Mein Weg zum Pouch

  • Mein Weg zum Pouch


    Meine Geschichte beginnt bei meiner Geburt.

    Frühchen mit Herzfehler – Hirnhautentzündung – 1,5 Nieren und eine Fehlbildung der Blase mit einem Vesikoureteraler Reflux Grad V.

    Bin das erste Lebensjahr im Spital gross geworden, aber nach diversen Operationen, war ich soweit stabil für ein «normales « Leben.

    Wurde trotz der Prognose der Ärzte das ich nie Sport betreiben könne, noch einen 100% Beruf nachgehen könne - Eiskunstläuferin und absolvierte eine Berufslehre.


    Hatte meine « Baustellen» soweit im Griff ausser der guten alten Blase, die machte mir das Leben sehr schwer. Vier Mal wurde sie operiert (Harnleiterverpflanzungen, Verwachsungen) aber alles half nichts, die Fehl – und mittlerweile die Überfunktion wurden immer schlimmer. Andauernde HWI`s alle 30 min auf die Toilette, Nierenstauungen, Inkontinenz. Blase inzwischen so deformiert das eine OP nicht mehr möglich ist. Medikamentöse Behandlungen schlugen fehl – dann kam der Punkt der Zystektomie sonst wäre meine Zukunft die Dialyse geworden. Das hat mir den Boden unter den Füssen weggerissen, ich bin schliesslich erst 37.


    Dann nach nicht enden wollenden Untersuchungen ist es soweit der Eintrittstag am 26.09.18 ins Kantonsspital Aarau ist gekommen.

    Am Vortag selber habe ich die letzten Untersuche und das Abschlussgespräch wo wir nochmals Plan A Mainz Pouch / Plan B Urostoma besprechen. Meine Hoffnung liegt ganz fest bei Plan A!


    27.09.18

    Heute ist es soweit, werde um 06.00 Uhr geweckt um zu duschen und mich herzurichten mit dem schicken Nachthemd. Um 07.00 Uhr werde ich in den OP geschoben. Bis jetzt ging es mir ziemlich gut mit der Nervosität bis es heisst, dass eine PDA nicht möglich sei wegen meiner Blutgerinnungsstörung – kleine Panik kommt hoch!!!! Aber zur langen Diskussion ist es jetzt sowieso zu spät, also Augen zu und durch.


    Nach 10 Stunden ist die OP geschafft, ich erwache um 21.45 Uhr auf der IPS, wo gleich eine sehr nette Krankenschwester mir die frohe Botschaft überbringt: Plan A hat funktioniert mein Pouch durch den Da Vinci ist geboren.


    Tag 1

    Am Mittag nach diversen Visiten (komme mir vor wie ein bunter Hund, jeder möchte den Pouch sehen) geht es mir bereits so gut, dass ich auf die Station verlegt werden kann.

    Auf meinem Zimmer kommt mein Chirurg vorbei und erklärt mir den sehr geglückten Eingriff; alles sei nach Plan verlaufen.

    So, das erste Mal Zeit mit mir allein um durchzuatmen und um meine Schläuche zu zählen, Wow 7 Stück.

    Die Nierenschale ist ab jetzt mein bester Freund und die Schmerzen sind auch sehr vorhanden, da ich keine Opiate vertrage, sind wir am testen was Linderung bringt. Sonst heisst mein Programm schlafen.


    Tag 2

    Dank den Rücken- und Flankenschmerzen war die Nacht kurz und nicht so toll.

    Tagesprogramm: Verbandwechsel und alle 4 Stunden den Pouch spülen.

    Zum Essen gibt es zur Abwechslung Fresubin Drink und Bouillon (weiss nicht was von beiden scheusslicher ist)

    Heute ging es das erste Mal mit meinen Beuteln auf den Gang laufen, sehe aus wie ein Gespenst klappte aber schon ganz gut.


    Tag 3

    Die Nächte werden hier definitiv nicht zu meinen Freunden.

    Morgendliches Ritual steht an: Visite – Verbandswechsel – spülen - Blut zapfen.

    Dann gegen Mittag endlich die Erlösung und ich kann auf Toilette, habe mich glaube noch nie so über diese Tätigkeit gefreut.

    Leider immer noch andauern schlecht, daher gibt es immer noch kein Essen.


    Tag 4

    Morgendliches Papipapoo…. inkl. Schall der Nieren, alles im grünen Bereich.

    Wieder meine Runden im Gang gedreht mit meinen Accessoires ( da mich alle mit grossen Augen anschauen, muss das Ganze recht furchterregend aussehen) bis die Nacht über mich einbricht, zum Glück ist mein Mann an meiner Seite und wow sind die hier schnell mit dem Rollstuhl zur Stelle und Schwups liege ich wieder im Bett, wo ich dann auch bleibe.


    Tag 5

    Verbandwechsel - spülen und immer wieder übermannt mich der Schlaf.

    Heute ist ein guter Tag, das erste Mal ist mir nicht schlecht kein Erbrechen. Das bedeutet..??? Richtiges Essen, welch grosse Freude.

    Nach der Mahlzeit bin ich so erschöpft, dass ich gleich glatte 2 Stunden in den Tiefschlaf falle.

    Dann am Nachmittag die nächsten guten Nachrichten die erste Drainage wird gezogen, JUPI!

    Leider nachher ziemliche Schmerzen daher bleibe ich heute im Bett.


    Tag 6

    Visite – Verbandwechsel - spülen

    Alle hier sind sehr nett und zuvorkommend auch auf der Visite nimmt man sich immer viel Zeit.

    Heute steht der Schall der Nieren wieder mal an, beide sind gestaut habe ein bisschen Panik wegen meinem Reflux, es ist so schön auf dem Bildschirm meine Harnleiter gerade verlaufend zu sehen und das soll doch bitte so bleiben. Meine Ärzte sagen sei alles noch im grünen Bereich und wir müssen jetzt mal abwarten und das gut beobachten.

    Tag 7

    Heute vor einer Woche fing meine Reise an, zur Feier des Tages habe ich heute nach der Morgenroutine meine Schläuche gepackt und bin das erste Mal nach draussen an die Sonne, HERRLICH kullern gleich ein paar Tränen.

    Allgemeinener Zustand ist sehr gut, mag gut auf und gehe jeden Tag meine Runden laufen. Schmerzen auch im Griff, einzig der Darm will noch nicht recht und diese Blitzdurchfälle sind elendiglich.


    Tag 8

    Freinacht: Unheimliche Schmerzen im Bein, Verdacht auf Thrombose der Nachtarzt wird gerufen eine riesen Hektik ist im Gange. Dann nach dem Untersuch die Entwarnung keine Thrombose, sondern eine Nervenentzündung durch die lange OP Lagerung.

    Positiv: nichts schlimmeres

    Negativ: Ausheilung 6-12 Monate


    Tag 9

    Morgendlicher Ablauf wie immer, inkl. Visite sind alles sehr zufrieden- Verlauf super!

    Spazieren gehen, Besuche geniessen.


    Tag 10

    Fürchterliche Nacht der Pouch war verstopft ein riesen Theater bis er wieder lief.

    Ab heute gibt es wieder Antibiotikum, weil morgen die beiden Harnleiterschienen gezogen werden.

    Sonst der tägliche Wahnsinn.


    Tag 11

    Grosser Tag die Visite und das gute Blutbild geben das O.K für das ziehen.

    Zwei Stunden später ist es soweit, sie sind draussen ganz ohne Schmerzen, die Nähte zu entfernen waren das schlimmste daran. Juhui wieder zwei Schläuche weniger.

    Am Nachmittag verstopf der Pouch erneut, grauenhafte Koliken bis er endlich wieder läuft.

    Der Schleim ist immens, starte jetzt mit dem Forumstee und hoffe so auf Besserung.


    Tag 12

    Visite – Verbandwechsel – spülen – spazieren – schlafen.

    Die Körpervitalität wird besser, falle nicht mehr nach jeder Mahlzeit und Spaziergang wieder in den Tiefschlaf.


    Tag 13

    Der ganz normale Spitalwahnsinn.

    Geniesse meinen Mann, der mir jeden Tag zur Seite steht. Wir gehen spazieren und Kaffee trinken, den ich inzwischen sehr gut vertrage. Allgemein das Essen klappt sehr gut ob Reis, Teigwaren, Risotto, Fleisch, Fisch, Brot alles kein Problem.

    Habe letzte Nacht eine neue Zimmernachbarin bekommen, der es leider gar nicht gut ging und je später der Abend desto schlechter ihr Zustand und dann gegen 21.30 Uhr hört ihr Herz auf zu Schlagen. Dann geht alles Blitzschnell, das ganze Zimmer voll mit Pflegepersonal, zwei kommen an mein Bett und helfen mir beim Aufstehen und das Zimmer zu verlassen.

    Werde in ein neues Zimmer gebracht, in dem ich jetzt auch bleiben darf. Bin sehr mitgenommen und telefoniere noch meinem Mann um mich ein bisschen abzulenken. Sehr aufmerksam auch das in dieser Nacht immer wieder eine Schwester sich nach meinem Befinden erkundigt.


    Tag 14

    Heute geht es in den OP (cool selbstständig in diesen Räumen rumzulaufen)

    Ein grosses «Wow» Erlebnis, das erste Mal die neue Blase auf dem Röntgenbild zu sehen. Das füllen klappt einwandfrei und sie ist dicht, bin überglücklich der Zystofix wird gezogen. Was sehr schmerzhaft ist da es beim 1 Versuch nicht klappt und beim 2 habe ich das Gefühl, dass der ganze Unterleib mitkommt. Leider sind die Nieren immer noch gestaut.

    Danach gibt es mit einem Sandsack auf dem Bauch Bettruhe für 3 Stunden.


    Tag 15

    Alles beim alten, Morgenritual und dann geniesse ich meine Freiheit mich zu bewegen mit nur noch meinem Pouch DK der mich jetzt die nächsten 6 Wochen begleiten wird.


    Tag 16

    Nach der Visite kommt die Uro-Expertin um mit mir das Anspülen und Pflegen des Pouches und das wechseln der Verbände zu üben, klappt alles einwandfrei. Und dennoch kommt heute Wehmut in mir hoch, vermisse meine alte Blase, vermisse es auf Toilette gehen zu können. Der Kopf muss eben auch Heilen nicht nur der Körper.

    Highlight des Tages habe heute 10953 Schritte geschafft!


    Tag 17

    Letzter Tag!!!

    Am Morgen geht es gleich zum Schall und endlich die Erlösung, die Stauungen gehen zurück.

    Der erste Schritt ist geschafft, raus aus dem Krankenhaus zur Reha, danach nach Hause und

    dann nochmals ins KH um den DK zu ziehen und den Pouch zu aktivieren.


    Bin hier allen sehr dankbar für die gute kompetente Betreuung.

    Meiner Familie für die stetige Unterstützung und das Auffangen an schlechten Tagen. Jetzt brauche ich Ruhe um das Geschehene zu verdauen und wieder zu mir selber zu finden und mein neues Leben in Angriff zu nehmen.


    An dieser Stelle möchte ich mich bei euch allen im Forum für die Ratschläge, die Aufmunterungen und die lieben Genesungswünsche bedanken. Ich habe hier immer das Wissen nicht alleine zu sein.


    Tag 18

    Letztes Frühstück, letzte Visite.

    Tasche ist gepackt und dann beginnt eine ganz herzliche Verabschiedung von meinen zahlreichen Ärzten und dem Pflegepersonal und jetzt ab zur nächsten Phase.



    Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit

    Ludwig Börne


    Ich habe noch einen langen Weg vor mir und ob ich es wirklich schaffen werde einmal sagen zu können «Ich bin soweit Gesund» weiss ich nicht aber werde mein Bestes geben.


    Euch allen wünsche ich einfach unvergesslich schöne Momente, denn von denen zerrt man an schlechten Tagen.


    Liebe Grüsse

    Sandy