Liebe Gemeinde,
Ich weiß, es hat nichts mit Blasenkrebs zu tun, und wenn es
jemand als nicht richtig empfindet, er möge mir es nachsehen, aber ich möchte
doch etwas erzählen.
Ich habe gemerkt, je mehr ich über den Tod meiner Tochter mit
anderen rede oder schreibe, von Dani auch schon so beschrieben, geht es mir ein klein wenig besser. Es ist mir ein
Bedürfnis einige Erlebnisse hier nieder zu schreiben:
Meine Tochter war ein wunderbarer Mensch. Sie hatte einen
liebevollen und ehrlichen Charakter, war sehr gefühlvoll und trotzdem
geradlinig. Und sie war erst 35 Jahre
alt.
Im März 2017 bekam sie, nahezu zeitgleich mit mir, eine
Krebsdiagnose. Wie grausam kann das Leben nur sein? Bereits an dem Tag änderte sich unser Leben grundlegend. Aber sie war ja da. Wir konnten sie in die Arme nehmen, mit ihr reden, ihr unsere Liebe geben und sie uns die ihrige und die Familie konnte sich neben den Ärzten kümmern.
Bei ihr war es ein sehr seltener, sehr aggressiver und nicht zu
heilender Krebs. Es erkranken im Jahr daran ca. 1000 Patienten in Deutschland, zu
wenig für die Pharmaindustrie. Es gibt
zwei Medikamente aus dem Bereich der Leukämie, die den Krebs abbremsen, aber
nicht heilen.
Das erste Medikament zeigte sich bereits nach einigen Wochen
als wirkungslos. Das zweite zeigt Wirkung auf den Tumor, hatte aber erhebliche
Nebenwirkungen. Aber gut, es ging. Der Stoffwechsel läuft so schnell. Sie ist noch so jung.erklärten uns die Ärzte.
Sie war oft fröhlich, aber auch zeitweise natürlich traurig. Sie war stets gut betreut durch die Familie und natürlich den Ärzten. Und bekanntlich stirbt die Hoffnung zum Schluss.
Im Oktober 2018 dann nächste die Hiobsbotschaft: auch unter dem
zweiten Medikament wuchs der Tumor weiter. Es entzog uns den Boden unter den Füssen. Nach der Angabe der Ärzte könnte es aber durchaus noch ein Jahr dauern.
Doch daraus wurde leider nichts.
Anfang November 2018 hatte sich ihr Zustand unerwartet und
plötzlich stark verschlechtert. Sie wurde als Notfall in die Klinik gebracht. Die Metastasen auf der Leber brachten die
Funktion der Leber nahezu zum Erliegen. Das
Monster ist unberechenbar. Einige Tage später ist sie für immer von uns
gegangen.
Die letzten vier Tage waren wir abwechselnd Tag und Nacht
bei ihr. Sie war keine Sekunde allein.
Die Stunden mit ihr waren noch liebevoller und gefühlvoller als vorher,
aber für mich auch sehr grausam.
Von ihrem Krankenbett konnte sie in den Himmel schauen. Eine
Nacht war sternenklar. Ich habe ihr die Geschichten vorgelesen, die ich ihr vor
dreißig Jahren auch abends vorgelesen habe. Das Geschichtenbuch habe ich immer
behalten. Jetzt weiß ich warum. Einmal schaute sie mich mit ihrem großen blauen
Augen aus den tiefschwarzen Augenhöhlen an und fragte: "Papa, kann es im
Himmel schöner sein als hier und jetzt?" "Ja", antwortete ich
ihr, " da ist es noch schöner weil dort gibt es keine Ängste und keine
Schmerzen. Und bei Gott leidet niemand." Sie antwortete nicht, schaute sehnsüchtig
zu den Sternen und lächelte nur.
Ein anderes Mal hielt ich sie in den Armen und flüsterte ihr
ins Ohr: "Du wirst gar nicht sterben. In unseren Gedanken, unseren
Erinnerungen und in unseren Herzen wirst Du so lange leben wie wir."
Darauf antwortete sie mir: "Dann musst Du jetzt noch ganz lange leben.
Abgemacht?" "Versprochen" sagte ich ihr und es gab ein leichtes
Abklatschen wie früher beim gemeinsamen Sport. Diese und weitere Momente der
Liebe werde ich nie vergessen. Sie sind tief im Herzen, ganz tief.
Bei dem Gedanken ohne sie noch lange zu leben bekomme ich
etwas Angst.
Sie war noch so jung und ihr Herz war noch so stark. Sie
wollte und wollte nicht loslassen.
Als ihr Zustand sich noch weiter verschlechterte, wurde sie
palliativ so eingestellt, dass sie friedlich einschlafen konnte. Ich habe ihre
Hand gehalten und ihren Kopf gestreichelt und ihr liebevolle Dinge ins Ohr
geflüstert. Sie hörte dann einfach auf zu
atmen und das pochende Herz stand still. Für immer.
Auch diese Nacht war sternenklar und windstill. Mit meiner
Frau und den beiden Kindern sind wir an den nahen See der Klinik gegangen. Wir
sind an die Stelle gegangen wo wir mit ihr vorher auch oft waren. Wir haben in
den Himmel geschaut, die Sterne betrachtet, ihre Nähe gespürt, uns an den Händen gehalten und nur
geflüstert. Sie war nicht mehr dabei! Sie
war auf ihre letzte Reise gegangen. So eine gewaltige Gefühlswelt habe ich vorher
noch nie erlebt und hoffentlich brauche ich das auch nie wieder erleben. Wir
sind bis zum Morgen geblieben, die Zeit verging unbemerkt.
Das Leben wird nie mehr so sein wie es wahr. Sie wird immer
fehlen, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Es beginnt eine neue
Zeit.
@Christina: Ganz gewiss ist sie nun unser Schutzengel. Sie
war immer so verantwortungsvoll und fürsorglich. Es kann gar nicht anders sein.
Die Bewältigung der Trauer ist nun mein Tagesinhalt. Oft höre oder lese ich Dinge wie: Loslassen, den Verlust verarbeiten, drüber weg kommen.
Ein Kind kann man nicht loslassen. Das geht gar nicht. Ein Kind ist immer zugegen, weil es ist im Herzen.
Ich suche einen neuen Weg zu ihr. Einen Weg über die innere Liebe, zu dem Platz in meinem Herzen, mit dem ich weiter leben kann. Und sie ist immer da, sie wird immer da sein, so lange ich lebe.
Es hilft mir sehr, diese Zeilen hier so schreiben zu können. Vielen Dank dafür:
Allen hier ganz, ganz viel Gesundheit. Kämpft, es lohnt
sich.
Liebe Grüße
Klaus