Beiträge von Melora


    Ich benötige mal Eure geschätzte Beurteilung, denn nach einem Beratungsgespräch mit einem Oberarzt in einem onkologischen Spitzenzentrum bin ich ziemlich verwirrt.


    Aber ich fange mal chronologisch an. Durch einen absoluten Zufallsfund (Ultraschall des Bauchraums wegen einer anderen Sache) fand man bei meinem Mann eine Raumforderung in der Harnblase. Er hatte absolut keinerlei Symptome. 3 Wochen musste er auf einen Termin zur Blasenspiegelung warten. Nachdem er 50 € für das flexible Behandlungsgerät berappen musste (in einer psychischen Ausnahmesituation bezahlt man das ungefragt), sagte der Urologe sofort: „Das ist ein Blasenkrebs!“ Bereits eine Woche später ging es ins Krankenhaus. TUR-B unter Vollnarkose (mit Weißlicht). Wegen extrem starker Nachblutung noch am selben Tag die zweite Vollnarkose zur transurethralen Tamponadenausräumung. Danach verlief alles komplikationslos. Eine Frühinstillation mit Mitomycin wurde nicht gemacht.


    Zurück aus dem Krankenhaus sprach der niedergelassene Urologe von der in dem Fall üblichen BCG-Therapie. Allerdings leidet mein Ehemann seit 12 Jahren an einer rheumatischen Autoimmunerkrankung, weshalb er neben hohen Morphindosis auch täglich noch 10 mg Cortison einnimmt. Ich sagte dem Urologen, dass ich gelesen hätte, Cortisoneinnahme stelle eine Kontraindikation zur BCG-Therapie dar. Der Arzt erwiderte, davon wisse er nichts, er würde sich mal schlau machen.


    7 Wochen später ging es zur Nachresektion. Durch dieses engagierte Forum hier mittlerweile viel besser informiert, konnte ich beim Aufnahmegespräch die maßgeblichen Stichworte ansprechen. Der junge Facharzt sagte in diesem Gespräch zu Mitomycin "mal sehen - das entscheiden wir während des Eingriffs" und zu Hexvix "Jetzt bei der Nachresektion werden wir es vermutlich einsetzen." Meine Meinung dazu: Das sollte bei G3 eine Selbstverständlichkeit sein! (Der Eingriff fand unter Hexvix statt.)


    Schon nach anderthalb Tagen war der histologische Befund da: R0! Da war unsere Freude erst mal groß, weil das bei G3 nicht unbedingt zu erwarten war. Nach einer kurzen Beratung kamen die drei Ärzte bei der Visite zu dem Ratschlag, mein Mann solle wegen der Cortisoneinnahme (vorerst) auf die BCG-Therapie verzichten und in 3 Monaten die Blasenspiegelung abwarten.


    Zwischenzeitlich hatte ich einen Termin für eine Zweitmeinung in einem onkologischen Spitzenzentrum vereinbart. Dies hauptsächlich aus dem Grund, weil ich vermutete, der niedergelassene Urologe wolle die BCG-Instillationen trotz Cortison durchführen. Wollte er dann aber doch nicht, als er von der R0-Nachresektion erfuhr. Seiner Meinung nach (offensichtlich hatte er sich zwischenzeitlich informiert über BCG unter Cortison) sei mein Ehemann ein heißer Anwärter auf eine BCGitis.



    Meine Frage für die Einholung einer Zweitmeinung, die ich per Online-Formular gestellt hatte, lautete: „Ist diese Empfehlung (einfach nur die Blasenspiegelung in 3 Monaten abzuwarten), die sicherlich hauptsächlich aufgrund der Vorerkrankung samt Cortisoneinnahme erfolgte, wegen der R0-Nachresektion vertretbar oder wegen des Gradings G3 nicht vielleicht doch zu riskant?“ Natürlich gab es keine schriftliche Rückantwort, sondern wir mussten persönlich vorsprechen. Termin mit Wartezeit bekamen wir innerhalb von 2 Wochen. Die Wartezeit auf das Gespräch betrug dann vor Ort im Tumorzentrum allerdings geschlagene 4 Stunden.


    Zur Einleitung des Gesprächs kam der übliche Satz zu pT1G3: wie schwierig eine richtige Einschätzung dieser viel diskutierten Diagnose sei. Die Entwicklung entweder in die eine oder die andere Richtung sei bei den betroffenen Patienten dermaßen unterschiedlich, dass man einfach unsicher über die richtige weitere Vorgehensweise sei. So weit, so gut.


    Dann kam die Aussage des Oberarztes, die zu meiner Verwirrung führte:" Selbst ohne Autoimmunkrankheit und Cortisoneinnahme würde "unsere" Klinik nicht zur BCG-Therapie raten. BCG senkt bei einem Carcinoma in situ das Progressionsrisiko lediglich von 20 Prozent auf 10 Prozent. Das rechtfertigt nach unserer Meinung den Einsatz nicht." :!:


    Von der Aussage sowieso geplättet, ging ich erst mal auf das andere Stichwort ein: „Wie kommen Sie jetzt auf Cis? Von einem Cis ist im histologischen Befund doch gar keine Rede. Bei der Nachresektion wurde ein Mapping durchgeführt und es wurden in der Blase keine malignen Zellen gefunden.“ Der Oberarzt entgegnete, dass einem pT1G3 quasi immer ein Cis voraus ginge bzw. dass pT1G3 quasi das Nachfolgestadium eines Cis wäre. Ich war nur noch sprachlos. Hat er damit etwa Recht? :?: Nach der ersten TUR-B hatte ich den Operateur im Krankenhaus gefragt, ob es sich um einen solitären Tumor handele, was er mir bestätigte. Gut, die erste TUR-B wurde nicht unter Hexvix gemacht. Die zweite aber schon und da hieß es zu meinem Mann: "Es sieht sehr gut aus in Ihrer Blase."



    Der Oberarzt dieses Tumorzentrums ist also tatsächlich der Ansicht, dass bei einem pT1G3 einfach tatenlos auf die nächste Blasenspiegelung gewartet werden solle. Das hat mich echt gewundert!!! Dabei führte ich noch an, ich hätte auch mit der Unabhängigen Arzneimittelberatung der Technischen Universität Dresden telefoniert und die Dame dort meinte auch, dass BCG in diesem Krebsstadium der Goldstandard wäre. (Bei Cortisoneinnahme sei allerdings davon abzuraten.) Der Oberarzt entgegnete, für was die plädiere, sei ja wohl klar. Ich fragte: „Wieso? Weil sie Pharmazie studiert hat?“ Der Oberarzt: es sei ja wohl klar, dass die für die Pharmaindustrie spräche. Ich wusste nichts mehr zu erwidern. Dass man Pharmazie studiert haben muss, um an einer bundesweiten Hotline zur Arzneimittelberatung zu sitzen, erklärt sich ja von selbst. Wie soll man sich sonst in Sekundenschnelle auf jegliche Fragestellung zu Medikamenten einstellen können? Die Frau an der Hotline war nach 30 Sekunden voll im Thema Blasenkrebs, BCG und Kontraindikationen drin. Die hatte mich wirklich sehr beeindruckt.



    Zum Abschluss des Gesprächs fragte der Oberarzt noch "Wie sollen wir jetzt verbleiben?" (Aha, der will jetzt also noch was von uns!) Und obwohl wir eigentlich nur ein einmaliges Gespräch für eine Zweitmeinung haben wollten, haben wir uns dann überreden lassen, dass mein Mann monatlich Urinproben für eine Urinzytologie einsendet. Mein Mann war zunächst zögerlich, weil er seinen behandelnden Urologen nicht verärgern will. Da wurde der Oberarzt beinahe hartnäckig. Er ließ nicht locker. So was mag ich ja schon mal grundsätzlich nicht. Der Frau von der Unabhängigen Arzneimittelberatung wirft er Eigennutz vor. Und er? Will er nicht auch nur Daten sammeln für seine Studien? Oder einen neuen Patienten ködern?


    Nun gut, schaden kann das ja nicht mit der Urinzytologie. Aber irgendwie blieb bei mir nach diesem Beratungsgespräch ein unbefriedigendes Gefühl zurück.


    Was haltet Ihr davon?
    Von seiner Aussage, dass „seine“ Klinik bei pT1G3 nicht zu BCG rate?
    Von seiner These, einem pT1G3 ginge quasi immer ein Carcinoma in situ voraus?
    Ich bin jedenfalls total verunsichert.



    Sorry, dass das jetzt ein halber Roman geworden ist.