Behinderung / Schwerbehinderung
Von einer Behinderung spricht man bei individuellen Beeinträchtigungen eines Menschen, die umfänglich, vergleichsweise schwer und langfristig sind.
Im bundesdeutschen Recht wird die Behinderung im Sozialgesetzbuch IX (dort: § 2 Abs. 1), so festgelegt:
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Grundsätzlich lassen sich Behinderungen grob kategorisieren in:
* körperliche Behinderung
* Sinnesbehinderung (Blindheit, Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit, Taubblindheit)
* Sprachbehinderung
* psychische (seelische) Behinderung
* Lernbehinderung
* geistige Behinderung
Hinsichtlich der Ursachen lässt sich unterscheiden zwischen:
* erworbenen Behinderungen
- durch perinatale (während der Geburt) entstandene Schäden
- durch Krankheiten
- durch körperliche Schädigungen, zum Beispiel Gewalteinwirkung, Unfall
- durch Alterungsprozesse
* angeborenen Behinderungen
- durch Vererbung bzw. chromosomal bedingt
- durch pränatale (vor der Geburt entstandene) Schädigungen.
Behinderungen können auch als Kombination aus mehreren Ursachen und Folgen auftreten (Mehrfachbehinderung), oder weitere Behinderungen zur Folge haben, z.B. Kommunikationsbehinderung als Folge einer Hörbehinderung.
Der Begriff Schwerbehinderung sagt erst einmal nichts über die Ursachen der Behinderung aus. In Deutschland können Menschen mit einer Behinderung als schwerbehindert anerkannt werden, wenn Sie einen Antrag auf Schwerbehinderung beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Das Versorgungsamt stellt dann, unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Merkmale, den Grad der Behinderung (GdB) fest. Daraufhin kann die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft und die Gewährung von Nachteilsausgleichen erfolgen. Als schwerbehindert gilt ein Mensch, wenn ihm vom Versorgungsamt ein mindester “Grad der Behinderung” von 50 anerkannt wird. Ausnahmen bilden Schwerbehinderte mit einem GdB von 30 bis 50. Für diese Gruppe gilt der gleiche Kündigungsschutz, wenn sie vom Arbeitsamt den Schwerbehinderten gleich gestellt wurden
( Anmerkung : Häufig wird hier im Forum in Beiträgen die Schwere der Behinderung in Prozent, ( % ), ausgedrückt. Dies ist falsch !
Der Grad der Behinderung ist dimensions-bzw einheitslos.
Es heisst ergo nicht : 80%, sondern : der GdB 80. )
Antragformulare erhalten Sie bei den:
* Versorgungsämtern
* Sozialämtern
* örtlichen Fürsorgestellen
* Behindertenverbänden
* kommunalen Bürgerbüros (Stadtverwaltung)
* Vertretungen für Schwerbehinderte
Das Antragsverfahren
Zuerst muss ein Antrag auf Schwerbehinderung beim zuständigen Versorgungsamt gestellt werden. Aufgrund dieses Antrages wird dann der Grad der Behinderung und evtl. die gesundheitlichen Merkmale für eine Gewährung von Nachteilsausgleichen festgestellt.
Dem Antrag auf Schwerbehinderung sollten alle im Besitz des Antragstellers vorhandenen Arztbriefe, Befunde, Röntgenbilder etc. beigelegt werden. Dies verkürzt die Bearbeitungszeit meist erheblich.
Auf dem Antragformular müssen Sie dem Versorgungsamt bestätigen, dass es bei ihren behandelnden Ärzten oder Krankenhäuser weitere Unterlagen anfordern kann, falls diese der Einstufung dienen
Sollten die Unterlagen nicht ausreichen, kann eine zusätzliche fachärztliche Untersuchung durchgeführt werden.
Bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes können Sie zu jeder Zeit einen Änderungsantrag (Verschlechtungsantrag) einreichen.
Gegen den Bescheid des Versorgungsamtes können Sie Widerspruch einlegen. Für seine Mitglieder ist z.B. der VDK sowohl bei der Antragstellung als auch im Widerspruchsverfahren behilflich.
Die wichtigsten Merkzeichen und Nachteilsausgleiche:
Merkzeichen G
Merkzeichen GI
Merkzeichen B
Merkzeichen H
Merkzeichen aG
Merkzeichen RF
Merkzeichen BI
Merkzeichen 1.Kl
Dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit.
Eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit kann vom Versorgungsamt nur bei einem GdB von 30 oder 40 festgestellt werden. Sie ermöglicht die Inanspruchnahme eines Freibetrags bei der Einkommensteuer. Erforderlich ist die Beeinträchtigung der Fähigkeit, sich körperlich zu bewegen.
Eine solche Beeinträchtigung kann unter anderem auf einem Schaden des Stütz- und Bewegungsapparates beruhen, und zwar auch dann, wenn dieser für sich allein noch keinen GdB von wenigstens 30 ausmacht und sich ein Gesamt-GdB von 30 oder 40 erst durch das Zusammentreffen mit weiteren Beeinträchtigungen ergibt. Eine dauernde Einbuße (zum Beispiel: bei Herz- und Lungenfunktionsstörungen mit einem GdB von 30) oder der körperlichen Beweglichkeit kann in besonderen Fällen auch bei inneren Krankheiten, bei Schäden an den Sinnesorganen, (zum Beispiel: bei einer Seh- oder Hörbehinderung mit einem GdB von 30), vorliegen.
Merkzeichen G .
Das Merkzeichen G berechtigt wahlweise zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr oder zur Kraftfahrzeugsteuerermäßigung von 50 %. Nach § 146 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere gehen kann. Hierbei ist nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse oder örtlichen Gegebenheiten abzustellen.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sind unter anderem gegeben, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken und die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen.
Bei inneren Leiden ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden und bei Atembehinderungen (jeweils mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung) anzunehmen.
Merkzeichen GI . .
Das Merkzeichen Gl berechtigt ebenfalls wahlweise zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr oder zur Kraftfahrzeugsteuerermäßigung von 50 %.
Gehörlos sind nicht nur Hörbehinderte, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sondern auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen. Das sind in der Regel Hörbehinderte, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden ist.
Merkzeichen B. .
Das Merkzeichen B ermöglicht die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im öffentlichen Personenverkehr. Nach § 146 SGB IX ist ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen notwendig, die bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind.
Merkzeichen H . .
Das Merkzeichen H ermöglicht unter anderem die Inanspruchnahme eines Freibetrags in Höhe von 3700 Euro bei der Einkommensteuer.
Hilflos im Sinne des § 33 b Einkommensteuergesetz ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu diesen Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.
Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen sind insbesondere An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft. Der Umfang der notwendigen Hilfe bei diesen Verrichtungen muss erheblich sein. Einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im täglichen Ablauf wiederholt vorgenommen werden, genügen nicht (zum Beispiel: Hilfe beim Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, notwendige Begleitung bei Reisen und Spaziergängen, Hilfe im Straßenverkehr, einfache Wund- oder Heilbehandlung). Verrichtungen, die mit der Pflege der Person nicht unmittelbar zusammenhängen (zum Beispiel: Haushaltsarbeiten), müssen außer Betracht bleiben.
Merkzeichen aG . .
Mit dem Merkzeichen aG können Parkerleichterungen im Straßenverkehr sowie eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung in Anspruch genommen werden.
Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung im Sinne der Verwaltungsvorschrift zu § 46 der Straßenverkehrsordnung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können.
Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkel- amputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich Unterschenkel- oder Armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Eine Gleichstellung ist nur möglich, wenn das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt ist. Wird ein Rollstuhl benutzt, kommt es darauf an, ob der Betroffene ständig auf ihn angewiesen ist. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden und Krankheiten der Atmungsorgane anzusehen, sofern die Einschränkung der Herzleistung oder der Lungenfunktion für sich allein einen GdB von 80 bedingt.
( Fortsetzung folgt )