Dieters Bericht (Neoblase nach BCG, Bericht ab 2007 in mehreren Teilen)

  • Juli 2007


    Vorgeschichte


    Im Februar 2001 wurde bei mir das Blasenkarzinom (BK) erstmals diagnostitziert. Es erfolgte die erste TUR-B, bei der ein 2 cm großer,

    papillärer Tumor pT1 G1 entfernt wurde.


    Nach 3 Monaten Zystoskopie (Zys) o.B und 3 Monate später Zys positiv. Wieder TUR-B, mit dem Befund pTaG1, diesmal multifokal, d.h. es wurden 7

    Stellen reseziert.


    Nun war die BCG-Therapie angesagt, die ich zunächst auch vertrug. Allerdings wurden die Bescherden zum Ende der Initialisierungsphase hin

    (6 Instillationen im wöchentlichen Abstand) immer heftiger und nach der 6. Instillation war das Maß des Erträglichen erreicht. Das Brennen in

    der Blase suggerierte dauernd Harndrang und die Befriedigung desselben in Schnapsglasquantitäten war schmerzhaft und ließ kaum Schlaf zu. Unter

    letzterem fing dann auch die Familie an zu leiden. Vorrübergehende Entspannung brachte der Übergang zur monatlichen Instillation, die bis

    zur Vollendung eines Jahres durchgeführt wurde. Auch hier stiegen die Beschwerden zum Ende hin wieder an und erreichten das schon zuvor

    beschriebene Maß, und ich hätte diese Therapie, wäre sie nicht ohnehin zu Ende gewesen, abbrechen müssen. Das war September 2002. Mit Beginn

    der Therapie bin ich glücklicherweise in den Ruhestand getreten, an eine geregelte Berufstätigkeit wäre nicht zu denken gewesen. Bei der

    nächstfälligen Zys im Oktober 2002 wurden bereits wieder Auffälligkeiten festgestellt und es kam sogar der Verdacht auf ein Prostatakarzinom

    auf. Die daraufhin durchgeführte TUR-B erbrachte zum Glück nur eine chronische Urozystitis (Blasenentzündung) und granulomatöse Urethritis

    (Entzündung der Harnröhre) infolge BCG.


    Bis zum Mai 2003 hatte ich Ruhe, doch dann schlug der Krebs wieder zu. TUR-B, pTaG2.


    Er gab dann aber Ruhe bis Mai 2004, um dann mit dem Befund CIS! zuzuschlagen.


    Damit war das Thema Zystektomie nicht mehr zu umgehen. Nach Vorlage aller Untersuchungsunterlagen (Szintigramm, CT, Histologien der

    zurückliegenden TUR-B's) an der Uniklinik Ulm erhielt ich aber zu meiner Erleichterung den Rat, es doch noch einmal mit einer BCG-Therapie zu

    versuchen. Nachdem wir diese Empfehlung durch weiteren Expertenrat abgesichert hatten, begann im August 2004 eine neue BCG-Runde. Diese

    dauerte aber nur vier Anwendungen und musste wegen schwarzem Harn abgebrochen werden. Damit stand BCG nicht mehr zur Diskussion.


    Nachdem sich mein Abwassersystem in einem langwierigen Prozess wieder einigermaßen beruhigt hatte, setzte ich im Juni 2005 meine Hoffnung auf

    das wegen seiner guten Verträglichkeit gepriesene Mitomycin 40. Doch auch dieses musste nach der Initialiserungsphase abgesetzt werden. Ich

    konnte das Instillat nicht die geforderten 1,5 bis 2 Stunden in der Blase belassen, obwohl ich alle nur denkbaren Tricks angewandt habe. Die

    letzte Blasenfüllung (die 4. in der Initialisierungsphase!) ging direkt nach der Heimfahrt von der Instillation direkt in die Toilette, hielt

    also gerade mal 30 Minuten. Das war also das Ende der Standard-Chemotherapien.


    Ich möchte an dieser Stelle ganz klar betonen, dass diese Schilderung, wie auch die folgenden, meine ganz persönliche Erfahrung darstellen und

    keineswegs für andere zutreffen müssen. Beispielsweise hat ein Freund von uns am Vorabend seines Südafrikaurlaubs ohne jegliche Vorwarnung

    schwarz gepinkelt und erhielt tags darauf die Diagnose BK. Die Sache nahm den üblichen Verlauf und er erhielt auch eine MMC-Therapie, die er

    bis heute (2 Jahre) gut verträgt. (Er ist zudem schwer zuckerkrank.) Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie von einer erfolgreichen Therapie

    möglichst bald auf die lichte Seite der Statistik gehievt werden und nicht meinen Weg gehen müssen


    Ich hatte wieder Ruhe bis Juli 2006. Dann TUR-B -> pTaG2. Das war der Beginn eines Leidensweges, von dem ich hoffe, dass er nun beendet

    ist. Nach der TUR hatte ich dauerhaftes Brennen in der Harnröhre, das mit Hilfe von Antibiotika nur langsam abklang und nach jeder Zys wieder

    voll zuschlug. Das ganze war im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass ich andauernd pinkeln musste. Einkaufsfahrten und ähnliches waren

    in erster Linie eine Frage des Pinkelmanagmentes. In Athen kenne ich JEDE Möglichkeit, mich legal oder illegal zu erleichtern. Nachtruhe mit

    dauernden Unterbrechungen war auch keine mehr, die Reizbarkeitsschwelle sank bedenklich ab und meine seelische Verfassung lag irgendwo zwischen

    Resignation, Apathie und Warten auf ein Wunder. Nur meine Fähigkeit, unangenehmen Sachverhalten auszuweichen, ermöglichte es mir, das Leben

    noch etwas zu genießen. Als dann im März die nächste Zys fällig war, setzte Rosemarie ihre Forderung nach einer Fluoreszenzlicht- anstatt

    der üblichen Weißlicht-Zystoskopie durch.


    Und dann ging alles sehr schnell. TUR-B mit positiver Histologie, Nachresektion drei Wochen später ebenfalls unter Fluoreszenslicht mit

    gleichfalls positiver Histologie. In dem darauffolgenden Gespräch mit Prof.Kuzcyk fiel dann die Entscheidung zur Zystektomie, welche dann am

    14.Mai vorgenommen wurde. Kurzentschlossen habe ich noch, um das Ganze möglichst rasch hinter mich zu bringen, meinen lange geplanten

    Amerikaurlaub geopfert, den ich am 26. Mai antreten wollte.


    Das war die Vorgeschichte und an dieser Stelle ist ein wichtiges Fazit zu ziehen. Eine Zystektomie lag für mich immer außerhalb jeden Denkens.

    Ich überging die dezenten Hinweise auf die Notwendigkeit derselben von Rosemarie sowie die schon deutlicheren der Urologen in der Hoffnung, das

    Thema mit gelegentlichen TURB-B's unter Kontrolle zu halten. Was ich nicht realisiert habe, war die Tatsache, dass der Tumor, nachdem keine

    der Therapien gegriffen hatte, sich mal hier, mal da angesiedelt hatte, auch die Harnleiter hinauf oder auch in die Harnröhre abwandern könnte.

    Und genau letzteres war er im Begriff zu tun. Das bedeutet, dass bei entsprechendem Fortschritt nur noch die Möglichkeit eines Ileum-Conduits

    bzw eines Pouchs verblieben wäre. Ich bin wohl noch auf den letzten, bereits abfahrenden Zug aufgesprungen und konnte den Operateuren die

    Möglichkeit geben, mir den natürlichen Harnweg zu erhalten. Wie ich später erfuhr, ist die Entscheidung dafür wegen der fortgeschrittenen

    Ausbreitung nicht einfach gewesen. Mir bricht heute noch des Schweiß aus, wenn ich mich daran erinnere und empfinde den Operateuren gegenüber

    eine tiefe Dankbarkeit.


    Die Operation dauerte 8,5 Stunden. An die Möglichkeiten, dass der Tumor in die Harnleiter hinaufgewandert wäre oder eine höhere Agressivität

    entwickelt hätte, mag ich nicht mehr denken.



    Die Operation


    Am 14. Mai sollte dann die Operation an der Uni-Klinik Tübingen erfolgen. Ich bin also am 13. eingerückt mit der Maßgabe, ab 10 Uhr

    nichts mehr zu essen und ab 20 Uhr nichs mehr zu trinken. Zwischendurch bekam ich noch ein Zäpfchen zwecks Abführung. Das war die ganze

    Vorbereitung für die Op. Wenn ich da so die Schilderungen der anderen Aspiranten lese.... Am nächsten Morgen kamen die Dottores, malten mir

    mystische Muster auf den Bauch, verabreichten mir die Sch...egal-Pille und ab ging es in den Operationssaal. Dort wurde mir auf dem Handrücken

    ein Zugang gelegt und 10 Sekunden später wurde es nacht. Die Fortsetzung setzte ein im Wachraum, wo ich von dem Pfleger angesprochen wurde.

    Nachdem ich mühsam die Orientierung gefunden hatte, stellte ich ihm die mich sehr bewegende Frage nach dem gewählten Ausgang und hörte mit

    unendlicher Erleichterung, dass es eine Neoblase mit natürlichem Ausgang war. Später kam Rosemarie und ich konnte ihr das erfreuliche Ergebnis

    mitteilen. Was weiter geschah, habe ich in nur nebelhafter Erinnerung. Es kam später noch der Operateur, Prof. Kuzcyk vorbei und informierte

    Rosemarie über den ansonsten komplikationslosen Verlauf der Operation bis auf Schwierigkeiten, die die Entzündungen im Harnleiterbereich

    bereiteten. Ich hatte im ersten Teil meines Berichtes die ständigen Entzündungen in Harnröhre und Blase während der letzten Monate erwähnt.


    Schon am nächsten Tag ging es los mit der Mobilisierung. Die erste Übung war senkrecht stehen und wurde in den folgenden Tagen um einzelne

    Schritte erweitert. Es klappte ganz gut. Der Radius wurde aber durch die acht oder neun Schläuche, die mich mit dem Krankenbett verbanden,

    erheblich eingegrenzt. Wäre nichts für Manny gewesen, es hätte ja nicht einmal für den ersten Kilometer gereicht. Ansonsten erinnere ich mich

    nur noch an das ausgezeichnete Pflegepersonal und den pünktlich einsetzenden Mitternachtsspuk. Auf der Wachstation lagen auch ein alter

    Mann und eine alte Frau. Regelmäßig zur Geisterstunde fingen die beiden an zu randalieren. Sie wollten unbedingt nach Hause. Sie krakeelten und

    zeigten sich keinem guten Zureden zugänglich. Tagsüber krakeelte die Frau, weil sie nicht nach Haus wollte. Die unglaubliche Geduld der Pfleger war

    bewundernswürdig und überstieg die meine um ein vielfaches. Die Gedanken, die ich den beiden demzufolge rübersandte, waren alles andere als christlich.


    Am Donnerstag wurde ich auf die Station verlegt. Bald wurden auch die ersten Schläuche entfernt. Die Schmerzbehandlung wurde schrittweise

    zurückgenommen und als das letzte Dosiergerät von dreien abgenommen wurde, konnte auch der zentrale Venenkatheter entfernt werden. Dieser

    Katheter war von eindruckvoller Länge. Ich erfuhr später, dass er bis an den Vorhof des Herzens reicht


    An dieser Stelle einige Bemerkungen zum Thema Schmerz. Ich las in verschiedenen Darstellungen, dass Schmerzen nach der Operation durchaus

    ein Thema war. Das darf nicht sein und muß auch nicht sein. Bei einer guten Schmerzversorgung hat ein Patient im Normalfall postoperativ keine

    Schmerzen zu erleiden. Ich habe es erlebt! Leider ist es so, dass Deutschland hinsichtlich der Schmerzversorgung noch als Entwicklungsland

    gilt! Dies wurde sehr deutlich am 26.7.2007 in 3SAT in dem Magazin delta festgestellt (Prof.Dr.W.Zieglgänsberger, MPI München). Bei der

    Schmerzbehandlung kommen auch Opioide zur Anwendung. Hier herrscht allgemein die diffuse Angst, dass man dann zwangsläufig abhängig werde.

    Dies ist nicht der Fall, wenn diese Präparate nur zu diesem Zweck verwendet werden. Dies können genügend Patienten bestätigen, so auch

    ich. Mit anderen Worten: werden im Rahmen einer Schmerzbehandlung Opioide angewendet, besteht absolut keine daraus resultierende

    Suchtgefahr! Und noch etwas ist wichtig zu wissen: jeder Mensch hat ein Recht auf Schmerzfreiheit und dieses Recht ist einklagbar! Dies ist

    eine Information, die nicht aus dubiosen Quellen stammt, sondern ist eine Aussage meiner Schwester. Sie war Chefanästhesistin an einem

    größeren Krankenhaus in einer mittleren Stadt in NRW und ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Und aus gleicher Quelle noch ein ganz wichtiger

    Aspekt: wenn diese Schmerzen nicht sofort behandelt werden, besteht die große Gefahr, dass sie sich chronifizieren, d.h. sie werden zum

    ständigen Begleiter und eröffnen somit einen neuen Leidensweg. Es ist im Grunde wichtig, bei den der Operation vorausgehenden Gesprächen auch

    das Thema postoperative Schmerzversorgung gleichrangig mitzubehandeln.


    Die Medikamentengaben wurden nach ca. fünf Tagen sukzessive reduziert und nachdem die intravenöse Gabe abgeschlossen war, ist gleichzeitig auf

    feste Analgetika und Antibiotika umgestellt worden


    Nun hing ich nur noch an 5 Schläuchen. Solchermaßen dekoriert, durfte ich am Samstag meinen 67. Geburtstag begehen. Am nächsten Tag wurden die

    zwei Schläuche der Operationsnarbe gezogen und dann kam Schwester Louisa und meinte, es sei an der Zeit, mich vollends auf feste Kost

    umzustellen. Zuvor jedoch müsse meine Verdauung in Gang gebracht werden. Nachdem die sanfteren Mittelchen nichts ausrichteten, bot sie mir ihre

    Erfindung, Louisa's Spezialcocktail an. Nichs ahnend nickte ich ab und dann, Freunde, ich sage Euch, das Zeug als Geheimwaffe eingesetzt, kann

    kriegsentscheidend sein. Fünfmal musste mein Bett neu bezogen werden. Da ich keine Chance hatte, der Toilette mehr als 2 Schritte

    näherzukommen, blieb ich also im Bett. Und die Schwestern? Währenddessen betreuten mich ihrer zwei und die freuten sich, dass alles so “gut“

    klappte. Auch beim fünftenmal waren sie immer noch freundlich. Ich konnte es nicht fassen. Aber dann war es vorbei und ich hatte fortan

    eine mustergültige Verdauung.


    In den nächsten Tagen wurden die beiden Schläuche, die die Nieren direkt ableiteten, gezogen und damit die neue Blase „in Betrieb“ genommen. So

    war ich nur noch mit dem Katheter belastet. Es klappte auch alles gut. Die Blase hatte nun Zeit bis zum Mittwoch, den 30. Mai, sich einzugewöhnen.


    Zwischenzeitlich hatte sich eine Physiotherapeutin vorgestellt, die mit mir Atemübungen und die erste Beckenbodengymnastik machte. Auch der

    Sozialdienst der Klinik kam und besprach mit mir die Folgemaßnahmen. Durch das Forum gut informiert, hatte ich klare Vorstellungen, die ich

    dann nannte und bekam zwei Tage später die Nachricht, dass alles meinen Wünschen entsprechend eingerichtet sei.


    Am 30. Mai nun erfolgte die Dichtigkeitsprüfung und nachdem auch diese mit gutem Egebnis ausging, wurde ich noch vom Katheter befreit und war

    wieder ein freier Mann. Schließlich gelang es mir noch, mit Hilfe einer nicht zu widerlegenden Begründung, die für den nächsten Tag vorgesehene

    Entlassung für den heutigen Tag vorzuziehen. Ich rief sofort Rosemarie an, die alles fallen ließ und sofort die 65km nach Tübingen zwischen die

    Räder nahm.


    Mir blieb noch genügend Zeit, mich von den Schwestern und Pflegern zu verabschieden.


    Wer Antennen dafür hat, dem entgeht nicht, wie angespannt die Personalsituation im Pflegebereich ist. So kann man es garnicht hoch

    genug bewerten, dass man davon als Patient nichts zu spüren bekam. Sie waren immer da und gleibleibend freundlich. Ich werde sie alle in bester

    Erinnerung behalten.


    Noch etwas wackelig auf den Beinen verließ ich dann die Uni-Klinik Tübinen mit dem Gefühl tiefer Dankbarkeit gegnüber den Ärzten,

    Schwestern und Pflegern.

  • AHB in Reinhardshausen


    Aus Tübingen zu Hause angekommen, war ich froh, mal wieder die gewohnte Umgebung genießen zu können. Aber ich merkte bald, dass es mir noch an einigem fehlte.

    Der Sekt, der zu meinem Empfang entkorkt wurde, schmeckte mir nicht so recht, ebenso die mir gewidmete Abendmahlzeit. Am nächsten Tag hatte ich einen ziemlichen Durchhänger,

    habe alle Dinge, die ich mir für den einen Tag vorgenommen hatte, liegengelassen. Es war einfach nichts drin, ich war völlig schlaff. In der darauffolgenden Nacht (also derjenigen vor der

    Fahrt nach Reinhardshausen) suchte mich ein handfester Schüttelfrost heim. Dieser wurde von mir zunächst nicht als solcher erkannt und so fuhren wir die 450km die A7/A8 hinauf,

    die ich halbwegs gut überstand. Mein mitten im Prüfungsstress stehender Junior hatte es sich (zum Glück!) nicht nehmen lassen, uns zu chauffieren.


    Einige Wochen VOR der Operation hatte ich von weiterführenden Maßnahmen nach der OP gar nichts wissen wollen. Nachdem ich aber die diesbezüglichen Threads und Postings

    des Forums aufmerksam durchgelesen hatte, dämmerte es mir , dass es kaum eine Alternative gibt. Diese bestünde in der Durchführung aller erforderlichen Anwendungen in den

    niedergelassenen Praxen der Umgebung. Jedoch woher einen qualifizierten Therapieplan bekommen? Heute bin ich der Auffassung, dass ich diesen in der Form, wie er

    in der Klinik am Kurpark (KLAK) in Reinhardshausen erstellt wurde, nirgendwo hätte bekommen können. Es wäre desweiteren ein Problem gewesen, geeignete Praxen zu finden,

    in denen die einzelnen Maßnahmen in qualifizierter Weise durchgeführt werden können. Ich wäre ständig unterwegs gewesen, um lange Wochen hindurch jeden Tag ein oder zwei

    Termine außer Haus wahrzunehmen und so etwas nervt auch einen Ruheständler.


    Wie ich im vorhergehenden Teil meines Berichtes schon angemerkt habe, hat der Sozialdienst der Uni-Klinik TÜ die Anmeldung vorgenommen und ich konnte meinen Wünschen

    entsprechend In Reinhardshausen und zeitlich direkt im Anschluß an den Klinikaufenthalt in Tübingen zur AHB einrücken.

    Es ist also wichtig, dass man sich früh genug mit dem Thema AHB auseinandersetzt, damit man seine Vorstellungen einbringen kann. Es hätte für mich sicher

    auch näherliegende Möglichkeiten gegeben, aber ich orientierte mich an den Beurteilungen im Forum und das war gut so. Ich war sehr zufrieden. Es war auch kein Problem,

    als Einwohner Baden-Württembergs in einer hessischen Kurklinik unterzukommen.


    Ich kam also in Reinhardshausen an. Die Aufname war unkompliziert, mir ging es aber inzwischen so schlecht, daß ich nicht einmal die Aufnahmebögen selbst ausfüllen konnte.

    Auf dem Zimmer angekommen, maß die Schwester 40° Fieber, weshalb ich gleich als Notfall zu der bereits im Wochenendstress stehenden und leicht überforderten Vertretungsärztin

    zur Aufnahmeuntersuchung geschickt wurde. Es wurde zunächst einmal für eine Woche Bettruhe sowie die Einnahme von CIPROFLOXACIN angeordnet. Das Medikament

    bewegte wenig und es hatte sich inzwischen herausgestellt, dass in meiner Neoblase ein paar Coli-Bakterien überlebt hatten, die sich dank meiner schwindenden

    Widerstandskraft wieder prächtig entfalten konnten und mich niederwarfen und denen auch der Schüttelfrost zuzuschreiben war. Deshalb wurde anderntags zusätzlich

    REFOBACIN gespritzt und das räumte auf.


    Nach Ablauf einer Woche war ich soweit wieder hergestellt, dass ich mich in den allgemeinen Klinikbetrieb einfädeln konnte. Bis dahin wurde mir alles auf das Zimmer gebracht:

    die Mahlzeiten, die Medikamente und Getränke. Ich ging nun in den Speisesaal und konnte mir dort am Buffet aus einem vielseitigen Angebot jeweils meine Wunschmahlzeit

    zusammenstellen. Eine Ernährungsberaterin wies mich, wie jeden Neuankommenden, in die Systematik des Buffet ein und erklärte mir, dass und warum für mich bläharme

    Schonkost vorgesehen sei. Der Morgenkaffee wurde mir von frommer Hand eingeschenkt, von Schwester Adelpha, einer Nonne aus Billerbeck, die ebenfalls ein Kurgast meine

    Tischnachbarin war, eine fröhliche Arbeiterin im Garten ihres Herrn. Zu ökumenischen Problemen hatte sie ein sehr unverkrampftes Verhältnis. Ich erinnere mich gern an sie.

    Nach einigen Tagen begann ich, den Fuß vor die Tür zu setzen. Es fiel mir noch schwer, aber ein Anfang musste gemacht werden, zumal ich auch ziemlich blank war.

    Bald setzten die eigentlichen Anwendungen ein: Atemgymnastik, Beckenbodentraining, Rückenschule, progressive Muskelentspannung, Wassermassage, Interferenzstromtherapie.

    Langsam konnten kleine Fortschritte verzeichnet werden, allerdings entwickelte sich die körperliche Kondition nur zögerlich. Dies lag an der nur langsamen

    Verbesserung des Hämoglobinwertes (HB), der beim Mann mindestens 15 betragen sollte, aber durch die OP z.B. bei mir auf unter 10 abgesunken war und der selbst jetzt (nach 3 Monaten)

    erst bei 13 liegt.


    Ein zweiter Mechanismus, der sich beeinträchtigend auf das Befinden auswirkt, ist durch den BE-Wert (Base Excess, wird mit bei der Blutgasanalyse festgestellt) gekennzeichnet,

    der sich ebenfalls erst noch zum Normalwert hin entwickeln muss. Hierzu bitte Hexe befragen, sie kennt sich da (und nicht nur da!) bestens aus.

    Die ärztliche Betreuung bestand in der wöchentlichen Visite vom Chefarzt auf dem Zimmer bei der die Ergebnisse der Untersuchungen der vergangenen Woche bewertet und die

    weiteren Maßnahmen festgelegt wurden, sowie einer wöchentlichen Konsultation des Stationsarztes. Desweiteren wurden einmal wöchentlich eine Blutgasanalyse, eine Harnuntersuchung,

    ein Kontinenztest durchgeführt sowie eine weitere Blutuntersuchung gemacht, bei der auch der HB-Wert ermittelt wurde.

    Die Klinik wird in der Familie in der 3. Generation von zwei Urologen (Cousins, Drs. H. + J. Schultheiß) geführt, die durch ihre Kompetenz überzeugten. Auch den Schwestern

    und den Physiotherapeuten zolle ich meine besondere Anerkennung.


    Der Sozialdienst der KLAK hat für mich nach eingehender Beratung den Antrag für den Schwerbehindertenausweis beim Landratsamt meines Heimatkreises erstellt und abgeschickt. Ich brauchte nur zu unterschreiben.

    Auch eine psychologische Betreuung war Bestandteil des Therapieplanes. Entweder bleibt es bei einem Gespräch oder aber man erhält weitere Termine, wenn das nicht genügen sollte. Der Psychotherapeutin war Detlef Höwing kein Unbekannter.


    Die apparative Ausstattung der KLAK konnte sich sehen lassen, soweit ich es mit einem Blick durch halbgeöffnete Türen beurteilen konnte. Es gab einen Röntgenraum, einen bestens ausgestatteten, urologischen Untersuchungsraum, und die medizinischen Geräte machten durchweg einen modernen Eindruck. Alle Laboruntersuchungen wurden im Haus gemacht. Eine hauseigene Medikamentenausgabe hat zweimal täglich für die Ausgabe von Medikamenten und Kurmitteln geöffnet.

    Jede Woche wurden mindestens zwei Vorträge zu den verschiedenen Themen gehalten: Prostata, Neoblase, Impotenz, Inkontinenz, Stoma u.a.

    Während meines Aufenhaltes wurde in Bad Wildungen ein Symposion abgehalten, bei dem sich die Elite der deutschen Urologen versammelte und nach Bekunden meiner Tischnachbarn interessante Vorträge gehalten haben. Ich war leider nicht in der gesundheitlichen Verfassung, mir das anzuhören, ich habe Bad Wildungen nie gesehen.

    Die Zimmer (in der Regel sind es Einzelzimmer) waren hell und freundlich. Die Ausstattung war so, dass man es auf längere Zeit gut aushalten konnte TV, Telefon, auf Wunsch auch Internetanschluss, allerdings nur analog, also 56kb. Toilette, Waschbecken und Dusche befanden sich in einem abgetrennten Raum innerhalb des Zimmers.

    Ich habe hier nur die Dinge beschrieben, deren Nutzen ich teilhaftig werden konnte. So war auch ein Schwimmbecken vorhanden und eine Anlage für Kneipp'sche Anwendungen. Diese konnte ich aus medizinischen Gründen nicht nutzen wegen der Gefahr aufsteigender Infektionen im Harntrakt.

    Zur Gestaltung der noch verbleibenden Freizeit wird seitens der Klinik für handwerklich Interessierte die Möglichkeit geboten, sich unter sachkundiger Anleitung in Keramik, Batik und sicher auch einigem mehr zu versuchen.

    Die Umgebung von Reinhardshausen bietet vielfache Möglichkeiten für Spaziergänge und Wanderungen, ggf auch organisiert. Die Verkehrsverbindung nach Bad Wildungen ist gut


    Ich hatte mittlerweile 4 Wochen hier zugebracht und mir wurde nochmals eine Woche Verlängerung angeboten. Aber ich musste ablehen. Es wäre sicherlich von Vorteil gewesen, aber ich hätte es nicht mehr durchgehalten.

    Ich habe den Einheitsgeschmack der Mahlzeiten nicht mehr ertragen. Das Essen war gut wie auch die angebotene Auswahl. Mir ist klar, dass man bei der Verköstigung von mehreren hundert Menschen nur einen sehr begrenzten Spielraum in der Wahl der Würzung hat, aber ich stieß da nach 4 Wochen an meine Grenze. Ich betone jedoch nochmals, dass das meine persönliche Befindlichkeit war (dazu Anmerkungen im letzten Teil meines Berichtes).

    Ein weiter Aspekt ist, dass mit zunehmendem Wohlbefinden langsam auch wieder die alten Interessen zurückkehren. Doch alles, was dazu gehört, liegt zu zu Hause und allmählich wünscht man es sich herbei oder sich dorthin. Ich denke, das ist der Zeitpunkt, da eine Kur als beendet betrachtet werden sollte. Die Fortschritte vollziehen sich nun immer langsamer und das bessere Umfeld ist dann doch die vertraute Umgebung, das verständnisvolle familiäre Umfeld und eine gute ärztliche Weiterbetreuung


    Ich habe die KLAK mit dem Gefühl verlassen, hier optimal versorgt und betreut worden zu sein und war froh, diese Entscheidung getroffen zu haben. Ich würde mich im Bedarfsfalle wieder für die KLAK entscheiden, wie ich sie auch Jedem guten Gewissens weiterempfehlen kann.


    Als ich wieder in der gewohnten Umgebung zu Hause war, stellte ich fest, dass ich immer noch diesen Einheitsgeschmack empfand. Es schmeckte alles irgendwie salzig. Selbst die Marmelade und der Wein. Ich hatte also eine veränderte Geschmackswahrnehmung, wohl als Nebenwirkung allen Vorangegangenen. Ich habe zunächst nicht herausfinden können, welches die eigentliche Ursache war.


    Kurz nach der Ankunft (Samstag, 1.Juli) besichtigte ich meinen Garten und ich sah ihm an, dass dort in diesem Jahr noch wenig passiert war. Ich fiel auf diese stumme Herausforderung herein und das bekam mir gar nicht. Am Mittwochabend hatte ich erneut 40° Fieber und am Freitag lag ich schon wieder im nächsten Krankenhausbett. Es hatte sich wieder infolge Harnstaus eine Nierenbeckenentzündung entwickelt, die mittels Bettruhe, Infusionen, Katheter und einem Antibiotikum nach 5 Tagen wieder unter Kontrolle war. Danach ging auch die Geschmacksirritation zurück und ich empfand nach 2 Wochen wieder normal. 5 Wochen später musste ich abermals eine Fieberentwicklung feststellen, die aber bereits bei der Marke 39° dem Arzt vorgestelt wurde und diesmal ambulant behandelt werden konnte. Ich bekam eine Woche lang einen Katheter und 10 Tage lang Ciprofloxacin verpaßt. Interessant war, dass sich mit Anstieg des Fiebers wieder die zuvor beschriebene Geschmacksirritation, wenn auch in gemäßigter Form, einstellte. Sie war auch hier mit dem abgeklungenen Fieber verschwunden. Für mich war diese Erscheinung, da wohlgenährt, ohne Bedeutung. Da aber damit eine nicht geringe Appetitlosigkeit einhergeht, möchte ich dieses Phänomen für diejenigen geschildert haben, die dies ernster nehmen müssen. Für mich war die Strecke von der Operation bis heute in DIESER Hinsicht ein Segen, es ließ meine Waage um wohltuende 20kg aufatmen.


    Hier möchte ich das Kapitel AHB abschließen. Es sind mittlerweile auch die 3 Monate seit der OP abgelaufen, jene Frist, die der Körper normalerweise benötigt, um auch die innere Heilung zu vollziehen. Erst jetzt darf man daran denken, die körperliche Leistungsfähigkeit langsam wieder aufzubauen, was man vernünftigerweise auf den Zeitraum bis zum Ablauf eines Jahres nach der OP verteilt. So raten es die Medizinmänner. (Oh, Manny....).

    Den vierten Teil meiner BK-Quadrilogie werde ich nach Ablauf dieses Jahres abliefern, um dann meine Erlebnisse in und Erfahrungen aus der Zeit der Rekonvaleszens mitzuteilen.

  • Dieter

    Interessant das so ausführlich zu lesen, einige Details erkannte ich sofort wieder, andere waren mir neu. Ich bin gespannt wie es weitergeht. Mir stellt sich nur eine Frage: ist das alles schon über 20 Jahre her?

    Alles Gute,

    Grayhawk

  • Grayhawk , bedingt durch Änderungen des Softwareanbieters ist es notwendig, einige wichtige Beiträge "umzulagern." Dies wird derzeit in mühevoller Kleinarbeit von der Administratorin durchgeführt und insofern werden ältere Berichte wieder in den Focus gerückt.


    Den heutigen Stand der Dinge beim Autor kann man daher nicht ableiten.


    wolfgangm

    05/2009 CIS, 02/2010 pT4 a, G 3, sechs Zyklen Chemotherapie, Gem/Cis, 08/2018 Nephrektomie rechts


    "wer kämpft, der kann verlieren; wer nicht kämpft, hat bereits verloren"