Donnerstag den 7.12.2006 (1. postoperativer Tag)
Ich wusste gar nicht, dass es auf einer Intensivstation so laut sein konnte oder durfte, diese Intensivstation unterschied sich nur durch die technischen Geräte, dem Monitor, der meine Herzfrequenz aufzeichnete, dem supermodernen elektrischen Bett und dem sichtbar hochqualifizierten Personal, welches sich sehr um mich bemühte, von der Normalstation. Meine geliebte Schwester Bärbel ( alle heißen wirklich nicht Elke) hatte Schichtende und ein junger, ebenfalls sehr netter und korrekter Pfleger übernahm die Frühschicht. Erst jetzt nahm ich das nerventötende Piepen hinter mir war, spürte ich den Widerstand, der jedes Mal dann einsetzte, wenn ich atmen wollte und immer wieder fiel ich einen schlafähnlichen Dämmerzustand. Von ganz weit her hörte ich die Stimmen des Pflegepersonals und das Aneinaderschlagen von metallischen Gegenständen. Hallo Herr B. aufwachen ! Die Stimme war weit weg, aber der junge Pfleger stand ganz nah an meinem Bett. Wieder erwachte ich und sah den Pfleger an. Herr B., ich glaube, Sie können nun alleine atmen, wir können den Beatmungsschlauch entfernen! Er fuhr die Rückenlehne des elektrischen Bettes etwas hoch und fing an, den wie mir schien, ewig langen Beatmungsschlauch aus meiner Nase zu ziehen. Zuerst dachte ich ersticken zu müssen, ein starker Brechreiz wurde ausgelöst, das Schlucken fiel mir schwer und tat weh, doch dann nach wenigen
Atemzügen ging es wieder besser mit der Atmung und mit meinem Befinden. Der Pfleger verschwand und ich schlief erschöpft wieder ein, immer dieses Piepen hinter mir im Ohr.
Wieder wurde ich geweckt, wieder der höfliche korrekte Pfleger, dieses mal kam er mit einer Waschschüssel und wusch mir mit einem Waschlappen das Gesicht ab, ich versuchte etwas von der Feuchtigkeit des
Waschlappens einzusaugen, lies es aber gleich wieder sein, denn der Waschlappen schmeckte nach Seife. Auch die nächste Möglichkeit etwas Trinkbares zu erhaschen, zerschlug sich, der Pfleger putzte mir zwar
die Zähne, ließ mich auch spülen, sah aber genau zu, als ich spülte, also keine Chance, mal einen kurzen und kräftigen Schluck aus dem Zahnbecher zu nehmen. Nun ging es daran, die Betten zu machen und auch mich verschonte man davon nicht, wie ich zuerst hoffte. Dazu kam der Pfleger in Begleitung einer Schwester ( nicht ganz so süß wie meine Bärbel) und gemeinsam rollten sie mich von einer Bettseite auf die andere, damit sie mein Bettlaken wechseln konnten, welches auch schon fühlbar feucht geworden war. Woher, das sollte ich erst später ergründen. Das nächste Mal wurde ich wach, als mich ein netter Arzt, er war wohl so um die 60, mit seinen gütigen warmen Augen ansah, es war ein Professor, der mit seinem Team Visite machte. Er lies sich von seinem Oberarzt Bericht erstatten und sagte mir, dass ich in einer recht guten körperlichen Verfassung sei, eigentlich heute schon die Intensiv verlassen könne , wegen schlechter Transportmöglichkeiten aber noch bis Morgen bleiben dürfe. Dies war mal wirklich ein Arzt, der Vertrauen, Kompetenz und eine sagenhafte Güte ausstrahlte. Als diese Abordnung mein Zimmer verlassen hatte, fing ich an, wieder etwas klarer denken zu können, das Narkosemittel schien ganz langsam an
Wirkung zu verlieren.
Ich schaute mich an und entdeckte an meinem linken Handrücken eine bunte Dauerkanüle, die aussah wie ein Schmetterling. In meinem linken Handgelenk steckte ein dünner Schlauch, aus meinem Hals auf der rechten Seite kam der zentrale Venen-Katheder, über den ich mit allen wichtigen Medikamenten versorgt wurde. Ich schlug mit Mühe meine Bettdecke zurück, aus dem riesigen Pflaster, welches meinen ganzen Bauch bedeckte, kamen eine Unmenge an Kabeln und Schläuchen heraus, die ich noch nicht richtig zuordnen konnte. Links von mir stand der Monitor, von dem dieses komische Piepen herkam, es war wohl das EKG – Gerät. Also die Saugnäpfe auf meiner Brust, in denen viele der Kabel steckten, gehörten zu dem EKG–Apparat, so viel realisierte ich in meinem Dämmerschädel doch schon wieder. Die Schläuche, die aus meinem Bauch kamen, führten alle zu einem Galgen, der rechts neben meinem Bett stand. Der Galgen hatte auf drei Ebenen mehrere Haken, an denen unten und in der Mitte eine Menge Beutel
hingen. Die obere Etage des Galgens war mit verschiedenen Infusionsflaschen und Beuteln bestückt. Später sagte mir ein Arzt:“ oben hängt das, was in den Körper rein muss und unten das, was wieder raus
muss.“
Nun sah ich auch, woher die Feuchtigkeit auf meinem Bettlaken kam, der ganze Bauchverband war völlig durchnässt und auch mein Krankenhaushemd war auf der linken Seite klatschnass. Ich nahm mir vor, den Pfleger zu informieren sobald er wieder nach mir sah.
Die Schiebetür zu meinem Raum bewegte sich und es schwirrte, nein es rauschte, eine recht junge, vor Elan sprühende Ärztin grußlos herein. Auf dem Namensschild ihres weissen Kittels stand DR. P. In ihrem
Schlepptau hatte sie einen jungen Mann, allerdings sprühte dieser nicht vor Elan und er war auch grün bekittelt. Bevor ich etwas sagen konnte wegen meines durchnässten Verbandes, sagte sie in einem scharfen Kommando-Ton zu dem Mann im grünen Kittel:“ so, messen Sie mal den Urin-Menge, Sie haben das ja gelernt und das alle zwei Stunden, machen Sie Aufzeichnungen und dann geben wir Novalgin gegen die Schmerzen. Sie lupfte meine Bettdecke, ( mich hatte sie noch immer nicht zur Kenntnis genommen), drehte mir dann den Rücken zu, schaute in meine Krankenakte, die hinten auf dem Tisch lag und schwirrte wieder hinaus, jedoch nicht ohne vorher - so im Vorbeischwirren - auf den EKG Monitor geschaut zu haben. „ Seit wann haben Sie denn Herzrhythmusstörungen?“ fragte sie, mir blieb nur noch die Antwort:“ seit eben, als Sie das gesagt haben, ich hatte vorher nie welche, ich bin Sportler“. Schwupps, weg war sie und der arme junge Mann im grünen Kittel machte sich völlig unsicher und hilflos an einem meiner vielen Beutel zu schaffen.
Ich bekam Angst, spinnen die denn hier, was wollen die denn auf Intensiv mit mir machen? Ich fragte den jungen Mann, wer er sei und es stellte sich heraus, dass er kaum Deutsch sprach, es war ein Gastarzt aus der Ukraine, der sich sichtlich unwohl in der ihm zugedachten Rolle fühlte. Ich untersagte ihm scharf, auch nur den kleinen Finger an mich zu legen und verlangte den Chefarzt zu sprechen. Und Novalgin wolle ich schon gar nicht, ich lasse doch nicht an mir herumpfuschen, bin doch kein Versuchskaninchen.
Jetzt hatte ich auch noch Herzrhythmusstörungen, ich, der Marathonläufer. Verzweifelung wollte mich übermannen, was hatten die während der OP. falsch gemacht, war etwas doch nicht so gut verlaufen?
Plötzlich hörte ich eine Stimme auf dem Flur, eine Stimme, die so wohl klang, die ich schon hunderte, nein tausende Male gehört habe und diese Stimme bekam ein Gesicht und steckte, während sich der Grünkittel trollte, dieses durch einen Spalt an der Schiebetür meines Zimmers. Es war Evchen, es war meine kleine geliebte Ev, der ich ja eigentlich verboten hatte, mich auf Intensiv oder der Wachstation zu besuchen. Ich wollte nicht, dass sie mich in einem schlechten Zustand sieht, mit den vielen Beuteln usw. Nun war ich froh, dass ihre Sorge um mich größer war als ihr Respekt vor meiner Bitte.
„Stell Dir vor“, eröffnete sie das Gespräch, „wen ich eben getroffen habe: den W. - mein Blick war fragend – ja, den Professor W., mein ehemaliger Chef in der 2. Med. ( Ev hatte 25 Jahre in der 2. Med. Klinik
gearbeitet), er ist jetzt Chefarzt der Intensivstation.
Ich freute mich wahnsinnig und erklärte Ev, was ich soeben erlebt habe , sie flitzte aus der Tür und kam 5 Minuten später mit dem Arzt ´zurück, der diese warmen gütigen Augen hatte, es war Professor W. Ich erzählte ihm von der jungen Ärztin, meinen vermeintlichen Herzrhythmusstörungen und er schaute auf den Monitor. Dann sagte er geringschätzig nur einen Satz:“ Forget it! Sie hatten eine 10-stündige Narkose dass da Ihr Herz ein paar Sprünge macht, ist völlig normal. Die Kollegin ist manchmal etwas übereifrig.
Ev und der Prof. tauschten noch ein paar Belanglosigkeiten aus, alte Klinikerinnerungen, wer arbeitet noch da, wer hat woanders hingewechselt, was hat sich verändert. Bevor der Prof. verschwand ( echte Prof. haben wohl nie Zeit) bestätigte er Ev nochmals meinen guten Allgemeinzustand, was uns beide sehr beruhigte und in mir eine Initialzündung auslöste. Ja, ich würde kämpfen und der richtige Kampf begann jetzt, auf der Stelle. Als Ev ging, gab ich ihr das Siegeszeichen mit auf den Weg. Ein V , Zeigefinger und Mittelfinger zu einem V gebildet: Victory, Sieg. Ich würde siegen!!
Übrigens, den armen ukrainischen Gastarzt habe ich nie wieder gesehen. Die junge Ärztin sah ich einen Tag später bei der Visite von Prof. W. wieder, sie war sehr nett und zugänglich, plötzlich konnte sie guten Tag und auf Wiedersehen sagen. Von Rhythmusstörungen hat bis heute keiner mehr gesprochen und Novalgin habe ich auf der Intensivstation nicht bekommen. Erst später auf der Wachstation, immer mal zwischendurch, wenn die Schmerzpumpe nicht mehr ausreichte und dies war sehr selten. Am Abend kam ein Arzt aus der Urologie und wechselte mir den völlig durchnässten Bauchverband. Die Nässe kam von dem linken Schlauch in meinem Bauch, der nicht 100% dicht abschloss, über diesen floss die Lymphflüssigkeit in einen der Beutel neben meinem Bett.
Freitag den 8.12.2007 ( 2. postoperativer Tag)
Gegen 15:00 wurde ich zurück in die Urologie verlegt, dort kam ich auf die Wachstation , ich lag alleine in einem Zimmer und wurde sofort an das EKG und an ein Blutdruckmessgerät angeschlossen, der Schlauch in meinem linken Handgelenk ( es war der für die elektronische Blutdruckmessung) wurde mir noch auf der Intensiv entfernt. Die Blutdruckmessung erfolgte nun über eine Manschette am Oberarm, welche sich alle 20 Minuten mit einem lauten Geräusch aufblies und mich jedes Mal erschrocken aus dem Halbschlaf holte. Ich bat zwar die diensthabende Schwester, mir diesen Nerventöter zu entfernen, sie aber lehnte mit dem Hinweis auf ihren Überwachungsauftrag höflich ab. Sie verließ das Zimmer und ich murmelte ihr noch so etwas wie „ zum Wohle des Patienten“ hinterher. Dieses blöde Blutdruckmessgerät ging mir total auf den Keks, meine Rettung war dann Oberarzt Dr. Gilizer, mein Hauptoperateuer, der nach mir sah und den ich bat, mir diesen Nerventöter abzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt wurde nur noch einmal am Tag der Blutdruck gemessen. Das wichtigste jedoch für mich war, ich hatte Ruhe und konnte ab und zu schlafen.
Hunger verspürte ich in meinen Wachphasen kaum, ich hatte ja eine Magensonde in der linken Seite meiner Bauchdecke, über die ich künstlich ernährt wurde. Aber dieser Durst, der Durst war unerträglich, ich wäre sehr gerne ein Held gewesen, der sicher in der Lage gewesen wäre, dieses schlimme Gefühl des Durstes zu ignorieren, ich war aber keiner.
Als die Schwester kam, fragte ich sie, ob ich etwas zu trinken bekommen könne, sie lehnte ab und kam etwas später mit einem Päckchen Wattestäbchen zurück. Feuchte Stäbchen mit Zitronengeschmack, ich sog
gierig daran, aber es kam kein bisschen Flüssigkeit und der Zitronengeschmack konnte meinen Durst weder löschen noch lindern.
Am Abend kam zur Schichtablösung ein Krankenpfleger, ein netter Kerl, er erzählte mir, dass er Kroate sei und im Serbisch – Kroatischen Krieg Sanitäter war. Ein Beweis, dass er ein guter Sanitäter war würde er mir bald liefern.
In der Nacht kamen die ersten Schmerzen im Unterleib und ich musste öfter einmal meine Schmerzpumpe betätigen, so hielt ich die Schmerzen im Zaum. Leider musste ich auch mehrmals meinen Kroaten rufen, denn ich bekam leichte Kreislaufprobleme und Brechreiz , was durch eine Spritze, die der Pfleger in eine der Infusionsflaschen gab, bald wieder behoben war. Die Nacht wurde trotzdem unruhig und die ständige Rückenlage bereitete mir langsam Probleme. Evchen war heute nicht da.
Samstag den 9.12.2006 (3. postoperativer Tag)
Die Treppenhausbeleuchtung des der Urologie gegenüberliegenden Hochhauses, welches ich durch ein Fenster meines Krankenzimmers sah, schaltete sich ein . Gespannt beobachtete ich den Teil des
Treppenhauses, welchen ich einsehen konnte, ob ich jemanden sah. Vielleicht eine der türkischen Putzfrauen, vielleicht eine schicke Ärztin, doch es war nichts zu erkennen. Ich hatte kaum geschlafen, hatte
Schmerzen im Bauchbereich und immer noch diesen furchtbaren Durst. Dazu kam, dass sich jetzt auch ein unangenehmes Ziehen in meinem Darm meldete, irgendetwas war da, irgendein Fremdkörper. Ich fasste mit der rechten Hand, so gut es ging, zwischen meine Beine und konnte einen langen Schlauch spüren, der aus meinem After herauskam. Dieser Schlauch mündete allerdings nicht in einen Beutel, er lag frei neben meinem rechten Oberschenkel und ich konnte ihn noch nicht zuordnen. Später erfuhr ich dann, dass es sich um ein Darmrohr handelte, welches den Zweck erfüllte, die entstehenden „warmen Winde“ abzuführen, damit es nicht zu Blähungen und damit zu Belastungen meines ohnehin lädierten Darmes kommen kann.
Gegen 8:00 betrat dass erste menschliche Wesen in Form einer schweigsamen Schwester mein Krankenzimmer. Sie machte mir in sehr gebrochenem Deutsch und mit dem minimalsten Aufwand an Worten
begreiflich, dass ich versuchen solle aufzustehen. Meinen sofort aufflackernden Widerstand ignorierte sie, indem sie einfach meine Bettdecke zurückschlug und fast akzentfrei das Wort „versuchen“ sagte.
Was blieb mir anderes übrig. Mit einer immensen Anstrengung, unter starken Schmerzen in der Bauchmuskulatur, schaffte ich es, mich im Bett aufzurichten und langsam meine Beine über die Bettkante auf den Boden baumeln zu lassen. Sofort wurde mir schwindelig, die Schwester hielt mich und ich versuchte meinen Blick geradeaus zu halten, nicht auf den Boden, denn wenn ich das tat, fing in meinem Kopf sich alles an zu drehen und ich war einer Ohnmacht nahe.
Mehrer Minuten vergingen, in denen mein Organismus versuchte, sich an die neue Körperhaltung zu gewöhnen. Als dies einigermaßen geschehen war, versuchte ich mit zusammengebissenen Zähnen und unter Aufbieten meines ganzen Willens aufzustehen, mit einem Ruck stand ich. Sofort wurde mir wieder schwindelig, was aber diesmal nach wenigen Sekunden nachliess. Gestützt auf die Schwester, die in der anderen Hand den fahrbaren Galgen mit meinem ganzen „Reisegepäck“ (den ganzen Flaschen und Beuteln) hatte, wankte ich zu der kleinen Waschtoilette, die sich in ca. 5 Meter Entfernung von meinem Bett befand. Dort angekommen sank ich erschöpft auf einen kleinen Hocker, den die Schwester mit einem Fuß vor das Waschbecken stieß. Die Schwester stellte mir eine Schüssel mit Wasser und einem Waschlappen in das Becken, legte eine Fertigzahnbürste nebst Plastikbecher dazu und gab kurz den Befehl:“ waschen“. Ich war total fertig, aber auch glücklich über meine Leistung, ich fühlte mich nun
fast als Held!!
Als ich mich etwas erholt hatte, fing ich an, mich mit der rechten Hand etwas zu waschen. Was war das für eine Wohltat, endlich das frische kühle Wasser in meinem Gesicht zu spüren, immer wieder tauchte ich den Waschlappen in die Schüssel und immer wieder wusch ich mein Gesicht, die Brust und die Achseln vorsichtig ab. Beim Zähneputzen wagte ich es mit aller Beherrschung, der ich nur fähig war, nur ganz wenig Wasser zu schlucken. Wirklich, nur ganz wenig!! Aber meinen Mund, den spülte ich immer und immer wieder mit dem kühlen Nass aus.
Die Schwester brachte mir ein Handtuch. Während ich mich umständlich abtrocknete, bezog sie mein Bett neu und führte mich dann zurück zu meinem frischen Lager, dort wechselte sie mir auch den Verband an meinem Bauch, der schon wieder stark nässte. Viele Worte machte die Gute allerdings immer noch nicht. Ach so, diese Schwester hieß Maria und kam aus Portugal. ( Wahrscheinlich hieß sie darum auch Maria und nicht Elke!)
Den restlichen Tag verschlief ich wieder in einem Dämmerschlaf, ich hatte mir wegen leichter Unterleibsschmerzen von meiner stummen Schwester ein Schmerzmittel erbeten und sie tat mir etwas Novalgin (wie sie sagte) in einen der Transfusionsbeutel. Der Druck auf den Knopf der Schmerzpumpe brachte schon länger nicht mehr die erhoffte Wirkung. Zudem kam, dass ich durch das Schmerzmittel immer einen wohligen leichten Bewusstseinszustand erfuhr und schneller einschlief.
Am Nachmittag bekam ich Besuch von Evchen und meine Freude war riesig darüber, dass sie es geschafft hatte, mich auf der Wachstation zu besuchen, ich hatte damit nicht gerechnet.
Wir hatten uns vielleicht 10 Minuten unterhalten, als gegen 17:00 mein kroatischer Pfleger, der Spätschicht hatte, auftauchte und mir mitteilte, dass er nun dass Darmrohr ziehen wolle, Ev wollte zwar erst
hinausgehen, aber ich bat sie, zu bleiben. Der Pfleger half dabei, als ich mich auf die linke Seite rollte. Er legte eine dicke Lage Zellstoff in Höhe meines Hinterteils in das Bett und machte sich dann an dem
Schlauch zu schaffen, welcher in meinem Darm steckte. Als er daran zog, fluchte er leise, denn er stellte fest, dass der Schlauch mit einigen Stichen festgenäht war. Als er die Nähte mit Pinzette und Messer
(Skalpell) entfernt hatte, zog er mit gleichmäßigem Zug den langen Schlauch aus meinem Darm. Ich rechnete eigentlich mit einigen Peinlichkeiten, doch es geschah außer einem leichten Druckgefühl im Darm
gar nichts. Der Kroate sagte, er hoffe auf einen baldigen Stuhlgang meinerseits, dies wäre sehr wichtig, damit es nicht zu einem Darmverschluss komme. Ich hatte allerdings in keiner Weise das Gefühl,
bald Stuhlgang zu bekommen.
Und dann um 18:30, Ev war gerade 10 Minuten weg, war Weihnachten für mich.
Mein geliebter Kroate kam mit einer kleinen Tasse ungesüßtem Tee, den ich trinken durfte und er versprach mir, dass ich morgen auch etwas zum Essen bekäme. Meine Freude war riesig, nun ging es wieder richtig aufwärts.
In der Nacht, es kam ganz plötzlich: hatte ich Stuhlgang. Es war mir hochpeinlich, ich musste 4 mal nach der Schwester klingeln, in kurzen Abständen - und immer kam nur eine Menge Flüssigkeit aus meinem Darm.
Aber ich war glücklich, das Risiko eines Darmverschlusses war minimiert, ich hatte Stuhlgang – Wahnsinn. Gegen Morgen ließ ich mir dann für eine benutzte Bettpfanne immer gleich eine frische auf den Stuhl neben mein Bett stellen, was den Vorteil hatte, dass die Schwester nur noch kommen musste, wenn ich wirklich ein Geschäft in die Pfanne gemacht hatte.