Ganz einfach! Man geht zum Urologen, lässt sich ins Krankenhaus einweisen und bekommt dann nach einer TUR-Blase die Diagnose an den Kopf geknallt die, das Leben dramatisch verändert. Aber zunächst der Reihe nach.
Im Laufe des Jahres 2016 fiel mir auf, dass ich immer öfter zum Wasser lassen musste. Teilweise verringerten sich die Abstände auf 60 bis 30 Minuten. Dazu kam, dass die Prozedur des Pinkelns ca. 3-4 Minuten dauerte. Wenn ich wieder den Drang verspürte, lief das Wasser für die ersten Sekunden noch mit "normalem" Druck, der dann stark nachließ um zum Schluss einer Sitzung nur noch zu tröpfeln. Deshalb besuchte ich am
27.10.2016
meinen Hausarzt. Ich vermutete Probleme mit der Prostata. Der Doktor untersuchte mit einem etwas älteren Ultraschallgerät meine Blase und die Nieren. Die Nieren waren soweit in Ordnung. Bei der Blase meinte er im unteren Bereich einen Schatten zu sehen, von dem er nicht genau sagen könnte was es ist. Um dies abzuklären, überwies er mich an einen Urologen. Am
01.12.2016
hatte ich dann den Termin. Nachdem ich ihm meine Probleme geschildert hatte, fragte er nach meinen Arbeits- und Lebensgewohnheiten. Dass ich rauche, kam natürlich auch zur Sprache. Um festzustellen wie der Zustand der Blase ist, empfahl der Doktor eine Blasenspiegelung. Er meinte Anfang Januar 2017 könnte hierfür ein Termin frei sein. Aber zunächst wollte er sich das Ganze mal im Ultraschall ansehen. Was er dort sah, gefiel ihm gar nicht. Er meinte: "Die Blasenspiegelung muss so schnell wie möglich gemacht werden. Am liebsten noch heute", was aufgrund des noch vollen Warteraums leider nicht ging. Aber am
05.12.2016
durfte ich dann auf den Stuhl. Die Vorbereitung für die Blasenspiegelung verlief sehr gut. Die Arzthelferin erklärte mir ausführlich jeden einzelnen Schritt und wozu er gut ist. Sowas schafft Vertrauen. Im Zuge der Vorbereitung, merkte ich wie mein Kreislauf langsam zusammen sackte. Ich bat sie den Stuhl mehr nach hinten zu kippen. Dies und ein Becher Wasser stabilisierte mich ein wenig. Nach einer kurzen Einwirkzeit der Betäubung kam der Doktor dazu. Auch er erklärte mir die weitere Vorgehensweise. Bei der Untersuchung wird Wasser in die Blase gespült. Dies könne zu einem Druckgefühl in der Blase führen. Daran solle ich mich nicht stören, sondern einfach das Wasser laufen lassen. Es könne gar nichts passieren. Als er dann die "Blasenspiegelungsstange" an meinem guten Stück ansetzte, merkte ich wie mein Kreislauf wieder schwächer wurde. Anschließend sagte der Doktor: "so, fertig". Ich konnte mein Erstaunen über die Schnelligkeit der Untersuchung nicht ganz verbergen: "Oh, das ging aber schnell!". Der Doktor erklärte mir die Untersuchung hat wie immer ganz normal ca. 3 Minuten gedauert. Ich war während dieser Zeit wohl ohnmächtig. Nach einer kleinen Wartezeit eröffnete er mir, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelt, der im Krankenhaus behandelt werden muss. Hier musste ich das erste Mal schlucken. Im Krankenhaus würde man versuchen durch die Harnröhre den Krebs auszuschaben. Vielleicht hörte ich ab da nicht mehr genau zu, aber meine Frau, die mich fortan bei wichtigen Terminen begleitet, meinte später dass dies nur eine vorbereitende OP sei. So soll sich der Doktor geäußert haben. Zwecks Terminvereinbarung telefonierte er mit dem BK Krankenhaus. Auf seinen Vorschlag die OP am 16. Dezember zu machen, reagierte ich sehr reserviert. Nicht dass ich Angst vor der OP gehabt hätte. Nein, mir ging die Arbeit und das bevorstehende Weihnachtsgeschäft durch den Kopf, denn ich arbeite in einem großen roten Elektrofachmarkt im Verkauf. Aber Monika und der Doktor redeten so lange auf mich ein, bis ich dem Termin zustimmte. Ich hatte wohl den Ernst der Lage noch nicht ganz begriffen. Allerdings war ich schon soweit meinen Zigarettenkonsum zu reduzieren.
Am
14.12.2016
fanden die Voruntersuchungen statt mit Blut- und Urinproben, EKG und CT-Aufnahme und jede Menge Papierkram. Nachdem das CT fertig erstellt war, hat Frau Dr. Heinecke uns diese am Bildschirm erklärt. Dort zeigte sie uns, wo der Tumor sitzt. Was sehr erfreulich war, dass auf den ersten Blick keine Metastasen in den anderen Organen erkennbar waren. Nach fast 6 Stunden konnten wir dann wieder nach Hause fahren. Am
16.12.2016
war es dann soweit. Um 7,00 Uhr sollte ich nüchtern (ausgehungert) auf Station F3 erscheinen. Zunächst galt es noch ein paar Formalitäten zu erledigen. Der Pfleger fragte mich, woher ich komme. „Bettrum? Da möchte ich nicht tot über´m Zaun hängen.“ war seine lakonische Antwort. Ich dachte mir, wie ist der denn drauf? Auf jeden Fall wirkte er mir mit so einem Spruch sehr unsympathisch. Später stellte sich heraus, dass er ein Kerl ist, mit dem seinem Spaß haben kann. Nachdem ich die „Mir doch egal Pille“ bekommen hatte, ging es dann um ca. 9,00 Uhr los. Auf dem OP-Tisch liegend wurde ich noch ordnungsgemäß verkabelt. Danach gab es die Narkose und ich war weg wie ausgeknipst. Um die Mittagszeit war ich wieder auf Normalstation. Leider mußte ich auf das Mittagessen verzichten, was mein Bauch mit tiefem Grummeln quittierte. Es gab erst was zum Abendbrot. Ungewohnt war der Dauerkatheter (DK) der mir gesetzt wurde um die Blase zu spülen. Da ich noch keine Erfahrung mit so einem DK hatte, habe ich die meiste Zeit auf dem Rücken gelegen, welches dieser nach einer gewissen Zeit mit Schmerzen beantwortete. Aus Angst der DK könnte rausrutschen, traute ich mich nicht auf die Seite zu drehen. Erst in der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich es gewagt.
Am Montag morgen den
19.12.2016
kam um ca. 7,15 Uhr Herr Dr. Wolpers zur Visite. Der Urin hatte schon wieder seine normal Farbe erreicht und es stand der Entlassung nichts im Wege. Auf meine Frage wann ich das Haus verlassen könne, bekam ich zur Antwort dass der Chef Dr. Ulbrich um 13,00 Uhr noch etwas mit mir zu besprechen hätte. Im Laufe des Vormittags wurde mir der DK gezogen. In Erwartung „höllischer“ Schmerzen hielt ich mich krampfhaft an der Bettgalgenhalterung fest. Es war natürlich alles halb so schlimm wie befürchtet. Mit einem kurzem und leichten Ziehen war der Schlauch wieder draußen und ich durfte zum Wasserlassen wieder normal das WC aufsuchen. Mich wunderte nur, dass beim ersten WC-Besuch das Wasser noch recht zögerlich lief. Dies erklärte ich mir aber mit der vergangenen OP und dem lästigen DK. Nach dem wohlschmeckenden Mittagessen begab ich mich mit Monika zur Urologie C4. Dr. Ulbrich erschien pünktlich und ich erwartete keine nennenswerten Komplikationen. Vielleicht noch ein paar Verhaltenstipps für die nächsten Tage. Für mich jedenfalls war mit der OP das Thema Blasenkrebs erledigt. Wir nahmen Platz und er zeigte uns nochmals das CT-Bild am Monitor aus verschiedenen Lagen. Deutlich erkennbar war der Tumor am Blasenboden, der das Abfließen des Urins behindert. Meine Hoffnung, dass jetzt alles gut sei, verschwand mit fortschreitender Gesprächsdauer. Nach der Analyse der Ist-Situation kam Dr. Ulbrich zum unangenehmen Teil. Leider konnten sie den Tumor nicht ausschälen, weil dieser schon zu tief saß. Die einzige - und das betonte Dr. Ulbrich deutlich - Behandlungsmöglichkeit bestand in der Entfernung der Blase und der Prostata. Man könne es vor der Entfernung auch noch mit einer Chemotherapie versuchen. Hierbei bestünde aber die Gefahr, dass diese nicht richtig anschlagen und der Tumor streuen könne. Ab hier war ich nicht mehr richtig aufnahmefähig und es begannen die Tränen zu kullern, weil mir so langsam das Ausmaß der Krankheit bewusst wurde. Er persönlich empfahl zuerst die OP und anschließend, falls notwendig noch eine Chemo hinterher. Um auf Nummer Sicher zu gehen, wolle er aber meinen Fall in einer Tumorkonferenz noch mit anderen Ärzten besprechen. Um den Urin aus dem Körper zu bekommen, gäbe es 2 Lösungen. 1. Eine Neoblase aus einem Stück eigenem Dünndarm und 2. ein künstlicher Ausgang. Den künstlichen Ausgang würde er aber nur machen, wenn der Harnleiter am Harnröhrenschließmuskel auch befallen wäre. Das könne man aber erst während der Operation feststellen. Dr. Ulbrich beruhigte mich mit der Aussage, man könne mit einer Neoblase ganz normal leben und hätte kaum Einschränkungen. Es gäbe nur ein paar Dinge im Alltag zu beachten. Als OP-Termin schlug er den 16.01.2017 vor. Leider würde es nicht eher gehen. Er hätte mich aufgrund des schon recht weit fortgeschrittenen Tumors gern eher operiert. Falls eine andere OP ausfallen solle, würde er aber mich sofort vorziehen. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf. Bis Weihnachten sollte ich zu Hause bleiben, damit die Wunde in der Blase in Ruhe ausheilen könne. Danach dürfte ich, wenn ich es unbedingt wolle, aber auch wieder arbeiten. Er würde mich aber auch sofort bis zum OP-Termin krankschreiben, damit ich ich mich auch gedanklich mit der Situation beschäftigen könne. Und das alles zur Weihnachtszeit. Ich dachte mehr an die Arbeit als an mich oder meine Familie. Die Tatsache, dass ich schwer erkrankt bin, sickerte nur ganz langsam in mein Gehirn. Abends rauchte ich unter dem strengen Blick von Monika noch 2 Zigaretten. Dass diese die vorerst letzten waren, wußte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Sie waren aber notwendig um mich ein wenig zu „beruhigen“.
20.12.2016
Die Entscheidung bis zur OP noch zu arbeiten nahm mir mein Chef ab. Da ich Kundenkontakt habe, ist die Gefahr zu groß mir noch eine Erkältung einzufangen, welches dann das Aus für die OP bedeuten würde. Die emotionale Achterbahn nahm langsam Fahrt auf. Am Nachmittag stand auf einmal meine Stieftochter, die in Paris arbeitet, in der Tür. Wir lagen uns in den Armen und haben erstmal ne Runde geflennt. Abends ging es dann mit der Familie nochmal nach Hildesheim um schon mal ein paar Sachen für den bevorstehenden Krankenhausaufenthalt zu besorgen und den wunderschönen Weihnachtsmarkt zu besuchen. Dass ein Glühwein auch ohne Zigarette schmecken kann, war mir neu.
Für mich gab es ab jetzt nur noch ein Thema. Wie gut das es das Internet gibt. Glücklicherweise bin ich gleich auf der „richtigen“ Seite
gelandet. Denn dort kann man sich auch die „blauen“ Ratgeber runterladen, die gut strukturiert viele Informationen liefern.
Bis zur OP verbrachte ich meine Tage mit informieren, körperlich fit halten wie z.B. laufen, und ablenken. Emotional fing ich mich mit der Zeit auch wieder ein. Ich habe es als Aufgabe verstanden, den Kampf aufzunehmen und auch zu gewinnen. Hinzu kam auch die Unterstützung meiner Familie insbesondere der weltbesten Frau und Gottvertrauen. Die Arbeitskollegen sparten auch nicht mit Zuspruch, und mein Chef meinte ich soll mir die Zeit nehmen, die brauche. Mit so einem Rückhalt kann ja eigentlich gar nichts schief gehen. Der
14.01.2017
war dann der Aufnahmetag. Meine Frau und ich waren ein paar Minuten zu früh und gingen auf Station noch ein wenig auf und ab, als die Erkenntnis der Umumkehrbarkeit bei mir durchsickerte und mir die Tränen in die Augen trieb. Auch wenn ich versuche mit der Situation sachlich und professionell umzugehen, so gönne ich mir hin und wieder diese emotionalen Momente, um das seelische Gleichgewicht zu bewahren. Um 12,30 Uhr gab es ein letztes Mal was ordentliches zu Beißen, ehe ab 14,00 Uhr die lecker Getränke zum Abführen gereicht wurden (buuuäääh)Dünndarm muss ja sauber sein, wenn aus einem Teil davon ein neues Bläschen genäht werden soll. Einer der Uros meinte zu mir, ich könne ganz beruhigt sein. Der Operateur Dr. Ulbrich wird auch in Fachkreisen „die Nähmaschine“ genannt, so schnell sei er bei der OP. Trotzdem stieg im Laufe des Sonntags den
15.01.2017
das Schissometer immer langsam an. Es fiel mir schwer mich mit Fernsehen oder Radio abzulenken.
16.01.2017
Heute ist mein großer Tag. Obwohl ich am wenigsten dazu beitrage. Morgens gab es noch eine schicke Rasur und die „mir doch egal“ Tablette und dann ging es schon los. Zunächst in den OP-Vorraum, wo mir die Periduralanästhesie in den Rücken gesetzt werden sollte. Da mir aber wieder der Kreislauf verrückt spielte, brach ich das Setzen der Kanüle ab, so dass mit herkömmlicher Narkose gearbeitet werden musste. Der Rest ging dann schnell. Nachdem ich auf dem OP-Tisch lag, hörte ich nur noch „Jetzt wird es gleich warm am linken Arm“ und schwups war es ca. 6 Stunden später am Nachmittag so gegen 15,00 Uhr. Dr. Ulbrich und meine Frau begrüßten mich. Alles ist gut verlaufen, die Harnröhre war nicht befallen und die Neoblase konnte angeschlossen werden. 😀 Auf der Intensivstation lag ich in einem Einzelzimmer und hatte so meine relative Ruhe. Schmerzen hatte ich keine. Dafür sorgte auch die Schmerzpumpe die ich mittels Knopfdruck selber dosieren konnte. Am Dienstag
17.01.2017
kam schon der Physiotherapeut und fragte mich, ob ich Lust hätte aufzustehen. Ich hatte zwar meine Bedenken, wie wir das mit den tausend Kabeln und Schläuchen gemanagt bekommen, aber das war eine Aufgabe, die mir gefiel. Zuerst auf die Bettkante setzen, dann laaangsaaam aufstehen und ein paar Schritte auf der Stelle gehen. Das klappte wunderbar. Ein kleiner Schritt für die Menschheit - ein großer Schritt für mich. Zusätzlich machte im Bett noch ein wenig Beingymnastik, was von den Ärzten und Pflegerin mit einem Daumen hoch honoriert wurde. Zu Essen gab vorerst nur Brühe und Zwieback. Naja, hat auch gereicht. Ich hatte weniger Hunger gehabt als befürchtet. Das Team auf der Intensiv war wirklich super. Die Raumpflegerin organisierte für mich sogar einen Fernseher, der nicht zur Normalausstattung gehört.
19.01.2017
Gegen 21,00 Uhr hat man mich aus dem Paradies geworfen. Ein Notfall war reingekommen und sie brauchten den Platz. Also fliegt der raus, dem es am besten geht. Naa Suuuper, das hat man nun davon, wenn man sich Mühe gibt wieder auf die Beine zu kommen. Dafür durfte ich die nächsten beiden Nächte auf der Beobachtungsstation mit einer Dame in einem Zimmer verbringen. Zwischen uns war ein Sichtschutz aufgestellt, so dass ich noch nicht mal aus dem Fenster schauen konnte. Das war alles andere als angenehm. Am Freitag morgen den
20.01.2017
stand plötzlich mein Operateur Herr Dr. Ulbrich vor mir und meinte „Sie sind geheilt!!“. Ich wollte noch fragen, ob ich jetzt gehen könne aber da erklärte er mir schon, dass er das Ergebnis der Pathologie bekommen hat. Es sind keinerlei Metastasen gefunden worden. „DER KREBS IST RAUS“! Er wünschte mir noch gute Besserung und verschwand dann. Da hatte ich erstmal was zu kauen. Als dann wenige Minuten später die normale Visite durchkam, hab ich geflennt wie ein Schlosshund. Die Ärztin erschrak, ob es mir nicht gut ginge. Ich erklärte ihr die Situation und dass meine Tränen Tränen der Freude und Erleichterung seien. Nachdem das nun geklärt war, wollten wir noch was für meinen Stuhlgang tun, der am Nachmittag dann mit heftigstem Bauchgrummeln in Fahrt kam. Das war auch die Voraussetzung, dass ich am Samstag den
21.01.2016
wieder auf Normalstation verlegt wurde, was mit einer leckeren Nudelsuppe belohnt wurde.
Meine Frau fragte mich, ob ich schon Besuch aus dem Freundeskreis empfangen will. Gut, dass ich das abgelehnt habe, denn an diesem Wochenende kam nicht nur der Darm wieder in Gang, sondern auch die seelische Verarbeitung setzte verstärkt ein und da brauchte ich einfach Ruhe. Meine Frau war allerdings jederzeit willkommen, denn sie gab mir sehr viel Kraft. Und wenn sie nur da war und ihr Buch gelesen hat und ich so vor mich hin dröselte. Allein ihre Anwesenheit tat schon gut. Ab Sonntag
22.01.2017
fing ich mit der Mobilisierung an. Feste Sandalen an den Füßen, Bademantel übergeworfen, die verschiedenen Beutel an den rollenden Galgen gehängt und meine Frau untergehakt, schon ging es langsamen Schrittes die Station rauf und runter. Die Bewegung tat gut, war aber auch anstrengend. Da merkt man schon, dass die OP denn doch keine Kleinigkeit war. Aber ich hatte das Hotel ja für 3 Wochen gebucht und in sofern ja noch genug Zeit, wieder auf die Beine zu kommen. Ich hatte mir als Ziel gesetzt, dass jeder Tag einen kleinen Fortschritt bringt. Und das ging jetzt so munter weiter. Am
23.01.2017
wurde ich den Beutel für das Wundwasser los. Da waren es nur noch drei Beutel, die ich durch die Gegend zu schleppen hatte. Das Essen schmeckte sehr gut. Trotzdem nahm ich deutlich weniger zu mir als vor der OP. Morgens 1 Tasse Haferflockenbrei und 1 Brötchen, mittags eine halbe Portion und abends 2 Scheiben Brot und zwischendurch: trinken, trinken, trinken. Nachmittags bekam ich Besuch von einer netten Dame vom Sozialdienst. Sie gab mir hilfreiche Informationen bezüglich der Anschlussheilbehandlung und den Schwerbehindertenausweis, auf den ich jetzt Anspruch hätte. Ich und schwerbehindert??? Ich doch nicht!! Das war so mein erster Gedanke. Zu meiner Erleichterung füllte sie die notwendigen Unterlagen gleich aus, so dass ich mit dem Papierkram nicht mehr soviel zutun hatte. Der
24.01.2017
brachte das nächste freudige Ereignis. Der zentrale Venenkatheter mit seinen diversen Schläuchen und Verschlüssen, der mir am Hals hing wie ein lästiger Vampir, wurde mir gezogen. Das Gebamsel störte schon enorm, wenn ich so auf der Seite lag. Die Schmerzen hielten sich sich Dank guter Tabletten in Grenzen. Auf die Frage, wie mein Schmerzstatus auf einer Skala von 1 bis 10 sei, habe ich meistens so 1 bis 2 geantwortet um nicht allzu unglaubwürdig zu sein. Hin und wieder zog es mal durch den Bauchraum, aber das war in der Regel nicht von Dauer, je nachdem wie lange ich aus dem Bett war. Das Abendessen nahm ich zum ersten Mal im Gemeinschaftsraum der Station ein. Morgens und abends wurde dort ein Buffet für die Patienten aufgebaut, die schon mobil sind und nicht im Bett essen müssen. Ich freute mich über die neue Freiheit und konnte mir das aussuchen, was ich mochte.
25.01.2017
Täglich besuchte mich der Physiotherapeut, um mich ein wenig auf Trab zu bringen. So auch heute, als wir unsere Übung mal auf die Flurbank verlegten, wo er mir schon jetzt die ersten Übungen für das Beckenbodentraining erklärte (nur, dass ich schon mal davon gehört hätte). Es tat gut von ihm zu hören, dass er sich um mich keine Sorgen mache, so wie ich über die Station laufe. Heute war der erste Vollkosttag und der Appetit wurde auch besser. Nachts war ich leider öfter wach, was hin und wieder an der Geräuschkulisse der Bettnachbarn lag, aber sicher auch an meiner allgemeinen Befindlichkeit. War halt kein Husten, den ich da auskurieren musste. Zur Not machte ich dann Vormittags nochmal ein wenig Augenpflege. Hatte ja keine Termine.
26.01.2017
Das Frühstück nahm ich heute zum ersten Mal im Gemeinschaftsraum ein. Das Nutellabrötchen, die Tasse Kaffee, die Tageszeitung (die für alle Patienten am Stationstresen auslag) und der herrliche Blick auf den Kalenberger Graben im Sonnenaufgang lösten mal wieder eine kleine Inkontinenz in den Augen aus.
Alles in allem befand ich mich auf einen guten Weg. Hin und wieder lagen zwar ein paar Steinchen auf diesem, wie z.B. Verstopfung im Dauerkatheter, die dann für dem Moment auch mal recht unangenehm war, aber dies war meistens von kurzer Dauer. So gingen die Tage und Nächte dahin. Die Spaziergänge wurden immer länger, bis ich das ganze Haus abgeklappert hatte, und die Schläuche wurden weniger. Als die Harnleiterschienen entfernt wurden, brauchte ich für meine Touren den Rolli nicht mehr und die Treppenhäuser gehörten fortan auch zu meinem Revier. Die Ärzte waren schwer begeistert über meinen Umgang mit dem Krebs. Als Entlassungsdatum war Dienstag, der 07.02.2017 angepeilt. Hierzu wurde einen Tag zuvor die Neoblase auf Dichtigkeit überprüft. Als der Arzt die Lösung über den DK in die Blase spritzte, zog es an der linken Niere schon heftig. Aber das wichtigste war das Ergebnis: DICHT!! Die Freude über die baldige Entlassung währte nicht lange, denn in der Nacht auf Dienstag den
07.02.2017
entwickelte ich heftiges Fieber, welches in den folgenden Tagen mit Antibiotika behandelt wurde. Dies sei eine ganz normale Reaktion, die beim Drucktest vorkommen könne, so die Ärzte. Die nächsten Tage ging die Temperatur wie im Paternoster rauf und wieder runter. Mit Laufen war also nix mehr. Die verordnete Bettruhe hatte ich auch bitter nötig. Ich fühlte mich ziemlich schlapp und die ganzen Fortschritte der letzten Woche waren dahin. Ab Samstag war das Fieber weg, so dass am Montag den
13.02.2017
der Dauerkatheter gezogen werden konnte. Die ersten Stunden ohne DK nur mit der eigenen Blase waren schon komisch. Im Liegen konnte ich das Wasser schon ein wenig halten. Glücklicherweise war die Toilette nicht weit. Am nächsten Tag wurde ich dann Gott sei Dank entlassen. Die Verabschiedung vom Pflegepersonal war doch nochmal sehr emotional für mich. Mit ein paar dicken Vorlagen in der Hose trat ich dann in Begleitung meiner Frau den Heimweg an.