Diese Antwort ist hauptsächlich an JoFo76 und Chris1965 gerichtet. Es betrifft die Sache in der Lunge.
Vielen Dank JoFo für die akkurate Übersetzung und Christina für ihre deutlichen Worte, die mich - zugegebenermaßen - berührt hat.
Dieses Mal muß ich weiter ausholen, um mein Verhalten erklären zu können.
Es war Winter 2011, wir - meine Familie und ich waren auf Besuch in Deutschland, um Weihnachten mit meiner Mutter (70) zu verbringen. Sie hatte Anfang Januar noch einen Arzttermin und sie bat mich, sie zu begleiten. Diagnose: Lungenkrebs.
Da es für uns beide natürlich ein riesiger Schock war, habe ich natürlich noch die genauen Worte des Arztes im Gedächtnis. "Sie brauchen sich nicht allzu viel Sorgen zu machen. Der Krebs ist noch jung und klein, sitzt an beiden Eingängen der Lungenflügel, und mit einer Chemo-Therapie werden wir das
Problem relativ schnell in den Griff kriegen."
Gesagt, getan. Meine Mutter unterzog sich der Prozedur, und zu unser aller (positiven) Verwunderung war sie im Sommer 2012 krebsfrei. Ende September/Anfang Oktober dann - ich war längst wieder nach Thailand zurückgekehrt - bekam ich einen Anruf von meiner Kusine, daß es meiner Mutter nicht gut geht und ich, so schnell
ich kann, kommen sollte. Als ich mit dem nächstbesten Flug eine Woche später in D. ankam, lag meine Mutter bereits auf der Palliativstation. Der Krebs hat mit voller Wucht zurückgeschlagen. Kopf, Lunge, Blut, Lymphknoten ... überall. Sie starb am 2. November.
Ich ging natürlich auch zu ihrem Arzt und fragte nach Informationen. Er sagte mir wörtlich, daß "die gute Frau nie eine Chance hatte." Ich habe bei ihm nachgefragt und seine Worte wiederholt, die er uns in unserem ersten Treffen bei der Diagnose gegeben hat. Er erwiderte: "Was hätte ich denn sagen sollen?
Daß wir ihr nicht helfen können? Es wäre nicht hilfreich gewesen." Meine nächste Frage war:"Warum dann die Chemo, wenn es eh keine Hoffnung gab?" Er antwortete: "Weil wir dadurch ihr Leben verlängert haben, und zwar genau um die Dauer der Chemo." Ich habe lange gebraucht, um diesen Satz zu verdauen.
Schnitt in der Chronologie. Nochmal ausholen, um dann am Ende den Bogen zu spannen, damit sich der Kreis schließt.
Als Ausländer in einem fremden Land brauche ich hier in Thailand eine Aufenthaltsgenehmigung. Ein Visum, das ich jedes Jahr erneuern bzw. verlängern lassen muß. Zum üblichen Papierkrieg brauche ich auch ein Gutachten eines Krankenhauses, eine Bestätigung, daß ich keine Drogen nehme und daß ich keine ansteckenden Krankheiten habe.
Die Untersuchung beinhaltet unter anderem eine Blutprobe, Urinprobe und ein X-Ray, also eine Röntgen-Aufnahme.
Es war Dezember 2020, mitten in der C-Pandemie, auch hier Lockdowns und Isolationen. Das Krankenhaus war so gut wie leer; jedermann verschob seine Behandlungen, wenn es irgendwie möglich war. Ich wartete vor dem Arztzimmer geduldig auf mein Statement für die Immigration. Bei der Aushändigung sagte mir der Doktor, daß er "Schatten" auf dem Röntgenbild ausgemacht habe und er mir dringend rät, die Sache genauer zu untersuchen. Er sagte unter anderem, frei übersetzt, daß der Schatten am Eingang noch klein ist und das Problem mit einer Chemo-Therapie ruck-zuck erledigt wäre. ("get rid of it in no time"). Sofort dachte ich an meine Mutter und an ihr Schicksal. Ist jetzt die Zeit gekommen, dasselbe Schicksal zu teilen? Die Aussagen der Doktoren waren sich soo ähnlich, fast identisch. Ich erwiderte, daß ich es mir überlegen werde und ihm gegebenenfalls dann Bescheid geben würde. Er entgegnete, daß es - selbstverständlich - meine alleinige Entscheidung ist, was ich mit meinem (restlichen) Leben anzufangen gedenke. Er kann jetzt nur auf gesunden Menschenverstand hoffen (common sense).
Ich muß zugeben, die Worte des Arztes haben mich schwer beeindruckt. Was sollte ich jetzt tun? Wird dieses Jahr mein letztes Jahr sein? Ich beschloß, es niemandem zu sagen, nicht mal meiner Frau. Wollte es nicht wahrhaben, aber gleichzeitig auch nicht verdrängen. Ich beschloß, von nun an gesünder und bewußter zu leben. Gesündere
Ernährung, weniger Bier trinken, was für mich nicht schwer war. Auch das Rauchen reduzierte ich auf die Hälfte, was mir im Vergleich dazu eindeutig schwerer fiel.
Das Jahr ging vorbei und ich mußte wieder wegen meinem Visum zum Krankenhaus. Die selbe Prozedur, der selbe Arzt. Wieder saß ich im Arztzimmer, als ich das Ergebnis der Untersuchung in einem Umschlag überreicht bekam. "Keine schwere Krankheit? Keine Probleme"? fragte ich. "Nein", sagte er, "alles in Ordnung".
Ich begann, ihn mit seinen Aussagen vom letzten Jahr zu konfrontieren. Er konnte sich an mich nicht mehr erinnern. Ich an ihn aber sehr wohl! Zum Abschluß unseres Gesprächs warf er mir noch einen letzten Satz zu, der ungefähr so lautete, daß ich doch "zufrieden und glücklich sein sollte aufgrund der Tatsache, gesund zu sein. Auch etwas mehr Dankbarkeit gegenüber meinem Schöpfer wäre angebracht."
Und hier schließt sich der Kreis. Aufgrund dieser Erfahrungen, die ich machen mußte, wird vielleicht ersichtlich, warum ich ein eher gestörtes Verhältnis zu Ärzten habe und das Vertrauen, das essentiell und notwendig ist, leichtfertig zerstört wurde.
Um jetzt schließlich die Übersetzung von JoFo76 zu kommentieren und einzuschätzen: Der Hinweis auf einen Knoten in der Lunge betrachte ich - zugegeben etwas zynisch formuliert - als "Höflichkeitsfloskel", die dem Zweck dienen soll, weiterhin in Kontakt zu bleiben. Ich verweise auf meinen Eingangspost, wo ich bereits geschildert habe,
daß ich zeitgleich mit oder von der OP eine Lungenembolie davongetragen habe. Das gesamte Team jedoch wusste oder sah nichts von einem Lungenknoten. Und jetzt
ein anderes Team, wo ich meine Nachsorge erledigte, das auf deutsch gesagt zu dumm war, eine Branüle für das Kontrastmittel zu setzen, will einen Lungenkrebs ausgemacht haben. Sorry, aber ich falle nicht mehr darauf herein. Natürlich kann ich mich täuschen, ich bin weiß Gott nicht unfehlbar, aber die Wahrscheinlichkeit, daß ich falsch liege, ist mMn sehr überschaubar.
Gruß Claus