Meine Radiochemotherapie aus der Retrospektive
Stationäre Aufnahme für die begleitende Chemotherapie in der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie (Campus Benjamin Franklin) vom 14.7. – 22.7.20 und vom 17.8. – 24.8.20. Die erste und fünfte Woche begleitend zur Radiotherapie.
Der Aufenthalt dort gestaltete sich nicht als gänzlich ohne Probleme.
Das erste, was mir auffiel, war, dass sich die Station direkt neben einem stark frequentierten Hubschrauberlandeplatz befand. Tagsüber ruhen, war deshalb auch mit Ohrenstöpseln nicht oder kaum möglich. Zudem fand ich die hygienischen Zustände katastrophal. Duschen und Toiletten befanden sich außerhalb der Zimmer. Bei meiner Aufnahme waren es sechs Patienten, die sich eine Toilette teilen mussten. Da mindestens vier von diesen zur gleichen Zeit eine Chemotherapie hatten, war der Toilettenbesuch schon eine ziemlich unangenehme Angelegenheit. Denn durch das Wässern vor und nach der Chemo musste man beinahe im Minutentakt den Toilettengang antreten.
Positiv war wiederum, das oft Blutkontrollen erfolgten und alle anderen Werte regelmäßig mehrmals täglich kontrolliert wurden. Mir wurde für die Chemo eine PICC Line gelegt. Die ermöglichte sowohl die Chemo-Gabe als auch die Blutentnahme.
Über die Ärzte auf dieser Station bin ich nicht gut zu sprechen. Die Stationsärztin schien mir überfordert zu sein. Sie machte auch sonst einen unsicheren Eindruck auf mich. In meinem Beisein stritt sie sich lauthals mit einer Patientin herum. Diese, eine Privatpatientin war zu meinem Leidwesen auch meine Zimmernachbarin. Sie beschäftigte täglich Ärzte und das Plegepersonal mit unsinnigen Forderungen. Da sie bettlägerig war, war ich deshalb auch jedesmal Zeuge dieser Streitgespräche. Es schien ihr nie jemand etwas recht machen zu können. Genervt habe ich mich dann nach der letzten Chemo-Gabe des ersten Zyklus selbst entlassen.
Der zweite Chemozyklus verlief dann etwas relaxter, obwohl ich in einem Dreibettzimmer untergebracht war. Entsetzt hat mich aber wie einer der Ärzte mit Patienten umging. Eines Tages wurde eine Visite des Oberarztes angekündigt. Der kam dann auch mit der Stationsärztin im Schlepptau ins Zimmer. Begrüßte mich kurz und begann dann ein längeres Gespräch mit der Privatpatientin. Dabei ging es nicht nur um die Behandlung, sondern um das Bereitstellen einer Tageszeitung, Frühstückseier, Wahlessen, Einzelzimmer und das bei einem früheren Aufenthalt alles viel besser war. Jammern auf hohem Niveau. Nach diesem Gespräch nickten der Oberarzt und die Stationsärztin mir kurz zu und verschwanden. Eine halbe Stunde später erschien dann die Assistenzärztin allein und gab die Chemo frei. Das war wohl die Visite für mich, die Kassenpatientin.
Mein Fazit: Die Klinik für Radioonkoloogie und Strahlentherapie auf dem Campus Benjamin Franklin kann ich nicht empfehlen, Obwohl das Pflegepersonal sehr kompetent, freundlich und hilfsbereit war, sind die hygienischen Umstände auf der Station eine Katastrophe. Die Nähe der Station zum Hubschrauberlandeplatz macht es auch nicht besser. Es gab jedesmal lange Wartezeiten bevor die Chemo freigegeben wurde. Auch das Entlassungsmanagement war undurchsichtig. Musste ich mich beim ersten Zyklus noch nach der letzten Chemogabe selbst entlassen, war das dann nach der Beendigung des zweiten Zyklus noch am selben Tag ohne Weiteres möglich.
Auf Nachfrage zu den hygienischen Zuständen wurde mir erzählt, dass dies wohl die erste Station sein wird, die bald in ein neues Gebäude ziehen wird. Es bleibt zu hoffen.
Ambulante Radiochemotherapie in der Hochschulambulanz der Radioonkologie und Strahlentherapie am Campus Benjamin Franklin.
Zwei Drittel der Behandlungen dieser Therapieform sind glücklicherweise ambulant. Die Behandlung in der Hochschulambulanz war dann von einer ganz anderen Qualität. Von Anfang an straff organisiert, verlief die Therapie dort wie geschmiert. Es war ein eingespieltes Team. Jeden Mittwoch bekam man die Bestrahlungstermine für eine Woche. Es war möglich diese im Bedarfsfall auch zu verschieben. Mit An-und Ausziehen dauerte die Bestrahlung jeweils 10 Minuten. Auch in der Ambulanz gab es regelmäßige Blutkontrollen und einmal wöchentlich ein Gespräch mit dem behandelnden Strahlentherapeuten.
Meine Blutwerte blieben während der gesamten Therapie stabil. Von Anfang an aber hatte ich nach jeder Bestrahlung Ermüdungserscheinungen, die ungefähr eine Stunde andauerten. Nach drei Wochen entwickelte sich eine leichte Proktitis. Die bekam ich aber mit Zäpchen und einer Salbe in den Griff. In der sechsten und letzten Woche hatte ich dann doch einen Harnwegsinfekt bekommen. Nach einer Antibiotikakur war das nach ein paar Tagen ausgestanden.
Während der Therapie blieb ich also von den meisten heftigen Nebenwirkungen verschont. Jetzt, drei Monate nach der Radiochemotherapie wurde aber ein Vitaminmangel B12 festgestellt und werde ich noch untersucht wegen eines Verdachts auf Entzündung eines Stückchen Darms. Ich vermute, dass das noch unmittelbar mit der Radiochemotherapie zusammenhängt. Da der Nachkontrolltermin bei der Strahlentherapeutin wegen Corona abgesagt wurde, werde ich doch noch einmal auf die Möglichkeit einer Videokonferenz zurück greifen und mich weiter informieren.
Alles in allem empfand ich diese sechs Wochen als machbar. Wie sich die Nebenwirkungen der Therapie weiter entwickeln werde ich hier berichten.
Falls ihr Fragen haben solltet, stellt sie bitte.
Liebe Grüße
Ines