Mein langer Weg zum Blasenkrebs (Bericht aus dem Jahr 2010 ff.)

  • Bin neu hier

    - ein langer Weg falscher Diagnosen und Behandlungen führte mich zu meiner heutigen Situation.


    Hallo,

    ich bin neuhier und habe meinen Nickname nach hinter mir liegenden langen diagnostischen Irr-Weg, der mich jahrzehntelang von „von Pontius zu Pilatus“ führte, gewählt.


    Am 8.10.2010

    erhielt ich im Waldkrankenhaus Erlangen nach einer von Prof. Wullich durchgeführten TURB die Diagnose:

    „Multifokales Urothelkarzinom pT1 G3 + Cis“.


    Die Ursache des ganzen ist ein persistierender (teilweise zur Blase hin offengebliebener) Urachus, der erst vor wenigen Wochen erkannt wurde, der aber durch von ihm verursachte jahrzehntelange ständige Blasenentzündungen erst zu einer chronischen interstitiellen Zystitis und letztendlich dann zum Krebs geführt hat


    Ich bin männlich, 59 Jahre alt, 90 kg, 186 cm, und hoffe, mich hier mit Leidensgenossen etwas austauschen zu können, da ich mich hinsichtlich der zwei Therapiemöglichkeiten (Neoblase oder Chemo-/Radiotherapie) noch nicht entschieden habe, dies aber in den nächsten ca. zwei Wochen tun muß.


    Da sich meine diagnostische/therapeutische Vorgeschichte, nach allem, was ich in diesem Forum schon gelesen habe, von der der meisten anderen hier unterscheidet, erzähle ich mal alles von Anfang an (vielleicht interessierts ja wen…):


    Erste heftige, in längeren Intervallen wiederkehrende Unterbauchschmerzen mit 9 Jahren.

    Medizinische Maßnahme 1960: Blinddarm raus.


    Bauchschmerzen weiterhin intervallartig wiederkehrend.


    Medizinische Maßnahme 1965: Darmoperation (genaues weiß ich nicht, war damals erst 14)

    Bauchschmerzen weiterhin wiederkehrend, manchmal auch mit Fieber.


    Ab ca. 1967 Blasenentzündungen, in mal kürzeren, mal längeren Abständen.


    Ab 1978 teilweise starke Rückenschmerzen im LWS-Bereich, Blasenentzündungen immer häufiger.

    Enge Gürtel oder Hosenbunde lösten starke Rückenschmerzen aus.


    Bin dann zum Orthopäden und es wurde auch geröntgt, aber nichts gefunden.


    1985 erstmals zum Urologen, weil die Blasenentzündungen immer häufiger kamen:

    Diagnostische Maßnahme: Urin untersucht, Prostata rektal getastet. Befund: Prostatitis.

    Therapie: Prostatin schlucken. Hat überhaupt nix gebracht. Richtig ernst genommen hat der mich sowieso nicht.


    1987 taucht eine hartnäckige Balanitis auf mit Schleimhautrötungen und kraterartigen Kleingeschwüren, dazu stinkender gelbweißer Ausfluß.

    Bin wieder zum Urologen, inzwischen ein anderer, und bekam wieder die Prostatitis als Diagnose zu hören, kriegte aber ein paar Spritzen mit Antibiotika.

    Danach war zwar die Balanitis nicht weg, jedoch einige Monate lang die Rückenschmerzen!!!!! Die Balanitis veränderte sich später, die Geschwüre und der Ausfluß verschwanden, nur die Schleimhautrötung auf der Eichel blieb (bis heute)


    1993 infolge der dauernden Verspannungen Bandscheibenvorfall L4/L5 links, 1994 dann mit Lähmung des linken Fußes und des Blasenschließmuskels.

    Bandscheiben-OP 1994 in Regensburg (Barmherzige Brüder, Prof. Gruß). Die Fußlähmung war sofort danach viel besser, die Blase funktionierte auch wieder, tat aber in den ersten Tagen nach der OP saumäßig weh.


    Die Rückenschmerzen blieben, die ständigen Blasenentzündungen auch. Hinzu kam extreme Kälteempfindlichkeit, bereits der geringste Luftzug löste eine BE aus.

    Neu waren auch starke Gelenkschmerzen, die aber auch periodisch schwankten.


    1998 sagte mein Hausarzt, es könne sich möglicherweise um eine Borreliose handeln, man fand auch Antikörper. Deshalb eine 5-monatige orale Therapie mit Doxycyclin 400 – 600 mg/Tag.

    Das brachte eine gewisse Besserung bei den Rückenschmerzen, aber an der Gesamtsituation änderte sich praktisch nichts.


    Insgesamt wurde alles eigentlich langsam immer schlechter. Sitzen und insbesondere Autofahren wurde richtig schmerzhaft.


    2000 habe ich mich nochmal zu einem Anlauf aufgerafft und bin nach Wiesbaden in die DKD.

    Dort bekam ich nach diversen Untersuchungen von einem Prof. Abdelhamid (Internist und einAusbund an Arroganz und Ignoranz) die Diagnose „Langjähriges vegetativ-phobisches Syndrom“ und die Empfehlung einer psychotherapeutischen Behandlung. Ach ja: für die Balanitis

    gabs noch eine Salbe.


    Danach hatte ich die Nase voll und ließ einige Jahre alles auf sich beruhen, wollte mir keine weiteren diagnostischen Anläufe mehr antun.


    Ab 2004 wurde aber die Blasenkapazität immer kleiner, hinzu kam imperativer Harndrang.

    Gleichzeitig verschwanden die BE-Symptome mit dem brennenden Schmerz und Drang.

    Stattdessen kam ein permanenter, aber erträglicher Schmerz (brandig) im Bereich Blase/Harnröhre.


    Beim Wasserlassen tauchten geleeartige Fetzen mit Blutfäden drin auf. Ich mußte also doch noch mal auf die Suche gehen.


    Weil ich als Kind mit 4 Jahren mal Scharlach mit anschließender Mittelohr- und Nierenentzündung hatte, bin ich zu einem Nephrologen (Dr. Nikolay in Fürth, der heute für mich Hausarztfunktion hat) gegangen. Die Nieren waren aber in Ordnung. Nachdem er mich an einige Fachärzte verwiesen hatte um z.B. Bechterew oder Crohn auszuschließen, empfahl er mich 2008 zu einem Urologen, Prof. Herrlinger in Fürth, um eine Blasenspiegelung machen zu lassen.

    Befund Prof. Herrlinger nach der Blasenspiegelung und Auswertung meiner Röntgenbilder: „da ist nur eine leichte Blasenwandverdickung, sonst nichts“.


    Ich hatte inzwischen ja wegen der Ausschlußdiagnosen einige CTs und MRTs gemacht bekommen, auf denen man meine Blase auch im Längsschnitt sieht. Sie sah nach oben hin aus wie die Zipfelmütze eines Gartenzwergs. Das sei aber, lt. Prof. Herrlinger, eine Varietät innerhalb einer normalen Bandbreite.


    Ein Proktologe am UK Erlangen, Prof. Matzel, fand immerhin eine ausgeprägte Proktitis, die aber nicht ursächlich für die ganzen Beschwerden sein könne. Er empfahl eine erneute urologische Abklärung.


    Inzwischen kam beim Wasserlassen schon richtig viel Blut, das ganze Geschehen schien auch tiefer zu rücken. Ich mußte bis zu 40x täglich wasserlassen, somit kam ich nachts kaum noch zu längerem Schlaf und war entsprechend fertig.


    2009 bin ich dann in die Urologie der UK Erlangen im Waldkrankenhaus Erlangen, zu Prof. Wullich.


    Dort wurde, unter Vollnarkose, eine Blasenspiegelung mit Biopsien gemacht.


    Und, endlich (!!!!) ein Befund: interstitielle Zystitis, die Pathologie der Proben war allerdings negativ.


    Mitte 2010, der Zustand war inzwischen so, daß ich nur noch sehr eingeschränkt arbeitsfähig war, wurde in der Röntgenpraxis am Waldkrankenhaus Erlangen nochmals ein CT gemacht. Ein MRT konnte ich wegen der inzwischen sehr geringen Blasenkapazität zeitlich schon nicht mehr durchhalten.


    Die Röntgenärztin, Frau Dr. Hofmann-Preiß, erläuterte mir anschließend die Bilder und teilte mir mit, daß sie einen teilweise offenen Urachus sah, der unbedingt abgeklärt werden müsse.


    Das führte zu der nochmaligen Blasenspiegelung (TURB) mit dem o.g. Befund.


    So, und nun muß ich mich entscheiden und wäre dankbar für alle Tipps und Erfahrungen, die andere hier bereits gemacht haben.


    Schon jetzt mal vielen Dank für Eure Hilfe.


    Martin

    geboren 1951, TURB am 8.10.2010, pathologischer Befund: pT1 G3 + Cis, am 25.11.2010: Urachusresektion; seit 17.1.2011: RCT in Erlangen, RCT am 2.3.2011 mit der 33. Bestrahlung abgeschlossen.