Ein halbes Jahr mit dem Ileum-Conduit

  • Hallo,
    genau vor einem halben Jahr bin ich das erste Mal mit einem Urostoma aufgewacht. Ich erinnere mich noch, dass die Vorstellung bis zum Ende des Lebens mit einem Beutel am Bauch herum zu laufen, mehr als schrecklich war. Und wie ist mein Gefühl heute?
    Die erste Bekanntschaft mit dem Stoma machte ich auf der Intensivstation. Es war ein rundes Ding mit Beutel daran auf der Mitte der rechten Seite des Bauches. Ich brauchte mich Gott sei Dank um dieses Ding nicht kümmern. Die Krankenschwestern und die Pfleger kümmerten sich darum, auch später auf der Normalstation. Der Beutel wurde in den knappen 3 Wochen im Krankenhaus ca. 3 mal gewechselt, ähnlich häufig die Basisplatte. Zum ersten Mal erlebte ich, wie es sich anfühlt, wenn das System leck wird. In der Nacht konnte ich nur auf einer Seite schlafen, da der Schlauch zum angehängten Nachtbeutel zu kurz war, beziehungsweise auf der anderen Seite kein Gefälle zum Nachtbeutel bestand. Ich konnte also nicht gut schlafen, da ich mich normalerweise öfters in der Nacht im Bett drehe. Dieses war nicht möglich.
    In der AHB ändert sich an dem oben erwähnten Problem wenig. Ich lernte aber, selbständig meine Stomaversorgung zu wechseln. Vor diesem Schritt hatte ich Angst, da die Basisplatte exakt zu positionieren bei möglichen Harnausstoß mir gedanklich ein Graus war. Aber von Mal zu Mal wurde dieser Prozess routinierter. Heute verlängerte sich meine normale Morgentoilette
    durch diesen Wechsel nur um ca. 5-10 Minuten. Entsprechend der Empfehlungen der AHB-Klinik wechsele ich die Basisplatte mit Beutel alle 3-4 Tage. Empfehlung meiner hiesigen Stomaberaterin sollte der Wechsel alle 2 Tage erfolgen. Aber sie ist Angestellte des Grosshandels, von dem ich meine Produkte erhalte. So halte ich die Empfehlungen der Klinik doch für überzeugender. Am Anfang trug ich noch aus Sicherheitsgründen einen Tragegurt für den Beutel. Da er nicht hautschonend ausgelegt war, habe ich schnellstens darauf verzichtet. Bis jetzt noch kein einziges Mal meine Hose nass geworden. Ich hoffe, es bleibt so.
    Zu Haus blieb noch das leidige Problem des Nachtbeutels. Das seitliche Anbringen des Nachtbeutels zeitigte weiter die oben beschriebenen Probleme. So probierte ich einen langen Schlauch mit einem Beutel am Fußende des Bettes aus. So bestand die Möglichkeit, sich auch im Bett um zu drehen, ohne dass der Urinfluss gehemmt würde. Und es klappte. Damit war mein Nacht-Drehproblem gelöst. Statt meines 1,4 m Schlauches wäre ein 1,6 m Schlauch noch optimaler, aber leider nicht auf dem Markt zu finden.
    Man sollte im Bett Vorkehrungen gegen Leckagen treffen. Einmal ist mir die Verbindung Beutel und Schlauch aufgegangen und das Bett war teilweise nass. Auch gut ausgeschlafen sollte man sein, wenn man den Beutel am Bauch vom Schlauch trennt. Es ist mir schon 2 mal passiert, dass ich vergessen habe, den Beutel wieder zu verschließen und wieder war das Bett nass. Deshalb ist es ratsam, wenigstens die Matratze durch einen Schutzbezug zu schützen. Zusätzlich habe ich noch eine weitere Schutzdecke unter dem Bettlacken.
    Außerhalb des Bettes trage ich jetzt weite Hosen mit Hosenträger, um den Abfluss nicht zu behindern. Aber wie ich jetzt gerade festgestellt habe, kann man ruhig auf die Hosenträger verzichten, da auch ein leichter Druck des Bundes auf das Urostoma keine negativen Ergebnisse zeigte. Vielleicht kommt auch wieder ein Gürtel in Frage. Das habe ich aber noch nicht ausprobiert.
    Besonders schön für mich ist es, dass man mit fast normalen Badeshorts ins Wasser gehen kann. Der Beutel behindert einen fast überhaupt nicht. Allgemein kann ich sagen, dass ich bis heute alle Aktivitäten ausführen kann, die ich vor meiner Krankheit auch praktiziert habe.
    Schlußendlich kann ich jetzt sagen, dass mein Urostoma und ich fast Freunde geworden sind. Es gibt nur sehr wenige Einschränkungen (Fühlen des Schlauches in der Nacht). Ich fühle mich wohl mit meinem Urostoma.


    Viele Grüße
    Rolf

  • Hallo,


    auf Grund von Eile gestern habe ich einiges vergessen:


    In der Zeit vor und längere Zeit nach der Operation wurde ich sehr intensiv
    durch das Forum, Hexe möchte ich besonders erwähnen, unterstützt. Vielen Dank dafür.


    Auch fehlen noch weitere Aspekte in meinem gestrigen Bericht:
    Da ich vor meiner Operation wahrscheinlich auf Grund des Mitomycins sehr häufig Harndrang hatte, ist es jetzt schön, diese Gefühle nicht mehr zu haben und den Füllungszustand meiner Kunstblase nur über den Dehnungszustand zu bemerken. Auf Grund eines Diuretikums ist aber der Beutel leider schon nach 1 - 2 Stunden voll. Gott sei Dank behindert mich dieses nicht bei meiner Arbeit.


    Da mein Ileum keinen guten Nippel ausßerhalb der Bauchwand besitzt, verwende ich als Basisplatte Coloplast convex light. Desweiteren benutze ich noch eine Barriere-Creme, die ich ringförmig um das Loch der Basisplatte auftrage. Ob man diese Creme weglassen kann, könnte ich noch ausprobieren.
    Mein Stoma machte mir kaum Probleme. Auf Grund von Schweiß im Sommer und vorher durch eine Schutzlotion juckte das Stoma zeitweilig an den Rändern der Basisplatte. Das ist aber jetzt vorbei.


    14tägig rasiere ich den Bereich der Basisplatte. Den Beutel wechsle ich täglich.


    Ich bin fast in Ohnmacht gefallen, als mir die monatlichen Kosten für meine Versorgung genannt wurden: 300 - 400 €. Die Hersteller müssen gut verdienen.


    Durch das Urostoma mußte ich ein Großteil meiner Kleidung austauschen. So konnte ich alle meine Hosen weggeben, da sie einfach zu eng waren. Hemden wurden so gekauft, das sie über der Hose getragen werden konnten. Die Hosenträger konnten so versteckt werden. Seit Kürzerem wage ich wieder ohne Hosenträger zu gehen. Auch engere Hosen machen meinem Urostoma keine Probleme. Das weiss ich aber erst seit 14 Tagen.


    Damit habe ich in etwa die Auswirkungen durch das Tragen eines Urostomas beschrieben. Ich würde mich freuen, mit anderen Urostomaträgern in einen Erfahrungsaustausch zu treten. Etwas falsch macht man fast immer. Zu verbessern gibt es bestimmt auch etwas.


    Viele Grüße
    Rolf

  • Guten Morgen Rolf,
    danke für Deinen Bericht über das Leben mit einem Urostoma; er macht sicher anderen Betroffenen Mut, sich mit dieser Art der Harnableitung "anzufreunden".
    Den Kleidungsaspekt hat bisher noch niemand angesprochen, aber auch das gehört ja zum Alltag:
    auch ich musste auf Shoppingtour gehen - für Frauen eine nicht gerade unangenehme Tätigkeit :D - , da alle Kleidungsstücke, die richtig in der Taille sitzen, also Hosen und Röcke unangenehm mit dem Knopf auf mein Nabelstoma drücken. Da kam mir die Mode der vergangenen Saisons mit tieferem Bund sehr entgegen...
    Ganz besonders wichtig finde ich, dass man mit seiner jeweiligen Harnableitung trotzdem noch die sportlichen Hobbies ausüben kann, an denen das Herz hängt - bei Dir Schwimmen - bei mir Reiten und Fahrradfahren - bei Manny das Laufen.
    Auch Deine Tipps zum Handling der Versorgung, Wechsel von Basisplatten und Beuteln sowie der Pflege der betroffenen Hautareale sind ganz sicher für andere Stomaträger hilfreich.


    Danke


    Hexe :tanzen:

  • Da mir ja die Zystektomie droht [wenn's nur das ist; bloss keine Metastasen :( ] und ich mich höchstwahrscheinlich für ein Urostoma entscheiden würde, interessiert mich exakt ein Jahr später,


    Zitat


    Mein Stoma machte mir kaum Probleme.


    wie es heute aussieht. Etwas geschockt war ich vor allem von den Kosten, die sich auf 300-400 EUR belaufen sollen, damit wird man ein teurer Patient, Was, wenn die Einschnitte im Gesundheitsbereich weitergehen? Hilfsmittel und Behandlung meinetwegen nur noch für einen bestimmten Zeitraum, bei der Perversion der Politiker wundert mich ja nix mehr... in UK hat man über 65Jährige zeitweise gar nicht erst an die Dialyse angeschlossen, selbst wenn diese nur vorrübergehend -wegen einer Krise- nötig war.


    Und wie sieht's mit der Kleidung aus, ist wieder alles "normale" tragbar (müssen ja keine engen, "sexy" (eh verboten aussehende) Jeans sein *g*)?


    Die Frage Neoblase oder Urostoma muss jeder freilich für sich selbst beantworten, teuerer scheint mir eindeutig das Urostoma zu sein (leider). Mischen da inzwischen die Kostenträger mit ("Entscheidungshilfe")?


    Für mich zwar sekundär, aber trotzdem: Was passiert mit dem quasi übriggebliebenen Penis??? Das Teil soll immer kleiner werden, da völlig ungebraucht und nutzlos??


    Frohen Sonntag!

  • Guten Tag Schmitzig,


    über die Art der Harnableitung entscheidest primär Du; sollte Deinem Wunsch medizinisch etwas entgegen stehen (Kontraindikation) , wird Dir der Arzt eine praktikable Alternative vorschlagen.
    Neoblasen wie orthotope Neoblase und Pouch sind 1. zeitlich und technisch viel aufwändiger und erfordern 2. einen disziplinierten Patienten, der regelmäßig auch nachts die Neoblase entleert. Kontraindikation ist der Befall der Harnröhre mit Krebs und ein vorgeschädigter Darm durch Krankheiten oder Bestrahlung.
    Das Urostoma erfordert wesentlich weniger Aufwand in der Anlage, macht den Patienten jedoch lebenslang von Beutelversorgungen abhängig. Außerdem beeinflusst es das "Body-Image" stärker als die unsichtbaren, weil im Körperinneren liegenden Neoblasen.


    Lass Dich von niemanden zu einer Harnableitung überreden oder drängen, die Du nicht möchtest. Informier Dich vorher gründlich und berate Dich dann mit Deinem Urologen;, am besten holst Du noch eine Zweitmeinung ein.


    Liebe Grüße


    Hexe :tanzen:
    die sich selbst ganz bewusst für ihren Pouch entschieden hat.

  • Zitat

    Für mich zwar sekundär, aber trotzdem: Was passiert mit dem quasi übriggebliebenen Penis??? Das Teil soll immer kleiner werden, da völlig ungebraucht und nutzlos??


    Mahlzeit, Schmitzig,


    diese interessante Frage haben wir schon einmal behandelt, zumindestens gestreift.....
    ( Übrigens hinsichtlich einer Frage von Rolf1000 )


    Guckst Du hier :
    Muskelinvasiver Blasenkrebs


    Die Fragen, welche ich an DC Schacht stellte, findest Du hier :
    http://www.inkontinenz-selbsth…orum/viewtopic.php?t=1255


    Allerdings ging es seinerzeit weniger um ein "schrumpfendes" Glied, sondern um Harnröhreninfektionen bei nicht mehr nutzbarer Harnröhre und um die Hoden bei weiterer Produktion des Samens, welcher ja nicht mehr ejakuliert werden kann.


    Der Schrumpfung des Gliedes kann man durch entsprechendes Training durch die Hand begegnen.
    Man(n) kann sich sogar durch dieses Training einen Orgasmus verschaffen, denn diese Fähigkeit geht durch die Operation gemeinhin nicht verloren.


    Dies ist kein Scherz, Schmitzig, und auch keinesfalls ironisch gemeint.
    Ich mastubiere relativ häufig, nicht nur, weil es schön ist und mir - als Mann - gut tut, sondern um meine vorhandene Gliedgröße zumindestens halbwegs zu erhalten.
    Und es lohnt den "Aufwand".
    Mein Glied ist im schlaffen Zusatnd wie früher und wird während des Mastubierens sogar mittlerweile über halbsteif.


    Eine Möglichkeit, das Glied zu trainieren, ist auch eine Vakuumpumpe.
    Diese zieht durch das erzeugte Vakuum Blut in die Schwellkörper.
    Das Blut kann man mittels eines Penisringes einige Zeit im Glied belassen, ( keinesfalls länger als ca. 20 Minuten ), man(n) könnte also in dieser Zeit einen Geschlechtsverkehr ausüben,
    oder man nimmt die Pumpe als Trainingsgerät, um das Glied zu trainieren.


    Hierfür reicht übrigens eine ganz simple Pumpe aus dem Porno-Shop für 20-30 Euro.
    Ich hatte mir anfangs eine von einem medizinischen Gerätehersteller gekauft ( für den zehnfachen Preis !! ). Die habe ich im Abfall entsorgt, denn die taugte absolut nichts....


    Gruß
    Eck:ecke: hard

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