ausgang zu rechnen?


    In der Uni-Klinik Münster hat man mir gesagt, es sei die einfachere, robuste "Golf-lösung", während die Neoblase eher der "Mercedes" sei, fein aber anfällig. Huch, ich fahr seit über 20 Jahren Mercedes, zwar alt und klapprig aber immer zuverlässig!!


    Warum wird die sogenannte "nervschonende OP" nicht von allen Kliniken angewendet, kommt sie überhaupt für mich in Frage?


    Ist zur Zeit sekundär aber: danach nie mehr Sex??? oh jeh!!!


    Was ist letztendlich besser, Pest oder Cholera?


    Ich weiß, liebes Forum, viele unausgegohrende Fragen, die hier schon so oft gestellt wurden und die ich in den nächsten Tagen lösen muß und ihr , als Betroffene, könntet mir dabei sehr sehr helfen! Aber ich halt's kaum aus, nach einer Viertelstunde hier bei Euch bin ich fix und fertig und dann schau ich mir irgendwelche Flugzeubilder oder sonst so ein Quatsch an, um wieder runterzukommen.


    Ich hab bisher die Geschichte von Hexe und einigen anderen verfolgt, ihr habt mir sehr viel Mut gemacht und deshalb hab ich eine konkrete Frage an euch:


    Du Hexe (ich bewundere Deine positive Kraft, die mir z. Zt leider fehlt) hast Dich in Ibbenbüren operieren lassen, Du Ralleprivat in Rheine, obwohl Du aus Dresden kommst - weit weg -, ich selber komm aus dem Raum Osnabrück, mein Urologe hat mir die Uni-Klinik Münster geraten aber ich empfand es in einem Vorgespräch dort als schrecklich: eine überalterte Gesundheitsfabrik von ungeheurem Außmaß mit überall klebrigen Geländern - ich muß mich wegen Gleichgewichtsstörungen festhalten - durch die ganzen Hallen ein intesiver Geruch nach Erbsensuppe - na ja war halt Mittagszeit...


    Ich habe daraufhin einen Termin gemacht am 8.9. mit Dr Eggersmann in Rheine, diese Adresse hab ich von Euch, danach Entscheidung und dann soll es sehr schnell gehen...


    Hab ich das richtig gemacht? Puh, ich bin nur ein kleiner Kassenpatient, wer schneidet mir diesesmal (wieder mal) etwas aus meinem Körper? Oh, ich reduziere mich!!


    Was soll ich machen? Ich habe keine Schmerzen, muß zwar bei körperlichen Anstrengungen dauernd pinkeln aber was soll's.


    Ach so, es ist nicht das erste mal, daß ich wegen dieser "Sache" - man sagt mir gerade ich hätte das falsche Wort gewählt - unter's Messer muß: Schon vor 10 Jahren mußte meine Schilddrüse dran glauben, mein erster Satz nach der Narkose war: "nein, ihr kriegt mich noch nicht"! Und damit hab ich recht behalten.


    Meine Ehe hat das leider nicht ausgehalten, auch nicht meinen Job, meine Güte , ich war ganz oben, alles weg, alles nicht mehr so wichtig...


    Jetzt will ich nur noch eines: Ich hab seit ein paar Jahren eine wundervolle, liebe Partnerin, die mir beisteht, die aber nachts nicht mehr schlafen kann, die mir jeden morgen sagt "wir schaffen das".


    Also ich hab es ihr versprochen: noch einmal Hamburg, noch einmal Istanbul, Venedig und...
    ... noch einmal landen in Bangkok???!!!


    Aber wie mach ich das?


    Diese Neoblase mit all diesen Widrigkeiten oder als "Beuteltierchen" (Wortlaut Hexe) herumlaufen, ich kann es mir immernoch nicht vorstellen...


    Dienstag hatte ich meinen Termin in der Kardiologie, die Uniklinik Münster wollte sich absichern, ob eine sechs- oder mehrstündige Narkose bei mir überhaupt machbar ist:


    Ja, mein Herz tuckert ordentlich und fleißig, die Lunge, oh weia, 40 Jahre Nikotin und Teer und was weiß ich nicht alles, ich bin schon als Raucher geboren worden, mein Vater hat mich wahrscheinlich rauchend erzeugt, also nächste Woche noch mal hin, vorher fleißig inhalieren, ach das ganze Nachtkästchen ist schon voll mit Medikamenten!!...


    Seid mir bitte nicht übel liebe Betroffene, daß ich hier meine ganze Lust (eher weniger) und meinen ganzen Frust (ganz viel) einmal ablade, mit Sicherheit kennt ihr diese Ängste...


    Ich möchte mit Euch in Kontakt bleiben, alles aufschreiben, was in den nächsten Tagen und Wochen passiert, vieleicht kann ich ja so dem einen oder anderen von Euch auch ein bißchen helfen und etwas zurückgeben.


    oh, noch kurz zu meinem Gespräch Dienstag in der Kardiologie in der xxx-Klinik in Osnabrück bei Herrn Professor xy, - er legt offensichtlich Wert darauf, daß man ihn mit dem Titel anspricht - jede kleine Sprechstundengehilfin spricht nur ehrfürchtig von "Herrn Professor", na gut, ich habe auch studiert, zum Diplom hat's allemal gereicht, Professur war nicht mein Ding und dann schaut er in meine computergespeicherten Unterlagen mit der nuscheligen Bemerkung: "Die Medizin ist ein schwieriges Feld"!! JA, DANKESCHÖN FÜR DIESE ERKENNTNIS!!!


    Wenn ihr mögt, bis bald!

  • Hallo rainer-joachim,


    willkommen im Forum. Was Du gerade durchlebst, haben die meisten hier in ähnlicher Weise erlebt und durchlebt; nicht alle haben es geschafft. Ganz gleich was nun am Ende der Behandlung stehen wird, es wird sich zeigen, daß Du hier in allen Bereichen auf Menschen treffen wirst, die versuchen werden Rat zu geben. Mit "Hexe" hast Du schon eine sehr kompetente Ratgeberin benannt. Aber auch die anderen Moderatoren und Forenmitglieder werden von den gemachten Erfahrungen berichten. Als ich erfuhr, dass es nun ein Leben als "Beuteltierchen" sein wird, ist auch für mich die Welt zusammengebrochen. Auch ich lebte erst seit drei Jahren in einer neuen Partnerschaft und habe mir das anders vorgestellt. Inzwischen ist das anders geworden; ich habe das angenommen, eas mir das weiterleben ermöglicht. Dieses Leben geniesse ich jetzt seit Februar 2010 in vollen Zügen.


    lg Wolfgang

    pT4 a, G 3 und CIS, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • Jetzt werden zwar alle Beuteltiere protestieren, aber es ist eben so, die


    Neoblase ist das beste was Du dir antuen kannst. Jahrzehnte lang Mercedes, bleib dabei !. Ich war 53 als es mich erwischte, inzwischen hab ich es fasst ganz vergessen das ich keine Originalblase mehr habe. Golf ist zwar auch akzeptabel, Mercedes ist eben besser. Der Rest wird sich finden. Tagsüber sind wir Neos fast zu 100% dicht, nachts bedarf es etwas Uebung. Und Sex, mein Gott, Sex wirst Du noch jede Menge haben. Wir sprechen uns wieder. Jetzt alles nur kurz da ich eigentlich noch offline bin und mich hier mit dem IPhone durcharbeite.
    Gruß Rainer

  • Hallo Rainer,


    aus eigener Erfahrung wissen wir (mein Mann ist betroffen), dass Du bei Herrn Dr. Eggersmann in besten Händen bist. Er nimmt sich Zeit für die Beratung, ist sehr sympathisch und fachlich absolut kompetent. Wir sind durch das Forum auf ihn gekommen und sind auch Kassenpatienten. Das Beste: Er operiert selbst und ist auch anschließend bei Problemen jederzeit per Telefon oder Mail ansprechbar. Durch seine ruhige und besonnene Art wird er Dir bei Deinem Gesprächstermin einen großen Teil der Angst nehmen. Auch wir haben dieses Wechselbad der Gefühle it schlaflosen Nächten und mit ganz viel Angst und Verzweiflung hinter uns. Jetzt ist die AHB beendet, ab Montag Chemotherapie (bibber) und dann hoffen wir auf etwas Normalität im Alltag. Und ja, das ganze Leben verändert sich, aber man nimmt vermeintliche "Probleme" nicht mehr ganz so wichtig, es gibt viel wichtigeres (die Gesundheit).


    Alles Gute für Dich und lies fleißig hier im Forum, das hilft ungemein.


    Viele Grüße, Orchidee :streicheln:

  • He Rainer-Joachim,
    Schieb es nicht mehr auf die Lange Bank, pack es an.
    Nimm den Mercedes, der hat zwar manchmal Macken aber funktioniert.
    Ich hatte letztes Jahr die selbe Diagnose. War am Tage auf Anhieb dicht. Nun nach knapp anderthalb Jahren bin ich auch nachts dicht.
    Ob nervschonend operieren oder nicht ist ne Streitfrage denn es ist nicht sicher ob eine nervschonende OP gelingt. Auf der anderen Seite besteht durch eine nervschonende Op ein größtes Risiko für ein Rezidiv da im Bereich der Nerven nicht so radikal operiert werden kann. Mir war das Risiko zu hoch. Sex wirst Du trotzdem haben, zwar in einer etwas anderen Art aber immerhin.


    Wenn Du dich in der Klinik nicht wohl fühlst, dann geh woanders hin, das ist wichtig für die Psyche und fördert den Heilungsprozess. Ich denke bei Dr. Eggersmann bist Du gut aufgehoben.


    Wenn Du wissen willst was auf Dich zukommt kannst Du ja mal meine Geschichte lesen.


    Balu

    19.03.2010 radikale Zystektomie mit Anlage einer Neoblase

    (TNM 2010) p0 pN0 (0/46) M0 L1 V0 Pn0 R0 G3


  • Hallo Rainer Joachim,


    es war eine gute Entscheidung, sich einen Termin bei Dr.Eggersmann in Rheine zu holen. Der beherrscht auch die nervschonende Variante der Neoblase ( wird Deine Partnerin freuen), redet Klartext und hat auch Verständnis für menschliche Unzulänglichkeiten.
    Wenn Du magst, werde ich Dich und Deine Partnerin ein bißchen betreuen, so wie ich das bei vielen Zystektomiepatienten in Ibbenbüren und Rheine mache; beide Kliniken habe ich für solche Fälle von ihrer Schweigepflicht entbunden.
    Auch ich halte insbesondere bei Männern die orthotope Neoblase für die beste und komfortabelste Lösung. Mir wollte der niedergelassene Urologe auch die "Golflösung" als Optimum verkaufen, aber ich habe mich (die Reithosen sitzen immer ziemlich eng :grinsen: ) für den "Mercedes" - in meinem Fall den Pouch, entschieden.
    Was die Kontinenz der orthotopen Neoblase angeht, da sind ganz ganz viele vollständig kontinent (tags und nachts), viele nur tagsüber und nur einige wenige nie. Dazu gehören natürlich Eigeninitiative und Beckenbodentraining.


    Was die "Übersäuerung" angeht, damit meinst Du sicherlich die metabolische Azidose.
    Eine Neoblase ist aus Darm, der die Aufgabe hat, aus der Nahrung Nährstoffe zu resorbieren und sie so dem Körper zur Verfügung zu stellen. Diese Eigenschaft behält er in seiner Funktion als Blase später bei. Eine Originalblase ist sowas wie ein "Mülleimer" für Urin, die Neoblase aus Darm eher ein "Recyclingunternehmen", das heißt, sie führt dem Körper Harnbestandteile wieder zu, die eigentlich zur Ausscheidung vorgesehen sind. Dadurch kommt es zu Elektrolytverschiebungen, eben der metabloischen Azidose. Mithilfe von Medikamenten zum Abpuffern (Bikarbonaten) lässt sich diese Azidose behandeln.


    Wenn Du magst, können wir bereits jetzt gern telefonieren oder uns mal treffen. Meine Daten gibt´s per PN. Ich arbeite in Osnabrück.


    Liebe Grüße
    Hexe :tanzen:

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