Liebe Forumsmitglieder,
ich bin seit September 2021 stille Mitleserin und möchte mich jetzt auch einmal aktiv melden.
Meine Mutter (74 Jahre), keine Vorerkrankungen, sehr guter Gesundheits- und Fitnesszustand, sportlich, kein Übergewicht, Nichtraucherin und keine berufliche Disposition, bekam im September die schockierende Diagnose Blasenkrebs, nachdem sie nach einer Blasenentzündung im Juli nicht mehr richtig fit wurde. Blut- und Urinwerte gaben keinen Hinweis auf einen Tumor. Nachdem die Hausärztin sie letztendlich ins MRT geschickt hatte, war dann leider ein sehr großer Tumor innerhalb der Blase zu erkennen.
Bei meinen Recherchen bin ich sofort auf dieses Forum gestoßen und konnte mich schon einmal mit sehr wertvollen Informationen aus den verschiedenen Beiträgen versorgen – und mich selbst als Tochter schon mal mit den verschiedenen Szenarien, die möglich sein konnten, auseinandersetzen.
Die TUR-B erfolgte Ende September, Befundbesprechung nach Abdomen-CT (unauffällig, keine Metastasen) dann sehr zeitnah Anfang Oktober. Der Tumor war muskelinvasiv, wie fast schon vermutet. Ich war bei allen Gesprächen dabei, und meine Mutter folgte der Empfehlung des Chefarztes, eine radikale Zystektomie mit Anlage eines Urostomas vornehmen zu lassen, dies wurde Ende Oktober gemacht. Auch hier waren die Informationen aus dem Forum absolut hilfreich, da wir gut vorbereitet in die Gespräche gehen konnten und meine Mutter das Ganze wirklich sehr tapfer und gefasst aufnehmen konnte. Eine Zweitmeinung haben wir nicht eingeholt, weil für uns das Ergebnis das gleiche sein würde bei diesem Befund. Wir hatten großes Vertrauen in den Chefarzt und das wurde nicht enttäuscht.
Diagnose nach TUR-B und Zystektomie: Urothelkarzinom pT2 N0 (0/11) L0 V0 G3 und ausgedehntes pTis, R0, PDL1-Status 5%, IC-Score 2 (in domo).
Ein Nierenstau 2. Grades der linken Niere wurde vorher bereits festgestellt (sogar 3. Grades, das hat sich aber zurückgebildet und kann/wird sich wohl noch weiter zurückbilden).
Meine Mutter lag nach der radikalen Zystektomie Ende Oktober vom frühen Abend des OP-Tages bis zum nächsten Vormittag auf der Intensivstation, konnte aber sehr zügig auf die Normalstation verlegt werden.
Dort war sie für knapp 2 ½ Wochen; sowohl der Eingriff selbst als auch der postoperative Verlauf war sehr gut, die Ärzte waren sehr zufrieden mit ihr. Nachdem Schwäche und Übelkeit weitgehend verschwunden waren, war sie fleißig zuerst mit einem Rollator (mit eingehängtem Nachtbeutel) und danach ohne Hilfsmittel auf den Fluren unterwegs, um körperlich wieder fitter zu werden. Die Physiotherapeutin hat sie so gut wie nie gesehen, da sie sich komplett alleine mobilisiert hat.
Das Urostoma hat sie schon im Vorfeld und auch nach der Operation sehr bald akzeptiert, sie geht auch in ihrem Umfeld komplett offen damit um. Auch das ist unter anderem dem Forum hier zu verdanken!
Nach dem Klinikaufenthalt war sie für 3 Tage daheim (ich wohne mit meiner Familie im gleichen Haus wie meine Mutter), sie war dann natürlich noch recht schwach – völlig logisch nach solch einem Eingriff.
Im Anschluss ging es für sie für 4 Wochen nach Bad Brückenau zur AHB, wo sie wirklich auch sehr zufrieden war, ob es die Mahlzeiten waren oder die Anwendungen. Dort erlernte sie den sicheren Umgang mit ihrem Urostoma und der Versorgung (die Einteiler von Dansac haben von Anfang an gut funktioniert). Trotz des schlechten Wetters im November/Dezember machte sie dort jeden Tag ihre Spaziergänge und war konsequent dabei bei allen Anwendungen, die ihr verordnet wurden. Diese Zeit war sehr wichtig für sie, auch wenn sie am Anfang nicht dachte, dass sie so schnell wieder auf die Beine kommen würde.
Eine Woche vor Weihnachten kam sie nach Hause, und es ging und geht jeden Tag besser.
Die Versorgung über die örtliche Patientenversorgung ist wirklich topp, meine Mutter macht nach wie vor, wie in der AHB gelernt, alles selbst. Sie ist auch wieder sehr aktiv: beinahe tägliches Laufen bei Wind und Wetter, entsprechende Gymnastik, Selbstversorgung im Haushalt, Sozialkontakte (unter Coronabedingungen etwas eingeschränkter als früher, aber Hauptsache Kontakte, und es gibt ja die neuen Medien, in denen sie sehr bewandert ist).
Sie sagt immer zu Freunden und Verwandten, wenn sie nicht ihren Beutel hätte, würde sie sich fühlen wie vorher. Tagsüber ist sie komplett mobil mit dem „normalen“ Beutel, den sie nachts an einen Nachtbeutel anschließt und so die Nacht durchschlafen kann. Beutelwechsel macht sie etwa jeden zweiten Tag, das Ganze dauert nun keine 10 Minuten mehr.
Das Durchschlafen, ihr Alter und auch die drohende Möglichkeit einer lange währenden Inkontinenz (vor allem nachts) waren für sie die Hauptargumente gegen eine Neoblase und für ein Urostoma. Das war für sie die absolut richtige und beste Entscheidung.
Ende Januar stellt sie sich nun erstmalig bei einer Urologin vor (sie hatte bisher keine, da sie ja keinerlei Probleme mit der Blase hatte). Laut Leitlinien für das Harnblasenkarzinom soll sie nun engmaschig (im Moment alle 3 Monate) untersucht werden.
Bisher scheint auch keine adjuvante Chemo geplant zu sein, es wurde von ärztlicher Seite nirgends etwas erwähnt, auch in keinem Bericht. Eine neoadjuvante Chemo vor der OP war auch nie ein Thema, ich denke, es war wichtig, die Harnblase aufgrund der Tumorgröße und -eigenschaften sofort zu entfernen.
So, das ist der Stand heute. Fragen habe ich im Moment keine an euch, ich habe so viel in diesem Forum und auch in den Leitlinien gelesen, dass ich mir selbst fast wie eine halbe Medizinerin vorkomme. Das Forum ist Gold wert, vielen Dank dafür.
Wichtig ist es mir auch, durch diesen Bericht zu zeigen, dass einem die Diagnose „Blasenkrebs“ erst einmal die Füße wegreißen kann, aber auch, dass die Medizin in diesem Bereich enorme Fortschritte gemacht hat und wirklich viel erreicht werden kann. Und dass es guttut, Informationen nicht nur aus ärztlicher Hand, sondern direkt von Betroffenen zu erhalten.
Mir ist durchaus bewusst, dass jeder Fall anders ist und nicht alles so geradlinig verläuft wie bei meiner Mutter. Aber meine Zeilen sollen Mut machen all denjenigen, die mit dieser Diagnose konfrontiert werden.
Beste Grüße von Gartenblick