Meine Geschichte – Blasenkrebs, was ist das? (Bericht aus dem Jahr 2018)

  • Vorgeschichte

    Im Januar 2017 hatte ich einen Termin bei meiner Frauenärztin. Ich berichtete ihr, dass ich einen hohen Harndrang habe und auch nachts bis zu 8 Mal auf die Toilette muss. Es wurde nicht reagiert und auch kein Kommentar abgegeben.

    Dezember 2017, Check up beim Hausarzt, aber auch dort keine Reaktion auf meinen Hinweis bezüglich des hohen Harndrangs.

    Blutbild im Januar 2018, nichts, trotz des erneuten Hinweises auf hohen Harndrang. Ich fragte, ob es vielleicht daran liegt, dass ich eine Blasensenkung haben könnte. Er schüttelte nur den Kopf, sonst kein Kommentar.


    Im Mai 2018 machte ich eine Reise nach Löbau um meinem Hobby, der Ahnenforschung, nachzugehen. Dort hatte ich das erste Mal Blut im Urin, nicht viel, nur ein paar Tropfen. In diesem Monat war es noch zweimal so. Ich dachte, es liegt bestimmt an dem hohen Harndrang.


    Anfang Juni hatte ich dann fast täglich Blut im Urin und ging deshalb am Montag, den 18 Juni zu meinem Hausarzt. Ich berichtete ihm meine Feststellung und er tat es ab mit der Bemerkung:“ Das ist nur eine Blasenentzündung“. Auf meinen Hinweis, dass ich doch noch nie eine Blasenentzündung gehabt hätte reagierte er gar nicht. – Antibiotika für 5 Tage, damit war ich entlassen. In den 5 Tagen geschah nichts. Also ging ich am Montag wieder zum Hausarzt. Diesmal sagte ich, dass ich auch Schmerzen in der Leistengegend hätte und weiterhin Blut im Urin habe. Mich erstaunte seine Antwort, den er sagte dass es ein Leistenbruch sein könnte, natürlich wie immer ohne Untersuchung. Er drückte mir einen Überweisungsschein in die Hand und dachte wohl nun bin ich die los. Aber Pustekuchen, diesmal bestand ich auf einen Schein für die Urologie. Wie goldrichtig meine Beharrlichkeit war, sollte sich noch in dramatischer Weise zeigen.


    Der Termin beim Chirurgen war ein Witz, denn das Handschuhe anziehen dauerte länger als die Untersuchung. Nachdem er seine Überzieher an hatte legte er seine Hand auf die Leiste, dann „Bitte mal husten“ das war`s. Leistenbruch Fehlanzeige, aber das wusste ich ja. Einen Termin beim Urologen bekam ich zum 17.07.2018.


    17.07.2018

    Die Urologin, eine sehr nette, junge Frau (ich kannte bisher keinen Urologen) befragte mich ausführlich, ich musste Urin abgeben, machte ein Ultraschall und sagte „ ich sehe gar nichts, nur Schnee, wir müssen eine Blasenspiegelung machen. So bekam ich gleich einen neuen Termin. Am Sonntag, als ich unter der Dusche stand dachte ich, eine Nachgeburt verlässt meinen Unterleib, was ja nicht möglich war, denn ich hatte ja schon seit 37 Jahren keine Gebärmutter mehr. Meinem Partner sagte ich kein Wort, denn ich wollte ihn nicht beunruhigen. Bis zum geplanten Termin waren es ja nur noch 2 Tage.


    24.07.2018

    Ich erzählte der Urologin von dem Vorfall am Sonntag und sie meinte, dass schauen wir uns jetzt mal ganz genau an. Meine Angst war sehr groß, aber nicht wegen der Spiegelung (es war übrigens die erste in meinem Leben), sie hatte es mir genau erklärt, sondern das ich meinen Urin während der Untersuchung nicht halten kann. Sie gab noch etwas Flüssigkeit am Beginn der Untersuchung in die Blase und ich fing an mit Schweißausbrüchen. Sie sagte zu mir ganz ruhig und ich sagte, wovor ich Angst habe. Ihre prompte Antwort:“ Na und, was meinen sie warum ich eine Schürze umhabe“. Aber im nächsten Augenblick zeigte sie mir den Übeltäter in meiner Blase. Ein Schwamm, so sah es für mich aus, aber das interessierte mich in dieser Sekunde wenig. Ich wollte nur auf die Toilette. Anschließend ging ich ins Arztzimmer zurück. Das Wort Krebs ist während des Gespräches nicht gefallen, aber das war auch nicht nötig. Um festzustellen wie groß usw. bekam ich von ihr sofort die Krankenhauseinweisung mit dem Termin. Auf dieser Einweisung stand – Verdacht auf Blasentumor. Davon hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts gehört. Gibt es so etwas überhaupt? Aber da ich nun mal ein Realist bin und mit Tatsachen sehr gut umgehen kann beunruhigte es mich nicht. Nun wusste ich wenigstens woran ich war. Die Operation, na schön, das Zeug rausholen und alles ist wie immer. Jetzt hieß es für mich alles regeln solange ich noch in der Lage dazu sein würde. Der Zeitpunkt war gekommen meinen Partner einzuweihen, was ich dann auch tat.


    30.07.2018

    Die TUR-B ( trans urethrale Resektion) der Blase stand an. Es gab keine Erklärung, sondern nur Hemdchen an und drauf auf den Stuhl. Ich wachte im Zimmer auf mit einem Urinbeutel am Bett. Die Schwestern kamen und schauten immer mal wieder nach dem Beutel. Es war immer noch Blut im Beutel.

    Da sie sehr nett waren fragte ich, wann ich nach Hause kann und sie sagten, wenn kein Blut mehr im Beutel ist. So, nun ist der Krebs raus und alles erledigt, so dachte ich jedenfalls. Am nächsten Tag kam die weiße Wolke (mehrere Ärzte) stellten sich an die Wand am Fuß endes meines Bettes und besprachen sich. Mit mir sprach niemand. Sie rauschten wieder ab und die Schwester sagte, dass sie mich jetzt auf Anweisung zum CT bringt. Wieder in meinem Zimmer machte ich mich ausgeh fertig. Mein Mann kam zu Besuch und ich wollte Kaffee trinken gehen. Gesagt getan. Beutel an den Hosenbund gehängt, langes Shirt drüber und los ging es. Am Vorabend meiner Entlassung kam ein Onkologe und erzählte mir was von Chemotherapie. Ich begriff zu diesem Zeitpunkt –null. Mir flogen nur die Worte Chemo und OP um die Ohren. Ich sagte gleich zu , ohne zu wissen, was besser ist, erst nach der OP oder vor der OP? Ich sagte einfach zu.

    Am 03.08.2018, es war ein Freitag, wurde ich entlassen. Das Zimmer musste bis 9 Uhr geräumt sein und den Entlassungsbrief sollte ich gleich bekommen. Um 15 Uhr hatte ich endlich den Brief in der Hand mit der Bemerkung: wir konnten in der Onkologie niemanden erreichen, versuchen sie es am Montag selbst, nun stand ich da. Es wurde Zeit mit meiner Tochter zu telefonieren und sie über alles zu informieren. Aber ich war immer noch wütend über den Onkologen, denn er war doch am Vorabend noch bei mir, hätte er nicht gleich sagen können, dann und dann geht’s los mit der Chemo? Warten bis Montag!! Zur Urologin am Montag, ach die wollte ja noch im August in Urlaub und nun? Aber egal, jetzt musste ich erst mal den Bericht lesen, es war Freitag und erledigen konnte ich sowieso nichts mehr. Ungewissheit dadurch Angst, ein Bericht mit Buchstaben und Zahlen die ich nicht verstand. Außerdem hat es sowieso keinen Sinn ich werde wohl sterben. Niemand hat mir etwas anderes gesagt. Dann kam der Anruf meiner Tochter, der alles ändern sollte. Sie erzählte mir von diesem Forum und sagte ich solle mich doch mal hier anmelden.


    04.08.2018

    Ich meldete mich in diesem Forum an und nun ging es Schlag auf Schlag. Ich erfuhr, was die Zahlen und Buchstaben bedeuteten, ein muskelinvasives Urothelkarzinom der Harnblase pTX (mindestens pT2 a) + pT a, G3, L1, cN 2, c M null, Stadium 4 . Es waren klare Worte, viel mehr geht fast nicht, du musst dich beeilen, die Zeit ist ein wichtiger Faktor, aber das ist es ja, womit ich etwas anfangen konnte. Ich erhielt Antworten auf meine Fragen und wurde ruhiger. Es gab plötzlich vieles zu bedenken, denn ich war mit Worten wie adjuvante Chemo, Port, stationär, teil stationär , ambulant konfrontiert. Mit klarem Kopf begann ich mir einen Plan zurecht zulegen, was ist das Wichtigste, was kann noch etwas warten. In dieser Situation war mir mein Partner eine ganz große Stütze. Meine lähmende Angst war einem enormen Tatendrang gewichen.


    Ich wollte kämpfen, denn ich wollte Leben!


    Am Montag rief ich in der Onkologie des KH an, erreichte aber niemanden. Daraufhin suchte ich mir in meiner Nähe eine, rief dort an und bekam auch für den gleichen Tag noch einen Termin. Im Forum habe ich begriffen, dass Zeit etwas war, was ich nicht hatte. Beim Onkologen wurde sofort ein Termin beim HNO gemacht und auch sofort ein Termin zum legen des Port´s vereinbart. Am 09.08.2018 wurde der Port implantiert um am 13.08.2018 begann die Chemo mit Cisplatin und Gemza. Es waren 2-3 Zyklen geplant, aber es wurden 4. Am 30.10.2018 war der Spuk , mit allen Nebenwirkungen, endlich vorbei.

    Ich hatte schon während des letzten Zyklus mir eine Zweitmeinung eingeholt und den OP- Termin festgelegt. Dieser sollte am 11.12.2018 sein. Ich musste nach der Chemo 4-6 Wochen Wartezeit in Kauf nehmen, damit sich der Körper erholen kann und die Blutwerte sich normalisieren.


    Ja, am 10.12.2018 um 11.00 Uhr musste ich auf der Station 4 des St. Josef KH in Regensburg sein. Ein Zimmer war noch nicht frei, also warten. Hätte ich gewusst, was dann kommt hätte ich gern noch länger gewartet. Um 11.15 Uhr bezog ich mein Zimmer und dachte jetzt kann ich mich erst mal ausruhen. (der Tag vorher war wegen der Darmreinigung für mich der Horror). Pustekuchen, ich war noch nicht einmal im Bett, da stand schon eine 2 Liter Kanne mit Darmspüllösung auf meinem Nachttisch. Diese verfluchte Trinkerei (warum bin ich kein Säufer)

    Aber auch das hab ich geschafft. Um 15.50 Uhr kam ein Arzt und sagte mir wie es weiter geht. Gegen 16.10 Uhr war Blutabnahme, dann zum Operateur Dr. Mayr, der sein Kunstwerk auf meinem Bauch voll endete.(Anzeichnung des Stomas) Dann hatte ich die restliche Nacht Ruhe und habe erstaunlich gut geschlafen.

    11.12.2018, die Schwester weckt mich um 6.00 Uhr und sagt, dass ich noch in aller Ruhe duschen gehen könne und anschließend die bereitgelegte Desiner kleidung anziehen sollte. Ach ja, den supermodischen Hut solle ich nicht vergessen.


    Um 7.15 Uhr wurde ich in meinem Bett zur Operation gefahren. Dort wurde mir in einem Seitenraum die Schmerzpumpe gesetzt. Ein leichter Druck und schon war alles vorbei, und ich hatte soooo einen Schiss davor. Ich dachte an meinen Partner, der versprochen hatte die ganze Zeit im KH zu verbringen, damit ich weiß, ich bin nicht allein.


    Dann kam eine Schwester und sagte ich solle mich auf die Matten legen, oh, die war richtig schön warm. Die Beatmungsmaske fand ich nicht so schön und versuchte ihr zu entfliehen indem ich meinen Kopf immer tiefer in die Matte drückte. Dann ging das Licht aus.

    Ich wurde etwa um 14.00 Uhr wach und sah meinen Partner. Er sagte etwas, ich weiß nicht mehr was, aber ich habe reagiert. Dann wurde es wieder dunkel. Später erzählte er mir, dass ich um 14.00 Uhr aus dem Operations saal gekommen bin und mit den ganzen Schläuchen grauenvoll aussah.


    Laufend piepte bei mir ein Gerät, weil ich wieder auf irgend einem Schlauch lag. Aber die Schwestern und Pfleger nahmen es mit einer Engelsgeduld hin. Am 1.postoperativen Tag- kam eine Schwester und wollte mich waschen, ich in meinem jugendlichen Leichtsinn, sagte, ich setze mich hin. Aber wie viel Anstrengung es mich gekostet hat hab ich natürlich nicht zu gegeben. Oh war ich glücklich als ich wieder lang lag und schlafen konnte. Irgendwann bekam ich dann Durst und fragte und sieh an, ich bekam Brühe - sollte wohl welche sein. Meine neue Ableitung habe ich bis dahin noch nicht gesehen. Um ehrlich zu sein, zu diesem Zeitpunkt hat es mich auch nicht interessiert.


    2. postoperativer Tag- mir ging es gut. Ich konnte mich aufsetzen, selbst waschen, Zähne putzen. Schläuche wurden gezogen auch der am Hals verschwand. Nur den Zugang durfte ich noch behalten. Mein Transport von der Intensivstation wurde vorbereitet, aber meine "Brühe" bekam ich noch dort. (mein Abschiedsgeschenk?)

    Bei der Umlagerung in mein Normalstationsbett viel der aufmerksamen Schwester auf, dass mein Popo verbrannt war. Ich merkte gar nichts. Sie gab es an die Pflegekräfte der Normalstation weiter mit dem Hinweis "muss unbedingt beobachtet werden". Auf Station angekommen rieb man mir den Allerwertesten gleich mit einer Fett Salbe ein. Na ja, ich mit meiner großen Klappe hab natürlich gleich gesagt, die Salbe bleibt hier, was sie auch taten. Von nun an schmierte ich jeden Tag mein Hinterteil mehrmals ein, der wusste bestimmt nicht wie ihm geschieht, soviel Fürsorge! In dem Drei-Bett-Zimmer ging es zu wie im Taubenschlag, eine Patientin rein, eine raus, es wurde nie langweilig. Jeden Morgen, noch vor dem Frühstück kam mindestens ein Arzt und Pfleger, erkundigte sich nach unserem Wohlbefinden oder schaute sich die Narbe an.


    Am Nachmittag kamen dann mindestens ein Oberarzt und der Stationsarzt und legten die weitere Vorgehensweise fest. Drainage ein Stück rausziehen und wieder festnähen,

    Narbe nur abdecken, so heilt es wunderbar, morgen entfernen wir den Schlauch und den Infusionsständer können wir morgen auch entsorgen. So vergingen die Tage und ich wartete auf Besuch oder aufs Futter. Ich weiß nicht mehr, welcher Tag es war,da kam eine junge Physiotherapeutin und ging mit mir auf den Gang. Das Einzige was ich hörte war nicht so schnell, nicht so schnell. Sie kam nie wieder zu mir, dafür die Damen von der Sozialabteilung und stellten den Antrag auf AHB für mich.


    Am Donnerstag erschien der Chef der Klinik Prof. Dr. Burger und ein OA sowie der Stationsarzt, schauten sich das Stoma an fragten die Pfleger wie ich damit zurechtkomme, dann die Narbe und teilten mir mit, wenn es so bleibt ziehen sie morgen die Drainage und entfernen die Klammern. Gesagt getan. Am Samstag kam dann der Stationsarzt und überbrachte die frohe Botschaft- sie können nach Haus.

    Ich möchte mich bei Allen, die es ermöglichten, dass ich nach 11 Tagen wieder nach Haus konnte bedanken.


    Ich habe mich in Regensburg wohl gefühlt, die Ärzte und alle, die in der Urologie gearbeitet haben sind nett, höflich, legen großen Wert auf Hygiene, verstehen ihr Handwerk. Ich würde immer wieder in diese Klinik gehen, sie haben mein vollstes vertrauen.


    Jetzt ist ein Jahr vergangen, und alle bisherigen Nachuntersuchungen waren ok.