Von der TUR zur Zystektomie mit Neoblase (Bericht aus dem Jahr 2007)

  • Am 4.2.2007 – einem Sonntag – erschrak ich sehr, als mein Urin, anstatt schön gelb zu sein, die Farbe des Merlot-Rotweines vom Abend zuvor

    hatte.


    Ich suchte die nächstgelegene Urologie auf, wo man eine Blasenentzündung diagnostizierte und mich mit Antibiotika ausgestattet nach Hause

    entließ, „gehen Sie mal zu einem Urologen, wenn es nicht besser wird.“


    ( Alles was in dieser Geschichte mit „Wichtig ist“ anfängt, sind Lehren, die ich während oder später nach dem Ereignis zog, auch aus diesem Blasenkrebsforum ).


    Wichtig ist an dieser Stelle, dass ich zwar in einer urologischen Klinik war, der Urologe aber durch eine OP gebunden war, weshalb der

    Proktologe mich untersuchte, während der Urologe später nur noch ein Gespräch führte.


    Wichtig ist auch, dass selbst Urologen bei Menschen unter 50 eher keinen Blasenkrebs erwarten, selbst bei einer Makrohämaturie nicht, so

    nennt man den blutroten Urin, den ich hatte.


    Meine Recherchen im Internet sagten mir, eine Blasenentzündung ist schmerzhaft, also kann die Diagnose nicht stimmen. Ich beriet mich mit

    meinem Polizeiarzt, denn ich bin Polizist, der sagte, “Sie müssen Blasenkrebs ausschließen, wenn Sie den haben und nichts tun, sterben Sie

    sehr schnell.“


    So holte ich mir in dem gleichen Krankenhaus für den 8.2. einen Termin zur Blasenspiegelung.


    Es empfing uns – ich hatte meine Frau mitgenommen - der Chef der urologischen Klinik, Prof. Kallerhoff und sagte, „Sie sind noch so jung,

    da machen wir keine Blasenspiegelung, wir gucken mal mit dem Ultraschall und dann sehen wir weiter.“


    Ich machte mich frei, er setzte das Gerät an und schon nach ganz wenigen Sekunden sagte er, „das gefällt mir nicht, wir machen doch eine

    Blasenspiegelung,“


    Wichtig ist, der Arzt muss mit seinem Ultraschall vertraut sein und er muss Fachmann für das Krankheitsbild sein; der Proktologe hatte

    mich auch geschallt, ihm war nichts aufgefallen.


    Wir gingen alle in den Nebenraum, einen urologischen OP und ich setzte mich auf den Stuhl. Das flexible Zystoskop wurde mit etwas Gel durch

    meinen Penis in die Blase geschoben, der Prof. machte das sehr gut, wir unterhielten uns dabei, er sagte, „versuchen sie entspannt zu bleiben“

    was mir auch weitgehend gelang, nur die Engstelle an der Prostata schmerzte etwas und schon konnten wir die Blase auf einem großen Monitor

    sehen.


    Ich hatte in dem Vorgespräch mit dem Prof. diesem schon klar gemacht, dass man mit mir über jede Diagnose offen reden kann und nach meiner

    Erwartung auch muss.


    Deshalb sagte er auch sofort, dass das, was wir da sähen ein bösartiger Tumor sei, der von der Blasenschleimhaut in die Blase hineinwachse.


    So – unsympathisch sah das Ding auch aus - .


    Mit diesem Befund berieten wir uns dann in seinem Zimmer und er schlug vor, gleich da zu bleiben, ich würde morgen früh gleich operiert. Es sei

    wie mit Schimmelpilz auf der Tapete, solange der nur da sei, nicht ins Mauerwerk eingewachsen, könne man dass durch Abschaben gut erledigen.


    Die OP würde mit einer elektrischen Schlinge durch die Harnröhre erfolgen, man nenne das transurethale Resektion der Blase (TUR-B) und es

    ginge schnell, nach 5 – 7 Tagen sei ich wieder zu Hause.


    Er riet auch deshalb dazu, weil er meinte, dass wir uns am Wochenende nur weiter stressen würden, womit er recht hatte.


    Meine Frau holte meine Sachen, ich regelte alles im Büro – ich hatte vorsichtshalber meine engsten Mitarbeiter und meinen Chef über die

    mögliche Diagnose und deren Folgen informiert.


    Ich rauchte meine letzten beiden Petit-Zigarillos, denn ich wusste, Rauchen ist sehr kausal für diesen Krebs und das war das Ereignis, die

    vom 14. bis zum 47. Lebensjahr gepflegte Genusssucht endlich dranzugeben, zumal mein Vater bereits Lungenkrebs im Endstadium hatte.


    Ich checkte dann ein, bekam noch einmal Nahrung und dann war klar, nix mehr essen, ab 00.00 Uhr nicht mehr trinken.


    Parallel liefen die ganzen Vorbereitungen, EKG, Blutentnahmen, Vorgespräch Anästhesie – ich wählte die lokale Betäubung mit

    Spinal-Anästhesie im Rücken - und dann kam die Nacht, in der ich sogar schlafen konnte.


    Mein Nervenkostüm ist recht robust und ich hatte keine große Angst.


    Am 09.02 um 08.00 Uhr fuhr ich runter in den OP, Stützstrümpfe und Engelshemd an, dann kamen die Anästhesisten und im Sitzen auf dem

    OP-Stuhl wurde die Wirbelsäule abgetastet, bis man den richtigen Zwischenraum fand, ein angekündigter Sprühstoß kalt zum Desinfizieren,

    dann ein angekündigter Stich, ein leicht warmes Gefühl durchläuft mich.


    Ich merke, wie die Beine und das Becken gefühllos werden, man kontrolliert das, dann erscheint der Operateur, Oberarzt Bendl und es

    geht los.


    Leider lässt man mich nicht auf den Monitor schauen. Ich spüre und höre, dass er mehrmals was mit der Elektroschlinge macht, aber es ist völlig

    schmerzfrei.


    Ich ahne schon, dass es mehr als ein Tumor ist, den er entfernt. Der später mitgeteilte Befund, 1 papillärer Tumor und zwei ganz

    oberflächliche, bestätigt sich auch durch die Pathologie, pTa und ein pT1G2.


    Man hängt dann Beutel mit 5 Liter Kochsalzlösung an mich und die laufen über den Dauerkatheder dann in meine Blase, kommen über eine andere

    Öffnung des Dauerkatheders sehr rot wieder raus und laufen in einen Eimer, der sich schnell füllt.


    Durch die Spinalanästhesie bin ich bis abends klar im Kopf und ansonsten schmerzfrei, ab 18.00 Uhr wird das anders.


    Der Katheder quält mich, ich lehne ihn ab. Außerdem bekomme ich schweren Durchfall von dem Lieblingsantibiotikum der Urologen, Cipobay.


    Mit dem Rollständer, an dem die 5-Liter-Beutel und Antibiotikum-Infusion hängen, und meinem Katheder renne ich alle 30 Min. zur Toilette auf dem

    Flur. Das waren Höllenqualen.


    Wichtig ist, dass man den Katheder als wichtiges Hilfsmittel akzeptieren muss, dann schmerzt er auch weniger.


    Wichtig ist, dass man sich auch mal beschwert.


    Das Antibiotikum wird gewechselt, es wird schnell besser. Donnerstags drauf werde ich entlassen, gehe Freitags zu meinem Hausarzt und lerne

    noch am gleichen Tag meinen Urologen kennen.


    Dort erhalte ich dann bald die wöchentlichen Instillationen mit 20 mg Mitomycin. Ich beantrage einen Schwerbehindertenausweis, lerne in diesem

    Forum über die Krankheit, die ich jetzt habe, sehr viel und gehe bald wieder arbeiten.


    Inzwischen habe ich mein berufliches wie privates Umfeld über die Krankheit informiert, per Rundmail, weil ich das „Rumeiern“ aber auch

    die Schockerlebnisse der Gesprächspartner, wenn man das Wort Krebs in den Mund nimmt, leid war.


    Nur die Ernährung habe ich verändert und bin Nichtraucher geworden.


    Die Chemos vertrage ich gut. Die erste Kontroll-Tur erfolgt unmittelbar vor dem Skiurlaub, Dr. Bendl sagt, „wenn da jetzt noch Krebszellen drin

    sind, muss die Blase raus.“ Sind aber nicht und ich fahre in den Skiurlaub.


    Da bin ich etwas zu heftig – so wie früher – über die Pisten gepeitscht und habe nicht berücksichtigt, dass bei der TUR die gesamte Harnröhre

    und die Blase verletzt werden.


    Wichtig ist, dass man weiß, dass bei einer Tur also eine durchaus große Wunde entsteht.


    Deshalb etwas Blut im Urin und ich muss einen Arzt aufsuchen, aber sonst klappt alles gut. In diesem Forum lerne ich u. a., dass man mit

    PDD-Bedingungen die Aussagekraft von TUR und Zystoskopien (Blasenspiegelungen) wesentlich erhöhen kann.


    Dazu wird ein Kontrastmittel, Hexvix, ca. 1 – 2 Stunden vorher in die Blase eingebracht und dann erfolgt die OP unter UV-Licht. In dem

    UV-Licht schimmern alle Krebszellen und sind daher besser zu erkennen.


    Ich beantrage per Mail, dass meine nächste TUR mit Hexvix geschehen soll.


    Das klappt und auch diese Kontroll-TUR ist ohne Krebszellen.


    Langsam macht sich das Gefühl breit, ich könnte dem Blasenkrebs noch mal von der Schippe gesprungen sein. Die Instillationstherapie mit

    Mitomycin setze ich nun in monatlichen Abständen fort und ich bin durchgängig im Urin ohne Befunde.


    Wichtig ist, dass man Bescheid weiß und die Ärzte gezielt fragen und auch Therapieformen anregen kann.


    Da man nach den zwei Kontroll-TUR nur noch Zystoskopien macht, beantrage ich, diese auch mit Hexvix durchzuführen, was genehmigt wird – wie man

    das macht, steht mit der Mail im Forum -.


    Ich hatte gehofft, bei dieser Spiegelung mal wieder in meine Blase schauen zu dürfen. Das klappt leider nicht, weil das Zystoskop durch die

    UV-Lampe dicker und starr ist, also werde ich schlafen gelegt und kriege nix mit.


    Aber ich glaube gern, dass alles ohne Befund war.


    So ist es jetzt schon Oktober geworden und selbst Freunde im Forum meinen, ich wäre den Krebs quitt.


    Ich setze die Chemo fort, monatlich einmal Mitomycin und im Januar wähle ich bewusst meinen Urologen für die nächste Kontroll-Zystoskopie,

    obwohl er nicht mit PDD-Bedingungen arbeiten kann.


    Meine Überlegung ist dabei auch, dass ich mal wieder einen anderen Arzt drauf schauen lassen will.


    Es ist der 24.1.2008, ein Donnerstag und schon fast ein Jahr nach meiner ersten TUR.


    Kaum hat er sein Zystoskop eingeführt, sagt er schon, er sieht eine Rötung, die ihm nicht gefällt.


    Wir beschließen, die Chemo auszusetzen, auch davon könnte es sein.


    Aber jetzt 4 Wochen warten, das will ich nicht. Während ich Freitags zur Arbeit fahre, mache ich schon einen Termin mit meinem Hospital für die

    nächste TUR aus, sofort am Montag werde ich einchecken, Dienstags ist die OP.


    Die OP erfolgt auch unter PDD-Bedingungen, es operiert der neue Chefarzt, Dr. Kusche und entfernt viel Gewebe. Diesmal darf ich

    zuschauen, ich sehe selbst, dass einiges nicht so gut aussieht.


    Es folgt das mir bekannte Prozedere mit den Beuteln und das Warten auf den Befund der Pathologie, der ist Freitags da.


    Der Befund ist vernichtend, nein, nur im ersten Moment, aber er ist schlecht, ich habe 2 carzinoma in situ ptis.


    Dr. Kusche ist sehr betroffen und ca. 1,5 Std. diskutieren wir den Befund, „sie sind noch so jung, aber eigentlich müsste die Blase jetzt

    raus“ okay, wir könnten es noch mal mit BCG statt Mitomycin probieren, aber es ist ein Risiko.


    „Wenn wir vor einem Jahr statt pT1G2 einen G 3 diagnostiziert hätten, würden wir nicht diskutieren. Sie wissen ja auch, wie häufig die

    Pathologen zw. G 2 und G 3 schwankend urteilen. Wir haben eine diagnostische Lücke.“


    Am Montag werde ich entlassen, ich habe meinen beruflichen Kontext informiert und es beginnt die Suche nach der richtigen Lösung.


    Als ich meinem Urologen die Frage der diagnostischen Lücke schildere, schlägt er vor, den ersten Befund neu zu untersuchen.


    Mit Hilfe dieses Forums finde ich einen Pathologen, der das sehr schnell macht. Das Ergebnis ist niederschmetternd und erfreulich zu gleich.


    Ich hatte schon 2007 2 pTis und vermutlich auch einen pT1G3. Einerseits war ich also schon 2007 ein Kandidat für eine Zystoskopie, andererseits

    kann ich von Glück sagen, dass der Krebs nicht bereits muskelinvasiv ist.


    Im Ergebnis heißt das, ich werde um eine Zystektomie – eine radikale Entfernung von Prostata und Blase und Anlage einer Neoblase - nicht

    herumkommen, es geht nur noch um die Frage, wo, wann, von wem. Die Antwort darauf und wie es dann weiter geht, das steht in Teil 2, der

    bald kommt.


    Wichtig ist, kritisch bleiben, sich informieren, zweite Meinungen einholen.

    Andy :thumbup: