Hyperthermie-Chemotherapie mit Mitomycin C nach der Synergo®-Methode in Gießen bei Dr. Lüdecke (2015)

  • Link: http://www.ukgm.de/ugm_2/deu/home.html


    Ich möchte mich an dieser Stelle einmal vorstellen und damit die leider bisher stiefmütterlich eingesetzte Behandlungsmethode der Hyperthermie-Chemotherapie einmal mit meinen eigenen Worten wiedergeben und dabei erzählen, wie ich diese Behandlungen bisher empfunden habe.


    Mein Blasenkrebs (pTaG2 multilokulär) wurde zufällig bei einem CT-Screening nach einer Hautkrebs-OP (malignes Melanom) bei mir entdeckt. Es wurde mir erklärt, dass mein Blasenkrebs keine Metastase von dem Hautkrebs ist.


    Da ich mich mit meinem Hautkrebs sehr gut in der Uni-Klinik Gießen aufgehoben gefühlt habe, bin ich auch wegen meiner Entdeckung in meiner Blase in der Uniklinik Gießen geblieben und nur in die andere Abteilung gegangen. Ich war von Anfang an davon überzeugt, dass dieser Weg richtig war. Ich habe also keinen separaten Urologen, der sich immer wieder mit dem Operateur oder dem Onkologen abstimmen muss.

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    Ich habe nur einen Ansprechpartner, nämlich den, der meine beiden TUR-B durchgeführt hat, der die vierteljährlichen (Kontroll-) Blasenspiegelungen bei mir macht und der mich von der auch von ihm favorisierten Hyperthermie-Chemotherapie nach der Synergo®-Methode überzeugt hat und mich dabei begleitet. Ich erhalte die Anwendungen nach dem prophylaktischen Behandlungsplan. Eine weitere Anwendung wäre nach dem ablativen Behandlungsplan (wenn der Tumor chirurgisch nicht entfernt werden konnte), was auch eine andere Anzahl und Aufteilung der Behandlungen bedeuten würde.

    Ich möchte mich in meinem Bericht auf genau diese prophylaktische Behandlung nach oder mit der Synergo®-Methode beschränken und nicht rechts und links die sicherlich auch wichtigen Themen rund um den Blasenkrebs und seine Behandlungsmöglichkeiten alle mit anschneiden. Darüber könnte man aber sicherlich auch ein gutes Buch schreiben.

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    Die Firma Medical Enterprises aus den Niederlanden ist u.a. der Hersteller der Synergo®-Hard- und Software, die die Spülung der Harnblase mit dem Chemotherapeutikum Mitomycin C in unterschiedlichen Dosierungen (2x20 mg oder 2x40 mg) bei gleichzeitiger lokaler Erwärmung der Harnblasenwand steuert, um dadurch die nachgewiesene Wirkung der lokalen Chemotherapie zu verstärken. Die Synergien der Synergo®-Methode sind im Einzelnen:


    Die Spülung der Blase durch das Chemotherapeutikum erfolgt intensiver als bei der herkömmlichen „Rollkur“ der Kaltanwendung.


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    Durch die Erwärmung ist ein bis 5 mm tieferes Eindringen des Chemotherapeutikums in die Epitelschichten des Urothels möglich.

    Die Bindungskapazität von Mitomycin C am DNA-Strang wird um ein Vielfaches gesteigert und führt dazu, dass mehr Strangabbrüche an der DNA in der sich teilenden Tumorzelle erfolgen.

    Durch die Erwärmung auf über 42 Grad Celsius wird die Aktivität der DNA-Reparaturenzyme gehemmt.




    Diese Kombinationen addieren sich nicht nur, sondern haben einen multiplizierenden, ja sogar potenzierenden Wirkungsverstärkungsmechanismus und die Effektivität zur Tumorzellzerstörung wird dadurch besonders erhöht.


    Die Synergo®-Behandlungsmethode hat insgesamt in Europa bereits eine starke Verbreitung und Anerkennung gefunden. In Deutschland wird sie leider bisher nur in vier Unikliniken angeboten: Berlin, Gießen, München und Tübingen. Deshalb vermutlich auch die eingangs erwähnte stiefmütterliche Behandlungsempfehlung, die nach meinem Kenntnisstand auch an den niedergelassenen Urologen liegt, die natürlich aus betriebswirtschaftlichen Kosteneffizienzgründen die sogenannten „kalten“ Instillationen mit Mitomycin C oder BCG empfehlen, weil sie nur diese Methoden durchführen und dementsprechend abrechnen können. Oftmals liegt dieser, in meinen Augen unverständliche Zustand jedoch auch daran, dass manche Patienten nicht dazu bereit sind, (Fahrt-)Kosten und (Fahrt-)Zeit zu einem der derzeit noch vier Zentren (bis zum 31.12.2008 war die Uniklinik Gießen einziger Anbieter) zu investieren, um in den Genuss dieser immer noch besonderen, mich aber überzeugenden Behandlungsart zu gelangen.


    Ich bin Patient in Gießen. Mein behandelnder Arzt ist der Oberarzt Dr. Gerson Lüdecke. Zu seinem (Synergo®-) Team gehören noch einige hochqualifizierte und nette Krankenpfleger sowie einige hoch motivierte Assistenzärzte.



    Man liegt im Krankenbett und wird auf den „Eingriff“ wie folgt vorbereitet:


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    Am Morgen des Eingriffs lasse ich aus meinem Tablettencocktail gegen meine sonstigen Wehwehchen meine „Wassertablette“ (Diuretikum) weg und versuche möglichst wenig zu trinken, damit durch meinen Urin das Chemotherapeutikum nicht unnötig stark verdünnt wird.

    Ich erhalte eine Infusion mit Spasmex und / oder Buscopan, um eventuellen Blasenkrämpfen vorzubeugen. Schmerzmittel mit Novalgin oder Tramal werden bereit gehalten, die dann u.U. der Infusion zugesetzt werden können oder direkt intravenös verabreicht werden können. Die Wirkstoffe in der Infusion wirken recht schnell. Dass es wirkt, merkt man daran, dass man einen trockenen Mund bekommt, so stark, dass einem fast die Zunge am Gaumen kleben bleibt. Hier mein Tipp: Leckere Bonbons lutschen, um die Speichelproduktion anzukurbeln.

    Danach wird der Genitalbereich abgedeckt und die Harnröhre äußerlich gereinigt. In die Harnröhre wird das Gleitmittel für den Katheter eingespritzt, was angeblich auch ein leichtes Lokalanästhetikum enthalten soll und dadurch narkotisierend wirken soll (bei mir immer zu wenig).



    Der Katheter ist steril verpackt. Auf der Verpackung ist ein Barcode angebracht, der über einen Handscanner in den Synergo®-Computer eingelesen wird.


    Danach wird dieser besondere Katheter durch die Harnröhre in die Harnblase eingeführt, über den die Erwärmung und die Spülung stattfinden.


    Der Katheter wird geblockt und über den Katheter wird zunächst die Blase komplett entleert. Danach wird das vorgewärmte Chemotherapeutikum in die Blase instilliert.


    Der Kühlkreislauf wird mit Kühlflüssigkeit befüllt und an den Synergo®-Computer mit zwei verschiedenfarbigen Zugängen (um eine Verwechslung auszuschließen) angeschlossen.


    Zum Schluss wird die direkte Verbindung zwischen dem Katheter und dem Synergo®-Computer mittels zwei unverwechselbaren Anschlüssen hergestellt.



    Danach wird die Maschine in Gang gesetzt und die ersten 30 Minuten dieser Therapie beginnen.


    Der Katheter hat drei Funktionen:

    Gleichmäßige Erwärmung der Blasenwand und damit auch des Blaseninhaltes mittels einer kleinen Antenne, die hochfrequente Strahlen aussendet (Radiowellenstrahlung ähnlich wie im Mikrowellenherd)

    Temperaturüberwachung durch hochempfindliche Thermoelemente (Temperatursonden) an mehreren Stellen der Blasenwand

    Durchfluss des Chemotherapeutikums durch die Blase über einen Kühlkreislauf



    Der Computer verarbeitet dabei ständig die gewonnen Daten und überwacht während der gesamten Behandlung (2 x eine halbe Stunde) automatisch die Blasentemperatur, die durch automatische Anpassungen ständig stabil und konstant zwischen 40° und 45° Celsius betragen soll. Die für jeden Patient individuelle Temperatur, bei mir 42,5° Celsius, wird bei den ersten Behandlungen ausgetestet.


    Nach einer halben Stunde wird das Chemotherapeutikum und der bis dahin angefallene Urin aus der Blase abgesaugt und die zweite Dosis des Chemotherapeutikums, ebenfalls vorgewärmt, instilliert. Dann wird die Maschine wieder in Gang gesetzt und die zweiten 30 Minuten dieser Therapie beginnen.

    Die Infusion mit den Schmerzmitteln ist mittlerweile komplett im Körper. Der venöse Zugang wird aber solange beibehalten, bis ein problemloses Ende der Behandlung abzusehen ist. Gegebenenfalls können über diesen Zugang weitere bereitgehaltene Schmerzmittel injiziert werden.


    Es gibt verschiedene Ansätze für die Hyperthermie-Chemotherapie:

    Die prophylaktische Behandlung dient der Vermeidung des Wiederauftretens von Harnblasentumoren.

    Die ablative Behandlung dient der Zerstörung von Harnblasentumoren, die chirurgisch nicht entfernt werden konnten. Sie wird auch eingesetzt bei Patienten mit häufig wiederkehrenden Harnblasentumoren oder Patienten, bei denen eine Narkose nicht möglich ist.

    Wenn die zweiten 30 Minuten vorbei sind, schaltet die Maschine automatisch ab. Der Ablauf ist dann rückwärts, d.h. das Chemotherapeutikum und der bis dahin angefallene Urin werden aus der Blase entfernt, die Kühlung wird demontiert, die Katheterblockung wird aufgehoben und der Katheter wird entfernt.


    Es ist ein riesiger Haufen Müll angefallen, der gesamt entsorgt wird, wobei die Aggressivität des Chemotherapeutikums besondere Beachtung findet. Aus diesem Berg Müll habe ich mir den kompletten Katheter inklusive des Kühlsystems nach meiner letzten Behandlung mitgeben lassen, um Sie als Interessierte an dieser Therapieform mit Bildern des Zubehörs möglichst genau informieren zu können.

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    Wichtig ist, sich die Hände gründlich nach jedem Urinieren zu waschen.

    Es sollte ca. 10-14 Tage nach der Instillation von Mitomycin C kein ungeschützter Geschlechtsverkehr stattfinden.

    Nach dem Eingriff beginne ich möglichst viel zu trinken und hole auch die vorher eingesparten Flüssigkeitsmengen nach.


    Nach der zweiten TUR-B habe ich sechs Mal jede Woche eine solche Behandlung als Initialbehandlung erhalten.

    Danach hatte ich eine Ruhephase von ca. 6 Wochen, in der sich die Blase wieder regenerieren konnte.


    Bevor mit der Erhaltungstherapie (alle 6 Wochen eine Instillation) begonnen wurde, ist mittels einer Blasenspiegelung mit einem flexiblen Endoskop und Videoaufzeichnung festgestellt worden, dass sich während dieser Initialtherapie kein Rezidiv oder ein neuer Tumor gebildet hat.

    Mittlerweile habe ich auch die fünfte Erhaltungsinstillation hinter mir. Eine Instillation steht mir noch bevor. Sollte ich bis dahin rezidivfrei bleiben, wovon ich ausgehe, finden zunächst b.a.w. keine weiteren Instillationen statt.

    Übrigens, auch ich bin davon überzeugt, dass ich rezidivfrei bleibe.


    Bereits zu Beginn dieser Therapie hat mich mein Arzt über die durchgeführten Studien dieser Therapieform unterrichtet. Sie sagen aus, dass gegenüber sonstigen üblicherweise eingesetzten Behandlungsformen wie z.B.

    Spülung der Harnblase mit einem Chemotherapeutikum ohne Erwärmung und

    Spülung der Harnblase mit immunbiologischen Mitteln (sog. BCG-Therapie)



    die Rezidivrate mit dieser Behandlungsart signifikant reduziert werden konnte, was mich von Anfang an überzeugt hat, weshalb ich dieser Therapieform (außerhalb der festgelegten Krebsleitlinien) auch sofort zugestimmt habe.


    Die Literatur schreibt, dass die Nebenwirkungen (lokale Schmerzen, brennendes Gefühl beim Wasserlassen entlang der Harnröhre, starker Harndrang und häufiges Urinieren, zeitweilige Blutungen) nur leicht und vorübergehend sind und spätestens nach 48-72 Stunden wieder verschwunden sind. Das kann ich teilweise bestätigen. Ich möchte niemandem Angst machen, aber Blasenkrämpfe während der Instillation sind schon ganz schön schmerzhaft. Auch Keime oder Bakterien, die man sich leicht einfängt, können Schmerzen durch diese Infektion auslösen. Hier habe ich im engen Kontakt mit meinem Urologen immer schnelle Hilfe durch Schmerzmittel oder auch Antibiotika erhalten. Prophylaktisch nehme ich am Abend und am Morgen vor der Hyperthermie-Chemotherapie das Antibiotikum Ofloxacin 200 mg.



    Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen bei interessierten und potenziellen Patienten für diese Behandlungsform Interesse wecken.

    Sicherlich kann immer nur der behandelnde Urologe die Entscheidung treffen, bei welchem Patienten diese Behandlungsmethode erfolgversprechend sein kann. Man hat diese Behandlungsform bei Patienten mit oberflächlichem Harnblasentumor, wie z.B. bei pTaG1 + 2, bei pT1aG1 - 3 und bei cis-Patienten bisher eingesetzt und in Studien abgebildet, die vielversprechend sind und eigentlich für sich selbst sprechen (die mich auch überzeugt haben).



    Wenn ich hier auch den Einen oder Anderen überzeugen konnte, hätte sich die Arbeit, diesen Bericht zusammen zu stellen, schon gelohnt. Ich stehe in diesem Forum auch gerne über die Funktion „PN“ für weitere Auskünfte oder Fragen zur Verfügung. Darüber hinaus kann man mich auch über die Mailadresse sowa@shgbh.de, der Selbsthilfegruppe Blasenkrebs Hessen, direkt anschreiben.


    Allen Lesern und Interessierten wünsche ich eine gute und rezidivfreie Zeit.

    Winfried


    Quelle Bild oben links: „Justus-liebig-universitaet klinikum chirurgie20071014“ von Emha - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons - File:Justus-liebig-universitaet klinikum chirurgie20071014.jpg - Wikimedia Commons


    Gib mir Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann;
    gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich zu ändern vermag;
    und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.


  • bar65

    Hat den Titel des Themas von „Hyperthermie-Chemotherapie mit Mitomycin C nach der Synergo®-Methode in Gießen bei Dr. Lüdecke“ zu „Hyperthermie-Chemotherapie mit Mitomycin C nach der Synergo®-Methode in Gießen bei Dr. Lüdecke (2015)“ geändert.