DGHO: „Krebstherapie bei älteren Menschen – zu viel oder zu wenig?“
Krebs ist eine Erkrankung vorwiegend des höheren Lebensalters. Auf ihrer diesjährigen Frühjahrstagung vom 15. bis 16. März beschäftigt sich die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. mit der optimalen Behandlung älterer Krebspatienten. Schwerpunkt des Symposiums „Krebs bei Älteren: die therapeutische Herausforderung der Zukunft“ ist die medikamentöse Tumortherapie. Ein großes Defizit sind fehlende klinische Studien bei Älteren zur Wirksamkeit und zur richtigen Dosierung von Medikamenten. Kritisch ist auch, dass der heutige Gesundheitsbetrieb den Älteren oft nicht genug Zeit für eine autonome Entscheidung einräumt.
Krebs ist eine Erkrankung vorwiegend des höheren Lebensalters. Dabei sind ältere Menschen noch unterschiedlicher als jüngere. Aufgrund ihrer Vorerkrankungen, ihrer Lebensgeschichte und auch ihrer Lebensplanung bilden die älteren Patienten eine sehr heterogene Gruppe. Manch 70-Jähriger kommt gerade von einer Alpenwanderung, wenn ihn die Krebsdiagnose überfällt. Ein anderer hat seit Wochen seine Wohnung nicht mehr verlassen, weil Herz- und Lungenschwäche ihn einschränken. Für Brustkrebs liegt das mittlere Erkrankungsalter bei 65 Jahren, für Prostata-, Lungen- und auch für Darmkrebs sogar bei etwa 70 Jahren. Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. beschäftigt sich auf ihrer diesjährigen Frühjahrstagung mit der optimalen Therapie älterer Patienten. Schwerpunkt ist die medikamentöse Tumortherapie.
Geriatrisches Assessment flächendeckend notwendig
Wer ist alt? Wer ist nicht belastbar? In der geriatrischen Onkologie wurden Testverfahren zur standardisierten Beurteilung der Belastbarkeit älterer Menschen entwickelt. Dieses geriatrische Assessment kann sowohl in Krankenhäusern als auch in Praxen schnell und sicher durchgeführt werden. Es ermöglicht über die Bestimmung von Laborwerten und über bildgebende Verfahren hinaus eine Objektivierung körperlicher und auch mentaler Funktionen. Die DGHO setzt sich für die flächendeckende Anwendung dieses geriatrischen Assessment ein. Pressemitteilung der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V.
Die Evidenz-basierte Medizin hat große Wissenslücken
Die größten Fortschritte in der Krebstherapie kamen in der jüngeren Vergangenheit durch neue Medikamente. Konzepte wie die vorbeugende medikamentöse Behandlung nach Brust- oder Darmkrebs, die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern, die gezielte Therapie in Tablettenform oder Formen der Immuntherapie sind Errungenschaften der letzten 20 Jahre. Die große Mehrzahl dieser Konzepte wurde bei jüngeren Patienten erprobt. Patienten über 65 oder 70 Jahre, auch Patienten mit anderen Erkrankungen, waren oft von Studien ausgeschlossen. Das ermöglicht in den Studien zwar eine bessere Standardisierung der Untersuchungsbedingungen, lässt Ärzte und Patienten aber ohne zuverlässigen Kompass unter Alltagsbedingungen. Nachträgliche Untersuchungen zeigen oft, dass auch ältere Patienten von denselben Behandlungen profitieren wie die jüngeren. Die Erhebung dieser Daten ist zeitaufwändig. Krebsregister können helfen, den Nutzen neuer Behandlungen auch bei älteren Patienten frühzeitig zu bewerten.
Auf die Dosis kommt es an
Bei fast allen Krebsmedikamenten ist die Dosis entscheidend. Eine zu hohe Dosierung bedeutet stärkere und manchmal kritische Nebenwirkungen, eine zu niedrige Dosierung kann zu einem fast völligen Verlust der Wirksamkeit führen. Gerade ältere Patienten leiden oft unter einer Einschränkung ihrer Nierenfunktion. Das bedeutet eine verzögerte Ausscheidung von Medikamenten und eine Ansammlung des Wirkstoffs im Körper. Entsprechend besteht eine Neigung, auch bei vielen Ärzten, für ältere Patienten von vornherein die Dosis eines Krebsmedikaments zu reduzieren. Von besonderer Bedeutung ist gerade bei älteren Patienten die sorgfältige und engmaschige Überprüfung möglicher Nebenwirkungen.
Gespräche und Beratungen sind entscheidend
Ein weiterer wesentlicher Fortschritt der Krebstherapie der letzten zehn Jahre war die Entwicklung gleichwertiger Behandlungen. Was zunächst enttäuschend klingt, ist gerade für ältere Patienten ein Gewinn. Gleichwertigkeit bedeutet, dass die Endergebnisse wie Heilung oder Überlebenszeit mit den verschiedenen Methoden gleich sind; die Methoden unterscheiden sich aber wesentlich in ihren Nebenwirkungen.
Die mögliche Auswahl zwischen zwei oder mehreren gleichwertigen Behandlungsoptionen erlaubt die Anpassung an die individuelle Situation. Wesentlich für eine Entscheidung ist die umfangreiche Information des Patienten. Das ist nicht in zehn Minuten möglich. Die DGHO setzt sich für einen höheren Stellenwert des ärztlichen Gesprächs ein, gerade in der Betreuung älterer Krebspatienten.