04 - Klassifizierung und Leitlinien Blasenkarzinom

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Das Blasenkarzinom ist der häufigste Tumor des Harntrakts. 90–95 % der Blasenkarzinome sind Urothelkarzinome. Im Jahr 2006 wurden in Europa etwa 10.440 Fälle mit Harnblasenkarzinom diagnostiziert (82.800 Männer und 21.600 Frauen). Dies entspricht 6,6 % aller Tumoren bei Männern und 2,1 % bei Frauen. Somit hat sich die Inzidenz dieses Tumors in den vergangenen 5 Jahren nicht verändert. Männer sind 3,8-mal so häufig betroffen wie Frauen.
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Als Risikofaktoren gelten in erster Linie


Aktives und passives Rauchen
Exposition chemischer Substanzen
Strahlentherapie im kleinen Becken
Chronische Entzündungen (Bilharziose)


Klassifikation/Pathologie


Tumor-, Lymphknoten-, Metastasen-Klassifikation (TNM)
TNM/pTNM-Klassifikation (UICC 2002, 2005, 2010)


T-Kategorie – Primärtumor


Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0 Kein Anhalt für Primärtumor
Ta Nicht-invasives papilläres Karzinom
Tis Carcinoma in situ („flat tumor“)
T1 Tumor infiltriert subepitheliales Bindegewebe
T2 Tumor infiltriert Muskulatur
T2a Tumor infiltriert oberflächliche Muskulatur (innere Hälfte)
T2b Tumor infiltriert tiefe Muskulatur (äußere Hälfte)
T3 Tumor infiltriert perivesikales Fettgewebe
T3a Mikroskopisch
T3b Makroskopisch
T4 Tumor infiltriert Prostata, Uterus, Vagina, Becken- oder Bauchwand
T4a Tumor infiltriert Prostata, Uterus oder Vagina
T4b Tumor infiltriert Becken- oder Bauchwand


N-Kategorie – Regionäre Lymphknoten


NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1 Metastase(n) in solitärem Lymphknoten des kleinen Beckens (hypogastrische, Obturator-, externe iliakale oder präsakrale Lymphknoten) Einzelner befallener Lymphknoten kleiner als 2 cm
N2 Metastase(n) in multiplen Lymphknoten des kleinen Beckens (hypogastrische, Obturator-, externe iliakale oder präsakrale Lymphknoten), einzelner Lymphknoten von 2–5 cm Durchmesser, oder mehrere befallene Lymphknoten < 5 cm
N3 Metastase(n) in Lymphknoten an Aa. iliacae communes, Lymphknoten über 5 cm


M-Kategorie – Fernmetastasen


MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen


pTNM: Pathologische Klassifikation
Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien. Die Kombination der jeweiligen TNM/pTNMKategorien ergeben das Tumorstadium 0–IV, wobei klinische
und pathologische Kategorien untereinander kombiniert werden können. Das Suffix „m“ wird in Klammer gesetzt (m) und soll bei der entsprechenden T-Kategorie verwendet werden, um multiple
Läsionen anzuzeigen.
Der Zusatz (is) kann zu der T-Kategorie verwendet werden, um das Vorhandensein eines assoziierten Carcinoma in situ anzuzeigen.
Präfix „y“: Wenn die Klassifikation während oder nach initialer multimodaler Tumortherapie erfolgt, werden die TNM/pTNMKategorien durch das Präfix „y“ gekennzeichnet.


Lymphgefäßinvasion (L) Klassifikation


L0 = Keine Lymphgefäßinvasion
Lx = Lymphgefäßinvasion nicht beurteilbar
L1 = Lymphgefäßinvasion


Veneninvasion (V) Klassifikation


V0 = keine Veneninvasion
Vx = Veneninvasion nicht beurteilbar
V1 = mikroskopische Veneninvasion
V2 = makroskopische Veneninvasion


Histopathologisches Grading (G) Grad der Tumorzelldifferenzierung


G1 = gut differenzierter Tumor
G2 = mäßig differenzierter Tumor
G3 = schlecht differenzierter Tumor
G4 = undifferenzierter/entdifferenzierter/anaplastischer Tumor


Low risk : Jedes Karzinom mit dem Differenzierungsgrad G1 oder G2 ohne Lymphgefäßeinbrüche


High risk : Jedes Karzinom mit dem Differenzierungsgrad G1 oder G2 mit Lymphgefäßeinbrüchen, Jedes G3 oder G4 Karzinom sowie jedes Siegelringkarzinom


Residualtumor- (R-) Klassifikation



Das Fehlen oder Vorhandensein von Residualtumor (Resttumor) nach Behandlung wird durch die R-Klassifikation beschrieben.
TNM und pTNM beschreiben die anatomische Ausbreitung des Tumors ohne Berücksichtigung der Behandlung.
Sie können durch die R-Klassifikation ergänzt werden, die den Tumorstatus nach Behandlung erfasst. Sie spiegelt die
Effekte der Therapie wieder, beeinflusst das weitere therapeutische Vorgehen und liefert die zuverlässigsten Voraussagen
zur Prognose.


Die Definition der R-Klassifikation ist:


RX Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden
R0 Kein Residualtumor
R1 Mikroskopischer Residualtumor
R2 Makroskopischer Residualtumor




Histologisches Tumortyping und -grading urothelialer Harnblasenkarzinome (WHO 1999, 2004)
Nicht-invasive urotheliale Tumoren


Papillom (nicht-invasive papilläre Neoplasie G0)
Nicht-invasives papilläres urotheliales Neoplasma niedriger maligner Potenz (PUNLMP)
Nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom, Low-grade [nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom G1, G2]
Nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom, High-grade [nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom, G2,G3]*
Urotheliales Carcinoma in situ (Cis)


Invasive urotheliale Karzinome


In diesem Stadium finden wir nur mehr High-grade urotheliale Karzinome (Grad II oder Grad III nach WHO 1973).
Eine differenzierte Graduierung hat keine weitere prognostische Information. Jedoch gibt es einige morphologische Subtypen:


Invasives urotheliales Karzinom


mit plattenepithelialer Differenzierung
mit glandulärer Differenzierung
mit trophoblastischer Differenzierung
Nested-Variante
mikrozystische
mikropapilläre
Lymphoepithelioma-like
plasmazytoide
sarkomatoide
riesenzellige
undifferenzierte


Seltene Tumoren der Harnblase


Plattenepithelkarzinom (5 %)
Adenokarzinom (< 1 %)
Urachuskarzinom (0,3 %)
Malignes Melanom
Phäochromozytom
Neuroendokrine Tumoren/kleinzellige Karzinome
Malignes Lymphom der Harnblase
Gutartige Tumoren der Harnblase (Leiomyom, Hämangiom, Neurofibrome)


C = Diagnosesicherheit
C1 = Diagnosesicherung durch Standardverfahren (Rö, Endoskopie)
C2 = Diagnosesicherung durch spezielle Verfahren (MRT, CT, Nuklearmedizin, Biopsie)
C3 = Diagnosesicherung durch chirurgische Exploration mit Biopsie
C4 = Diagnosesicherung durch definitive Chirurgie und pathologische Untersuchung
C5 = Diagnosesicherung durch Autopsie


GRUNDSÄTZE DER HEUTIGEN TUMORKLASSIFIKATION
• T: Lokale Ausbreitung des Primärtumors,
• N: Metastasierung in regionäre Lymphknoten,
• M: Fehlen oder Vorhandensein von Fernmetastasen.


Für jeden dieser 3 Parameter sind — unterschiedlich je nach Tumorlokalisation bzw. -entität —
mehrere Kategorien, maximal 5 (0–4), fallweise mit Unterkategorien (z.B. 1a, 1b, 1a(i), 1a(ii) etc.)
vorgesehen. So kann jeder Tumor durch eine „TNM- Formel“ beschrieben werden, z.B. T2 N1 M0.


Ein wichtiger Grundsatz des Systems ist es, dass im Falle von Zweifeln bei der Zuordnung zu
den verschiedenen Kategorien die jeweils niedrigere Kategorie gewählt werden muß, also z.B.
bei Ungewissheit zwischen T2 und T3 der Tumor als T2 (und nicht als T3) zu klassifizieren ist.


Das TNM - System ist ein Dualsystem, in dem zwischen einer klinischen ( prätherapeutischen )
Klassifikation (TNM) und einer pathologischen Klassifikation ( pTNM ) unterschieden wird. Innerhalb
der klinischen Klassifikation kann die „Sicherheit“ (Verlässlichkeit) entsprechend den angewandten
diagnostischen Verfahren durch Zusatz des sog. C-(Certainty-)Faktors (TC NC MC)
berücksichtigt werden.
Erfolgt eine TNM- oder pTNM -Klassifikation nach Vorbehandlung durch Strahlen- und/oder
medikamentöse Therapie, so wird der TNM- bzw. pTNM - Formel das Präfix „y“ vorangesetzt.



Quelle Bild: „TNM Blasenkrebs“ von Der Reisende aus der deutschsprachigen Wikipedia. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons - File:TNM Blasenkrebs.JPG - Wikimedia Commons

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