Liebes Forum
Genau heute vor drei Jahren erhielt ich meine Neoblase. Zuvor hatte ich ein Jahr mit transurethalen Resektionen und einer Mitomycin-Therapie zugebracht und zwischenzeitlich das Gefühl, mein oberflächlicher Blasenkrebs sei besiegt. Das bewahrheitete sich nicht, was aber auch daran lag, dass schon am 8.2.2007, als meine Blasenkrebsgeschichte begann, ich eigentlich einen muskelinvasiven Befall hatte, der aber falsch diagnostiziert wurde. Mein Befund: pt2 G 3, Ptis Alles nachzulesen unter den threads:
http://forum-blasenkrebs.net/index.php?page=Thread&threadID=789
und hier
http://forum-blasenkrebs.net/index.php?page=Thread&threadID=1389
ich habe außerdem die Intervalle 1 Jahr und 2 Jahre nach der Zystektomie bearbeitet und als thread dargestellt.
Wie ist es heute?
Seit mehr als einem Jahr komme ich ohne eine Pufferung mit Bicanorm oder vergleichbaren Medikamenten aus, von denen ich zu Beginn 6 Tabletten täglich nehmen musste. Meine Blutgasanalyse, die ich alle 3 Monate mache, zeigt, dass der Stoffwechsel sich gut eingestellt hat, der Base-Exzzess war ok, der ph-Wert mit 7,425 auch gut.
Ich bin nervschonend operiert worden, meine Sexualität funktioniert auch ohne Hilfsmittel, mit Hilfsmitteln wie Viagra allerdings noch besser.
Trotz eines Schwerbehindertenstatus von 80 % - was aus vielen Gründen sehr empfehlenswert ist - kann ich meiner Tätigkeit als leitender Polizist uneingeschränkt nachgehen, Sport betreiben, Heimwerken, viele Hobbies ausüben und ein aktives Leben führen. Einmal jährlich werde ich mit CT, Röntgen Abdomen sorgfältig untersucht, bisher alles o.k.
Aber, es war nicht immer gut. Nach meiner Zystektomie war es eine Zeit lang sehr schwer, weil ich schmerzbedingte Lähmungen hatte, die Ursachenforschung dauerte lange, ich war sogar im Rollstuhl unterwegs, schließlich brachte eine Revisions-OP die Lösung, danach ging es bergauf.
Irgendwann war ich dann so leichtsinnig, dass ich meine Blase solange nicht entleerte, weil ich nichts spürte, dass sie ein Leck entwickelte, und das, als ich gerade beruflich in Moskau war. Zwei Wochen Dauerkatheder halfen der Blase, wieder zu heilen. Ich lernte viel über Beinbeutel, auch gut.
Ich habe inzwischen so ein gutes Verhältnis zu meiner Blase, dass ich sie gut spüre, also nicht mehr nach der Uhr auf die Toilette gehe, sondern nach Gefühl -in Moskau klappte das halt nicht- und auch nachts von 23.oo Uhr bis o5.oo Uhr schlafen kann, wenn ich nicht zuviel vorher trinke.
Ich trinke täglich ca. 4 - 5 Liter- morgens O-Saft und Tee, im Büro dann Kaffee - 2 - 5 Tassen, 2 0,7 l Flaschen Wasser, zu Hause wieder Tee und dann Bier oder Wein am Abend. Wenn ich Sport mache, mdst. einmal die Woche Volleyball, oft noch einmal Beachvolleyball wird es noch mehr.
Durchfälle begleiten mich seit Anfang an, weil ich auch dafür keine Medikamente nehme. Wenn ich z. B. mit Wonne Heringstip esse, kann ich sicher sein, nach ca. 30 Minuten mit ordentlich Durchfall auf der Toilette zu sitzen. Die Gallensäuren, die dann ausgeschüttet werden, gelangen unresorbiert zum Enddarm, dort wird Schleimhaut angegriffen und dann geht es massiv raus. Aber ich mag viele dieser Gerichte halt. Ich trinke dann viel. Meinen Anus muss ich gelegentlich mit Wund- und Heilsalbe wegen den damit einhergehenden Erscheinungen behandeln. Ich habe immer welche dabei.
Es kann durchaus sein, je nach Essen, dass ich mal 3 - 10 Tage eher ein Durchfall-Mensch bin, aber das geht auch, wenn man viel trinkt.
Meine Blase hat sich von rund 500 ml in Richtung 700 ml entwickelt, das restharnfreie Entleeren klappte lange gut, seit Moskau nicht mehr immer, da scheint sich ein Faltenwurf entwickelt zu haben.
Insgesamt bin ich ein glücklicher Neoblasenträger und kann diese Behandlung des invasiven Blasenkrebses nur empfehlen, weil man damit - wenn es zur rechten Zeit geschieht - den Blasen-Krebs recht erfolgreich besiegen kann. Viele Menschen scheuen dabei das Risiko der Inkontinenenz, viele Männer die Impotenz.
Ich bin - wie ca. 40 % aller Neoblasen - völlig kontinent, benutze gleichwohl immer eine Matratzen-Auflage, weil bei Alkoholgenuss das Selberwachwerden schon mal mißlingt.
Die nervschonende OP ist eine Möglichkeit, die Erektionsfähigkeit zu erhalten, es setzt voraus, dass man nicht zu invasiven Blasenkrebs hat und der Operateur diese OP-Technik gut beherrscht. Allerdings ist bei jeder Zystektomie ein Orgasmus nicht mehr mit einem Flüssigkeitserguss verbunden und die Zeugungsfähigkeit ist in jedem Fall dahin. Der Flüssigkeitsfreie Orgasmus hat auch seine Vorteile, z. B. bei der Liebe an und für sich, die bei einer nervschonenden Zystektomie wichtig ist, damit man - Training macht den Meister - die Schwellkörper trainiert.
Gleichwohl setzt die Sexualität nach der Zystektomie auch einen entspannten Umgang beider voraus und man muss auch mit Mißerfolgen oder sonstigen Peinlichkeiten umgehen können. Beispielsweise sind die Muskeln, mit denen man nach einer Zystektomie den Harn kontrolliert genau die Muskeln, die bei der Erektion entspannt sein müssen, damit das Blut einfließen kann. Daher empfiehlt es sich, vor einem Geschlechtsverkehr die Blase sorgfältig zu entleeren, sonst hat man zwar keinen Erguss, aber es kann trotzdem feucht sein.
Als Besitzer eines Schwerbehindertenausweises habe ich auch den Euro-Schlüssel für Behinderten-WC, der kostet rd. 22 Euro und funktioniert in vielen Behinderten-WC, z. B. auf Autobahnen und dann ohne Sanifair-Ticket und Anstehen in der Schlange, praktisch. Außerdem sind Behinderten-WC meistens sauberer.
Beim Skifahren in Österreich gibt es den Jugendpreis, statt 33 Euro nur 17 am Tag, auch gut.
Ich persönlich gehe sehr offen mit meiner Krebserkrankung um, auch das hat sich für mich bewährt.
Liebe Blasenkrebs-Patienten, ich hoffe, diese Schilderung macht deutlich, dass auch mit Blasenkrebs ein intensives, genussvolles, erfülltes Leben möglich ist. Wenn ihr am Beginn der Krankheit steht, stürzt viel auf euch ein. Auch ich dachte über alles, auch meinen Tod nach. Aber Menschen in diesem wundervollen Forum gaben mir Informationen, Kraft, Rat, Zuspruch und so konnte ich es bisher gut bewältigen.
Das wünsche ich euch auch und dafür schreibe ich diesen Beitrag.
Egal was kommt, im Ruhrgebiet sagt man Glück Auf!