OP oder Antikörpertherapie

  • Hallo an alle,

    es geht um meinen Vater, 84 Jahre alt. Im April wurde bei ihm akut Blasenkrebs (er kam mit akutem Harnverhalt ins Krankenhaus) diagnostiziert, nicht muskelinvasiv, aber ein aggressiver Tumor. pT1, G3.
    Der wurde dann 2x durch die Harnröhre ausgeschabt (April und Juni); aber keine lokale Chemo vorgenommen (warum weiß ich nicht - auf diese Therapie bin ich erst jetzt gestoßen); im Juli erfolgte noch mal ein CT, um den Verdacht auf Metastasen aufzuschließen. Der CT-Befund und der Laborbefund vom Juli lauteten: Krebsfrei!
    Was natürlich eine Erleichterung war. Der einzige Nachteil ist, dass er eben seitdem einen Dauerkatheter hat, was für ihn aber nicht so schlimm ist, weil er ja eh durch seine Prostata altersbedingt Probleme beim Wasserlassen hatte.
    Die Ärzte rieten zu Kontroll-Blasenspiegelungen (stationär) im dreimonatigen Abstand. Nun hatte er Mitte Oktober seinen Termin im Krankenhaus - und der Tumor ist wieder gewachsen, nach nur 3 Monaten! Auf die Größe einer Aprikose. So groß, dass er nicht durch die Harnröhre entfernt werden kann! Das war natürlich ein Schock!

    Jetzt war ich mit ihm am Dienstag zum Gespräch beim Chefarzt der Urologie.
    Abraten würde der - wegen seines hohen Alters - von Chemo und von einer Total-Op.
    Die Alternativen sind:
    - eine Op, um den Tumor rauszuschneiden, Dauer: ca. 1,5-2 Stunden, danach evtl. Antikörpertherapie. Nachteil: Mit der Blasenspeigelung war nicht erkennbar, ob der neue Tumor nicht schon tiefer geht: Sollte das der Fall sein, würden er die OP beenden und wieder zunähen, weil er eine Total-OP in seinem Alter für zu riskant hält.
    - Oder: Nur die Antikörpertherapie; entweder mit Pembrolizumab oder Atezolizumab. Der Wert, der angibt, ob eine Antikörpertherapie erolgreich wäre, ist grenzwertig. Also: Ohne Garantie einer Wirkung.
    Und die dritte Alternative ist natürlich: gar nichts machen; aber so schnell, wie der Tumor jetzt gewachsen ist, lässt das ja Böses ahnen ...
    Unser Problem:
    - Mein Vater hat Vorerkrankungen, ist chronischer Schmerzpatient und hat in seinem Leben schon zig OPs hinter sich - mit jeder Narkose, selbst den sehr kurzen bei der TUR baut er geistig ab. Wie soll das nach 2 Stunden Narkose werden?
    Und die Nebenwirkungen der Antikörper-Therapie lesen sich ja furchterregend ... und spätestens nach dem Aufklärungsgespräch mit dem Onkologen kann ich vorhersagen, dass mein Vater auch alle Nebenwirkungen bekommt ... das war bei ihm schon immer so, er kann einfach nicht positiv denken.

    Gibt es Alternativen?

    Wie sind die Erfahrungen mit der Antikörper-Therapie?

    Was ist zu tun, wenn er sich für die Option "gar nichts tun" entscheidet? Wo holt man sich Hilfe? Alle Optionen lassen ja nicht wirklich hoffen - er kann ein Pflegefall werden, es kann sich noch lange hinziehen, aber er soll ja nicht leiden. Und ständig neue Krankenhausaufenthalte sind ja auch keine Lebensqualität.
    Wir haben familär noch nie mit Krebs zu tun gehabt, und das stresst nun wirklich die ganze Familie, zumal mein Vater wahrlich kein einfacher Patient ist (noch nie war). Und drumherum noch die Corona-Krise ...

    danke fürs Mitlesen! :)

  • Ich hänge noch ein paar konkrete Fragen dran:
    - Woher nehmen wir eine kompetente Zweitmeinung? Der ambulant behandelnde Urologe ist meiner Meinung nach eine echte Pfeife (sorry, ist aber so).
    - Mit wem bespricht man sich rechtzeitig über eine palliative Behandlung? Hausärztin?
    - Gibt es komplemtärmedizinische Möglichkeiten?
    - Und wo verdammt hat er diesen Krebs her - er raucht seit über 50 Jahren nicht mehr; lebt gesund; hat nie in der chemischen Inudstrie gearbeitet, war auch sonst nicht bedenktlichen Stoffen in Kontakt; er nimmt wegen seiner chronischen Schmerzen sogar Cannabis; bekommt Nahrungsergänzungen schon seit Jahren; im Prinzip hatte er keinerlei Risiken für Blasenkrebs - warum jetzt so plötzlich und so schnell wachsend?

  • Hallo Katrin , ich begrüße dich in unserem Forum. Wir sind die größte Blasenkrebs Community im deutschsprachigen Bereich, eine Community die sich gegenseitig mit Rat und mentaler Unterstützung hilft.. Wir sind keine Ärzte, kein Fachpersonal, wir sind Betroffene oder Angehörige wie ihr selbst.


    Du und der Arzt haben recht, gerade auch wegen der vielen Nebenbaustellen ist eine Zystektomie bei einem 84 jährigen ein riskantes Unternehmen. Jetzt sollte man in einem ersten Schritt erst einmal versuchen den Tumor soweit es geht zu entfernen. Dann sollte das ganze genau klassifiziert werden damit man weiß worum es überhaupt im Detail geht. Muskelinvasiv oder nicht muskelinvasiv, Grading usw..Das in diesem Alter noch eine Antikörpertherapie sinnvoll und zielführend ist bezweifel ich stark. Der Tumor muss jetzt erst einmal raus.


    Erst dann kan man sich weitere Schritte überlegen. BCG wird wohl ausfallen, in einem solchen Alter mit den Vorerkrankungen ist und wird das eine Tortur mit Höllenqualen. Eine zweite Meinung holt man sich bei einem anderen Urologen oder eben in einem Med. Zentrum, z.B. an der Uni Klinik Kiel , Hier der Link dahin. Ihr habt das Recht auf eine zweite Meinung, kann aber derzeit wegen Corona problematisch werden.


    Eine Palli Behandlung bespricht man zuerst mit der Hausärztin, diese muß bescheinigen das eine Palliativbehandlung eingeleitet werden muss, dann kann ein Palliativteam beauftragt werden. Nähere Informationen gibt es hier: Hier klicken


    Woher der Krebs kommt, die Frage aller Fragen. Bei mir war es wohl das Rauchen.. Kennt man ja von früher.. 10 - 12 Stunden am Bildschirm programmiert, dabei 5 Kannen Kaffee und 3 Päckchen Reval (Zigaretten) und das 20 Jahre lang. Viele Mitglieder hier haben geraucht, aber auch viele haben nicht geraucht, haben nie was mit Chemie zu tun gehabt, haben sich ökologisch gut ernährt und trotzdem Blasenkrebs bekommen. Woher genau kann man so genau nie sagen. Ich z.B. war 12 Jahre Bundeswehr, war sehr oft starker Microwellenbestrahlung ausgesetzt (Flugabwehrraketen System) .. kann auch daher gekommen sein. Viele meiner ehemaligen Kameraden sehen sich schon die Blümchen von unten an.. alles nur Vermutungen, beweisen kann man nichts.


    Insgesamt ist es bei einem 84 jährigen mit jeder Menge an Vorerkrankungen immer schwierig das richtige zu tun. Um zumindest noch ein paar Jahre zu gewinnen sollte der Tumor erst einmal entfernt werden, danach und nach der histologischen Untersunchung kann man weiter entscheiden.


    Gruß Rainer

  • Hallo Rainer,


    vielen Dank für die Rückmeldung!


    Mich wundert, warum nach der ersten Resektion (oder der zweiten) nicht diese lokale Chemo gemacht hat. Ist das nicht eigentlich Standard?


    Mit der OP haben wir eben auch Sorgen, dass er dann geistig abbaut durch die Narkose und womöglich seine bestehenden Augenerkrankungen sich noch weiter verschlechtern - er sieht eh nicht mehr viel.


    Gibt es auch eine lokale Immuntherapie?


    Einen histologischen Befund haben wir von der aktuellen Gewebeprobe. Ich hänge das mal an.

    Beste Grüße, Katrin

  • Nun, die lokale Immuntherapie wäre eben BCG .. und die bei einem 84 jährigen durchzuführen grenzt an Folter.


    Es ist schon richtig: in den Leitlinien wird eine Frühinstillation von Mitomycin als sinnvoll erachtet. Die Leitlinien sagen dazu:

    Die Chemotherapie-Frühinstillation kann bei Patienten mit klinisch nicht-muskelinvasivem Blasentumor durchgeführt werden, sofern weder eine ausgeprägte Blutung noch eine Blasenperforation vorliegt. Manche Kliniken sparen eben und erachten es eben als weniger sinnvoll. Es ist immer schwierig denen etwas zu beweisen warum wieso etwas nicht oder besser anders gemacht wurde.


    In der Histo schreibt man mindestens pT1 G3.. also geht man davon aus das es schon ein pT2 , also ein muskelinvasiver ist.



    Hier mal eine von uns erstellte Grafik, bei einem muskelinvasiven hilft auch BCG nichts mehr, hier muss die Blase ansich raus.. was wiederum hier bei den vielen Vorerkrankungen auf aufgrund des Alters problematisch ist. Eine Zweitmeinung (wenn sie schnell zu bekommen ist (innerhalb 14 Tage) aus Kiel wäre da nicht schlecht.


    Gruß

  • Moin Katrin , im Wesentlichen hat Rainer die Situation sehr deutlich beschrieben. Was nach der TUR B (transurethale Resektion Blase) verabreicht werden kann/soll ist die sogenannte Frühinstillation kurz nach dem Eingriff. Hier sollen die möglicherweise durch den Eingriff freigesetzten und herumschwirrenden Tumorzellen sofort abgetötet werden. Eben eine situationsbezogene Massnahme und nicht als Therapie auf Sicht zu betrachten.


    Bei aller gebotenen Sorgfalt, Rücksicht und Prognostik bin ich, ich ganz persönlich, der Meinung, dass lediglich die radikale Zystektomie mit Anlage eines Urostoma dem Patienten eine Option auf einige erträgliche Lebensjahre bietet. Der Stand der Medizin, hier insbesondere der Anästhesie eröffnet schon eine sehr sorgsame Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten zur Narkose.


    Gruß wolfgangm

    05/2009 CIS, 02/2010 pT4 a, G 3, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis, 08/2018 Nephrektomie rechts


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"

  • Dieses Thema enthält 19 weitere Beiträge, die nur für registrierte Benutzer sichtbar sind, bitte registriere dich oder melde dich an um diese lesen zu können.